EditorialDie absurde Seite der teilweisen Cannabis-Freigabe

Editorial / Die absurde Seite der teilweisen Cannabis-Freigabe
Der Handel mit Accessoires dürfte wohl aufblühen Foto: AFP/Lillian Suwanrumpha

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Die geplante teilweise Freigabe des privaten Cannabis-Konsums ist zwar ein (zaghafter) Schritt in die richtige Richtung, mehr aber auch nicht. Erstens führt er zu absurden „Nebenwirkungen“ und zweitens werden die Ziele des Koalitionsabkommens von 2018 bezüglich der Bekämpfung der Drogenkriminalität kaum erreicht. Das Abkommen wollte mit der Legalisierung von Cannabis u.a. die Konsumenten vom illegalen Markt fernhalten und die Beschaffungskriminalität bekämpfen.

Jeder Haushalt soll bis zu vier Cannabispflanzen für den Eigenkonsum anbauen können. Praktisch bedeutet das allerdings, dass man entweder Gärtner oder privater Pflanzenliebhaber sein muss, um davon profitieren zu können. Vielleicht hat man aber auch Glück und kennt jemanden, der die Pflanzen züchtet. Das zu Hause angebaute Cannabis soll aber im Prinzip nur für den Eigenbedarf sein und es stellt sich also die Frage: Macht man sich strafbar, falls man einem Freund etwas „Gras“ überlässt?

Kennt man jedoch niemanden, der Cannabis selbst anbaut, muss man „wieder zurück über Los“ zum Dealer und man ist wieder dort, von wo der Staat einen eigentlich weg haben wollte, nämlich beim illegalen Handel, denn verkaufen bleibt illegal, egal, ob es sich nun um ein oder zehn Gramm handelt.

Ob nun Profi- oder Hobbygärtner: Menschen mit einem grünen Daumen werden vom neuen Gesetz bevorzugt. Das ist aber leider dann so, als ob man nur Alkohol trinken dürfe, sofern man zu Hause seine eigene Brauerei oder Schnapsbrennerei hat.

Der Besitz von weniger als drei Gramm Cannabis soll zwar entkriminalisiert werden, doch eine gebührenpflichtige Verwarnung von 145 Euro wird man trotzdem bekommen, wenn man mit einer kleinen Menge bis zu drei Gramm erwischt wird. Ob die Ausrede „aber ich habe doch keinen Garten zu Hause“ von den Polizisten dann akzeptiert wird, muss sich noch zeigen.

Im Oktober meinte Justizministerin Sam Tanson, die repressive Drogenpolitik, die seit 40 oder 50 Jahren betrieben wird, sei gescheitert. Diese Erkenntnis ist nicht neu, doch mit den logischen Schlussfolgerungen tun sich Politiker immer noch sehr schwer. Der Kampf sollte nicht gegen die Drogen an sich, sondern gegen die Drogenkriminalität geführt werden. Er kann aber nur gewonnen werden, wenn der illegale Handel für Dealer keinen Sinn mehr ergibt, weil sie keine Kunden mehr haben. Doch auch wenn das vorliegende Gesetzesvorhaben die parlamentarische Hürde genommen hat, werden ihm noch Kunden bleiben. Deshalb kann die ebenso radikale wie auch einfache Antwort auf den illegalen Drogenhandel nur heißen: die komplette Legalisierung aller Drogen bzw. eine kontrollierte Abgabe wie bei verschiedenen Medikamenten.

Natürlich sind vier freie Cannabispflanzen zu Hause besser als nichts und es sind auch positive Nebenwirkungen zu erwarten. Man darf gespannt sein, wann der erste Gärtner Abendkurse zum Thema „Wie züchte ich meine Cannabispflanze?“ anbietet. Auch der Handel mit Accessoires wird wohl boomen. Und wer weiß, vielleicht gibt es schon bald einen neuen Ausbildungsberuf: Cannabis-Anbauberater.

Rosie
16. Juni 2022 - 20.52

Ech loosse mech scheeden, da brauch ech meng 4 Planze mat kengem ze deelen.

Jupp
16. Juni 2022 - 12.19

Hei geet just drems vir datt d'Regierung kann behaapten, sie hätten hiert d'Wahlverspriechen gehaalen. Mä am Fong daacht daat Gesetz kee Fatz. Besonneg de volet "Dépénaliséierung" geet nët weit genuch.

wanda
16. Juni 2022 - 9.11

"Jeder Haushalt soll bis zu vier Cannabispflanzen für den Eigenkonsum anbauen können. " Genau. Singles profitieren, Großfamilien nicht, Diskrimination pur. Und dann wird man auch noch gezwungen Samen zu kaufen, wenn ein Ästchen bricht und runter fällt und Wurzeln schlägt, dann sind Sie ein krimineller Stecklingzüchter.