Montag10. November 2025

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Großbritannien„Die Briten haben Besseres verdient“ –  nach dem Rücktritt von Truss will Labour Neuwahlen

Großbritannien / „Die Briten haben Besseres verdient“ –  nach dem Rücktritt von Truss will Labour Neuwahlen
Liz Truss ist gescheitert, die Briten brauchen mal wieder einen neuen Premier Foto: dpa/Adrien Fillon

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Liz Truss tritt nach nur sechs Wochen im Amt zurück. Das sagte die konservative Politikerin am Donnerstag bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in der Londoner Downing Street. Der Streit um die Nachfolge nimmt gleich Fahrt auf.

Der fünfte Premierminister seit 2016, der dritte Regierungschef binnen acht Wochen – die britische Politik kommt nicht zur Ruhe. Nach der Rücktrittsankündigung der gescheiterten Kurzzeit-Amtsinhaberin Liz Truss am Donnerstagnachmittag wollen die Konservativen nun bis Ende kommender Woche die Nachfolge klären. Als heißer Favorit wird der frühere Finanzminister Rishi Sunak gehandelt. Führende Oppositionspolitiker verlangten umgehend Neuwahlen. „Die Briten haben Besseres verdient. Wir brauchen einen neuen Start“, sagte Labour-Chef Keir Starmer zur Begründung.

Unklar blieb am Donnerstag zunächst, wie sich die Suche nach dem neuen Parteichef gestalten soll, der zugleich automatisch auch Premierminister wird. Das Parteistatut sieht eigentlich die Urwahl durch das Parteivolk vor; in der Unterhausfraktion, aus deren Reihen der neue Mann oder die neue Frau kommen muss, gibt es aber wichtige Stimmen, die sich diesmal eine rasche interne Einigung wünschen. Allenfalls könnten die rund 180.000 Mitglieder per Online-Votum beteiligt werden.

Bei der Suche nach dem Nachfolger des gescheiterten Premiers Boris Johnson hatte im Juli der Finanzexperte Sunak, Sohn indischer Einwanderer, deutlich mehr Stimmen seiner Fraktionskollegen erhalten als die damalige Außenministerin Truss. Bei der Urwahl aber lag Truss mit 57:43 Prozent vorn. Ihre Regierung bildete sie ohne die Anhänger ihres unterlegenen Rivalen, bot auch Sunak selbst keinen Kabinettsposten an.

Noch am Mittwoch hatte Truss um ihren Posten kämpfen wollen. Doch der Rücktritt von Innenminister Suella Braverman, Vertreterin des harten rechten Parteiflügels, sowie chaotische Informationspolitik über eine Parlamentsabstimmung machten alle Pläne zunichte. Nach nur 44 Tagen als Premierministerin – ein neuer Rekord in der 301-jährigen Geschichte des Amts – musste Truss ihr Scheitern eingestehen: „Ich kann das Mandat, mit dem ich von der konservativen Partei gewählt wurde, nicht erfüllen.“

Oppositionsführer Starmer erklärte umgehend, die 2019 mit solider Mehrheit gewählten Torys hätten nunmehr „kein Mandat für weitere Experimente“, schließlich sei Großbritannien nicht „das Lehen der Konservativen“. Die Neuwahl des Unterhauses sei „demokratisch zwingend notwendig“, betonte auch die Leiterin der schottischen Regionalregierung, Nicola Sturgeon. Die Vorsitzende der Nationalpartei SNP war von Truss im Wahlkampf als „Wichtigtuerin“ (attention seeker) abgetan und im Amt ignoriert worden. Der Streit um die konstitutionelle Zukunft des Vereinigten Königreiches stellt eine der schwierigsten Probleme für Truss’ Nachfolger oder Nachfolgerin im Amt dar.

Vor allem aber geht es darum, die misstrauischen Finanzmärkte nicht weiter gegen Großbritannien aufzubringen. Dazu trug am Donnerstag bei, dass der gerade erst seit sechs Tagen amtierende Finanzminister Jeremy Hunt seinen Verbleib im Amt plant. Er werde sich jedenfalls nicht als Kandidat für die Downing Street melden, teilte der 55-Jährige kurz nach Truss’ Ankündigung mit. Da Hunt seit Juli bereits der vierte Mann im Amt des auf der Insel mit großen Kompetenzen ausgestatteten Schatzkanzlers ist, dürfte er seinen Platz im künftigen Kabinett fest gebucht haben.

Das macht der immer noch vorherrschenden Parteilogik zufolge beinahe zwingend notwendig, dass als Parteichef und Premierminister nur jemand in Frage kommt, der oder die anders als Hunt 2016 für den Brexit gestimmt hatte. Dies trifft sowohl auf Sunak wie auf Braverman sowie die sogenannte Führerin des Unterhauses, Penelope Mordaunt, zu.

Letztere war bei der jüngsten Abstimmungsserie in der Unterhausfraktion im Juli erst im allerletzten Durchgang hinter dem klar führenden Sunak und Truss auf Platz Drei gelandet. Nach dem Tod der Queen beeindruckte die 49-Jährige durch ihre souveräne Führung der Kronratssitzungen, in denen Charles III als neuer König bestätigt wurde. Zu Wochenbeginn wurde sie von Truss vorgeschickt, um die Regierung im Unterhaus zu verteidigen. Dabei sprach Mordaunt einen Satz, der in die Annalen der Parlamentsgeschichte eingehen dürfte. Ohne mit der Wimper zu zucken, dementierte die Ministerin die scherzhafte Vermutung einer Labour-Abgeordneten: „Nein, die Premierministerin versteckt sich nicht unter einem Tisch.“

Versteckt hatte sich Truss hingegen viel zu lang vor der politischen und ökonomischen Realität der sechstgrößten Volkswirtschaft der Welt. Im innerparteilichen Wahlkampf beeindruckte sie die Tory-Mitglieder mit einem Programm von Steuersenkungen, deren Finanzierung stets offenblieb. Dadurch werde Großbritannien nach langen Jahren kümmerlicher Wirtschaftsentwicklung zu Wachstumsraten von jährlich 2,5 Prozent zurückkehren, behauptete die Kandidatin. Ihr enger Weggefährte Kwasi Kwarteng entließ gleich an seinem ersten Tag im Amt des Finanzministers den hochgeschätzten beamteten Staatssekretär, um deutlich zu machen: Die neue Regierung will mit der herkömmlichen Orthodoxie solider Haushaltspolitik brechen.

Die Quittung dafür erhielten die Regierung, vor allem aber Millionen von Briten im September, als Kwarteng seinen ersten Haushalt vorlegte: Das Pfund verschwand im Keller, die Hypothekenzinsen schnellten ebenso in die Höhe wie die Erträge, die internationale Investoren für den Kauf britischer Staatsanleihen verlangen. Vergangenen Freitag entließ Truss den Kurzzeit-Schatzkanzler, dessen Nachfolger Hunt nahm sämtliche umstrittenen Maßnahmen zurück. In zehn Tagen will der Finanzminister verdeutlichen, wie er die Turbulenzen der vergangenen Wochen überwinden will. Steuererhöhungen sowie Kürzungen bei staatlichen Investitionen und Sozialbeihilfen gelten als beinahe unausweichlich.

Grober J-P.
20. Oktober 2022 - 20.46

Freund Gregory aus Manchester wird es freuen, die spoiled brat ist endlich weg. Er weiss aber noch nicht ob er wieder auf Gasheizung umsteigen darf, ihm werden die Torffbriketts langsam zu teuer.