„Après le refus d’une conférence, des informations incomplètes ou erronées sont apparues dans la presse et sur les réseaux sociaux“, schreibt das Team der öffentlichen Kultureinrichtung Neimënster am Donnerstag in einer Stellungnahme. Es bezieht sich dabei explizit auf einen Beitrag von Guy Rewenig („Der Minister schweigt. Oder nicht?“), der am 18. Februar im Tageblatt erschien. Der Anlass: Das Neimënster sagte die Konferenz „Exploiting Memory: the Holocaust and the distortion of antisemitism” des „Collectives for Palestine“ * und der „ANPI Lussemburgo“ (Associazione Nazionale Partigiani d’Italia) ab, nachdem es von dem Titel und der Ausrichtung der Veranstaltung erfuhr. Rewenig schreibt von Zensur und einem Maulkorb-Beschluss, das Neimënster von Vorsicht und dem Respekt gegenüber der Gedenkkultur in Luxemburg.
Die Begründung
Das Tageblatt bot dem Neimënster vor der Publikation von Rewenigs Artikel ein Gespräch an – das wurde abgelehnt. Das öffentliche Statement zeichnet derweil nach, wie es zum Konflikt kam. Zunächst ging eine Buchungsanfrage von „Jewish Call for Peace“ (JPC), stellvertretend für das Organisationskollektiv, beim Neimënster ein. Das Personal vom Kulturzentrum erfragte Details, stellte jedoch einen Vertrag in Aussicht. Parallel kursierte auf den Sozialen Netzwerken bereits ein Flyer zur Veranstaltung: Darauf war der Titel der Konferenz zu sehen, im Hintergrund das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ in Berlin. Eine Kombination, die im Neimënster auf Ablehnung stieß. „Il (der Flyer d.R.) établissait une connexion directe entre le travail de mémoire mené en Europe et une distorsion de l’antisémitisme“, steht in der Stellungnahme. „Par principe de prudence, estimant que le visuel du flyer associé au titre (…) portait à confusion“, entschied sich das Neimënster gegen die Konferenz in den eigenen Räumlichkeiten.
Die Anpassung des Titels in „Holocaust memory and shaping the narrative” änderte nichts am Beschluss von Neimënster. „Dans le contexte de 80 ans de commémoration des 6 millions de juifs assassinés en Europe (…) neimënster a perçu le titre de cette conférence une critique sous-jacente du travail (…) de mémoire qui est fait en Europe et au Luxembourg depuis des dizaines d’années“, so das Team weiter. Am Ende fand das Event in der „Culture Bar“ statt.
Bestärkt durch „MemoShoah“
Wer über was sprach
Zur Konferenz eingeladen waren die israelischen Journalistinnen und Akademikerinnen
– Hilla Dayan („L’antisémitisme dans les gènes: mémoire et ignorance dans les constructions raciales des minorités européennes“)
– Nurit Peled-Elhanan („La transformation d’une non-arme en arme: les études sur la Shoah dans les écoles israéliennes“)
– Amira Hass („La marchandisation de la Shoah ou la mise à mort de l’histoire“)
Das Neimënster sieht sich durch eine Pressemitteilung des Vereins „MemoShoah“ in seinem Beschluss bestärkt: Anfang Februar warnte „MemoShoah“ vor einer Assoziation zwischen der europäischen Gedenkkultur und „des récits fabriqués à des fins politiques“. Die Zeitung Le Quotidien zitiert Mil Lorang, Präsident von „MemoShoah“, in einem Artikel zum Thema: „Au Luxembourg (…) des amalgames inacceptables sont faits autour de la Shoah.“ Der 80. Gedenktag zur Befreiung von Auschwitz sei in Luxemburg zum Angriff auf Israels Politik missbraucht worden.
Zur Gegenüberstellung ein Auszug aus der Beschreibung der Konferenz: „La mémoire de la Shoah a profondément influencé la géopolitique internationale au Moyen-Orient (…) Elle est souvent invoquée pour servir des agendas politiques et économiques, marginalisant ainsi les besoins des survivants de la Shoah et occultant d’autres injustices, comme la lutte du peuple palestinien pour ses droits.“ Wer diese Dynamiken kritisiere, werde oft als antisemitisch bezeichnet und die Gedenkarbeit um die Shoah als Rechtfertigung für die „occupation israélienne“ benutzt. Die Teilnehmerinnen würden dies erörtern und einen kritischen Blick auf die Politisierung der Geschichte werfen.
Martine Kleinberg, selbst Jüdin, kann die Kritik an der Konferenz sowie die Beweggründe des Neimënster jedenfalls nicht nachvollziehen. Im Gespräch mit dem Tageblatt geht sie von Missverständnissen aus. „L’antisémitisme existe et s’aggrave avec la guerre dans la région de Gaza. De la même manière, il y a des gens qui nient la Shoah et il est évident que nous devons lutter contre cela. Mais ces problèmes sont exacerbés par l’instrumentalisation de la mémoire de la Shoah à des fins politiques par Israël. J’ai l’impression que ce type de débat est très délicat au Luxembourg et que certains préféreraient balayer le sujet sous le tapis“, moniert sie.
Ausschluss und private Angriffe?
Das sagt Kulturminister Eric Thill
Das Tageblatt erhielt auf Nachfrage zur Causa folgende Rückmeldung des Kulturministeriums:
„Das Kulturministerium mischt sich aus Prinzip nicht in die kulturelle Programmierung der öffentlichen Institutionen und Einrichtungen ein. Diese unterliegt der Autonomie und Freiheit der jeweiligen Häuser. Neimënster kann demnach frei und unabhängig über sein Programm und die Vergabe von Räumlichkeiten entscheiden. Laut Gesetz gehört der Dialog zwischen den Kulturen und Organisationen zu den Missionen des Neimënster. Die Einrichtung legt großen Wert darauf, ein ausgeglichenes und neutrales Programm aufzustellen.“
Das Neimënster ist eine öffentliche Kulturinstitution und fällt somit in den Zuständigkeitsbereich des Kulturministeriums. Guy Rewenig forderte deshalb in seinem Artikel eine Stellungnahme vom zuständigen Minister Eric Thill (DP).
In dem Sinne richteten Franz Fayot und Yves Cruchten (LSAP) diese Woche eine parlamentarische Anfrage an Thill: Sie wollen u.a. wissen, welche Leitlinien für öffentliche Kulturhäuser bestehen und inwiefern der Beschluss des Neimënster gegen die Meinungsfreiheit verstoße.
Ähnliches berichtete übrigens Gabrielle Antar, Mitglied des pro-palästinensischen Kollektivs „Waassermeloun“ – auch Mitglied des „Collectives for Palestine“ – im Dezember: Im Interview mit dem Tageblatt bedauerte sie die Schwierigkeit, Veranstaltungsorte zu finden. Die meisten Institutionen in Luxemburg würden eine Zusammenarbeit ablehnen, weil „Waasermeloun“ radikale Positionen vertrete. Das Kollektiv spricht sich gegen eine Zweistaatenlösung aus und greift auf Begrifflichkeiten zurück, die kontrovers diskutiert werden.
Antar sprach damals auch vom Verlust privater Bekanntschaften durch ihr Engagement; Kleinberg verweist auf persönliche Angriffe in den Medien. In einem Leserbrief im Wort wurde ihr unterstellt, sich über die jüdische Gemeinschaft zu erheben. Inwiefern, geht nur bedingt aus dem Beitrag hervor. Dafür hinterfragt seine Autorin den Sinn der Konferenz.
Kleinberg liefert prompt eine Antwort: „En tant que citoyens de pays qui soutiennent fortement le gouvernement d’Israël – souvent au nom de la culpabilité européenne vis-à-vis de la Shoah –, même lorsqu’il est d’extrême droite et qu’il commet des crimes contre l’humanité, nous estimons qu’il est de notre devoir d’inviter des experts pour expliquer l’instrumentalisation de la mémoire.“ Wer sich ein eigenes Bild machen will: Die Konferenz ist online auf jewishcallforpeace.lu zu sehen. Für Kleinberg ist klar: „Nous, en particulier les Juifs de JCP, ne voulons pas que notre histoire de souffrance européenne soit utilisée pour donner à Israël les mains libres pour opprimer un autre peuple par la force.“
*) Dem „Collectives for Palestine“ gehören folgende Organisationen an: Comité pour une Paix Juste au Proche-Orient, Jewish Call for Peace, Luxembourg Christians for a free Palestine, Nasahma in Luxembourg, Waassermeloun, Students for Palestine, BDS Luxembourg und Cedars United
De Maart

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