Der Luxemburger Guy Acker begibt sich regelmäßig auf Zeitreise ins Mittelalter

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Guy Acker (47) ist das Gesicht hinter „Thérakulix“: einem mittelalterlichen Stand mit selbst zusammengestellten Teemischungen, Met, Hypocras und Likören im Sortiment.

Seit acht Jahren ist Guy Acker, der ansonsten als Techniker bei einem Forschungszentrum arbeitet, zusammen mit seiner Frau Claudine regelmäßig auf Mittelaltermärkten unterwegs und bietet dort seine Waren an.

Was ihn am Mittelalter fasziniert? „Das hat bereits in meiner Jugend angefangen, als wir öfters Rollenspiele gespielt haben. Jeder hatte seinen eigenen Held.“ Die Mittelaltermärkte geben ihm etwas von dem Gefühl zurück, in einer Fantasiewelt zu sein. Die Feste seien ein ganz guter Ausgleich zu seinem Beruf. „Den ganzen Stress vergesse ich, sobald ich mit dem Aufbau angefangen habe, und das hält so lange an, bis ich nach dem Markt wieder abbaue.“ Doch warum muss es das Mittelalter sein und kein anderes Zeitalter? „Wir sind auch noch in anderen Epochen unterwegs wie der Belle Epoque oder dem Steampunk.“ Bei der Mittelalterepoche schätzt er die Nähe zur Natur. Die Musik spielt ebenfalls eine große Rolle. Für die Konstruktion seines Standes hat er Monate gebraucht. Mittlerweile hat er fünf Stände. Die Bänke und Tische hat er ebenfalls selbst angefertigt. Dazu baut er mittelalterliche Spiele, um für die nötige Unterhaltung sorgen zu können.

Von mild bis scharf

Worauf die Szene und Guy großen Wert legen, ist das Wort „authentisch“. Es gilt, das Mittelalter so echt wie möglich darzustellen. Das fängt bei den Möbeln an, bei deren Anfertigung er versucht hat, Schrauben wegzulassen oder sie so einzusetzen, dass sie möglichst nicht sichtbar sind.

Authentisch ist auch das Rezept für den Met, so wird der Honigwein genannt, den er selbst zu Hause produziert. Das Rezept hat er in einem seiner zahlreichen Mittelalterbücher gelesen. Ebenfalls zum Sortiment gehören die selbst gemachten Teemischungen und der Hypocras. Das ist ein mittelalterlicher Gewürzwein, ein Rotwein, der mit ähnlichen Gewürzen versetzt wird wie Glühwein. Gesüßt wird nicht mit Zucker, sondern mit Honig.
Zum Angebot des Thérakulix gehören auch verschiedene Liköre. „Unsere Spezialität des Hauses ist der Chili-Likör. Er ist zwar extrem scharf, aber genau deswegen ist er so beliebt.“ Die Ideen zu seinen Likören stammen aus seiner Fantasie. „Ich denke nicht, dass ein Mittelalter-Mensch damals Chili-Likör getrunken hätte. Damals wären sie eher als Hexer verbrannt worden“, lacht der 47-Jährige. Den dazu benötigten Chili pflanzen die beiden mittlerweile selbst an. Dafür haben sie Pflanzen in unterschiedlichen Schärfegraden, von mild bis extra-scharf.

Drei bis fünf Märkte, die in Luxemburg stattfinden, besuchen Guy Acker und seine Frau Claudine pro Jahr. Der Transport der Stände und der Waren ist relativ aufwendig. Das Transportmittel dafür hat sich mit der Zeit genauso vergrößert wie die benötigte Lagerfläche. Angefangen hat alles mit einem kleinen Auto. Danach war ein größerer Pkw nötig. Mittlerweile sind die beiden bei einem Auto, einem zusätzlichen großen Anhänger sowie einem Gepäckträger angekommen. Lagern konnten sie am Anfang alles im eigenen Keller. Danach wurde eine Halle gemietet. „Als wir die Halle nicht mehr haben konnten, haben wir uns dazu entschieden, ein Haus mit Scheune zu kaufen.“

Seine fünf Stände benutzt er nicht nur für sich selbst. Er verleiht sie auch schon mal an Freunde, die versuchen, „im Mittelalter Fuß zu fassen“. Es gebe viele junge Menschen mit Ideen, die auch selbst etwas schaffen wollen. Beim Düdelinger Mittelalterfest an diesem Wochenende gibt er einem Mädchen, das Glasperlen anfertigt, die Chance, das erste Mal einen eigenen Stand zu betreiben. „Dadurch kann sie ein paar Erfahrungen sammeln, bevor sie teures Material anschafft und es ihr dann doch keinen Spaß macht.“ Denn so einfach ist es nicht, sich bei einem Markt zu etablieren. Gerade nach Düdelingen wollen viele Händler: „Es ist der größte Markt des Landes und derjenige, der von den meisten ausländischen Händlern aufgesucht wird, gerade weil im letzten Jahr knapp 20.000 Besucher den Weg zum ‚Gehaansbierg‘ fanden.“

In Luxemburg, so schätzt er, sind zwischen 200 bis 400 Mittelalterliebhaber richtig in der Szene aktiv. Dazu gebe es noch mal 500, die zwar keine Lager betreiben und doch gewandet zu den Märkten kommen und so zu der richtigen Atmosphäre beitragen. In der Szene hierzulande kenne jeder jeden. Richtige Konkurrenz zwischen den Einzelnen entsteht jedoch nicht. „Es wird schon darauf geachtet, dass keine zwei Met-Stände nebeneinanderstehen.“ Unter den richtigen Händlern sei das Konkurrenzdenken natürlich größer.

Finanziell abgesichert

Nur noch Händler sein stellt für Guy Acker (noch) keine berufliche Alternative dar. Er ist beruflich so abgesichert, dass er seinen Lebensstandard halten kann. Doch er bewundert diejenigen, die es machen und davon leben können. „Es ist ein harter Job, der sehr wetterabhängig ist.“ Doch er ist sich sicher, dass einige ein gutes Auskommen haben. „Viele Besucher kommen ja mit ihren Kindern. Die hätten dann gerne ein Holzschwert, doch meistens bleibt es nicht dabei.“ Dann komme noch ein Helm dazu, eine Flasche Met für den Vater und Likör oder auch ein Schmuckstück für die Mutter. „Wenn das Wetter mitspielt, wird meiner Meinung nach schon relativ viel Umsatz gemacht.“

In Düdelingen wird er nun zum neunten Mal mit seinem eigenen Stand präsent sein. Seine Frau Claudine hat er auch auf dem „Butschebuerger Buergfest“ kennengelernt. „Doch es hat noch zwei Jahre und ein weiteres Mittelalterfest gebraucht, bis wir uns gefunden haben.“ Claudine hat damals Freunden bei deren Stand geholfen. „Freunde von mir wollten mich überreden, bei ihrem Stand mit einzusteigen, doch ich habe immer gesagt, wenn wir was machen, dann etwas Eigenes. Dann sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt.“
Um zum „berühmten A-Wort“ – wie es in der Szene heißt – authentisch zurückzukommen. Möglichst authentisch sollten natürlich auch die Gewänder sein. Guy bemängelt jedoch den fehlenden Ernst bei so manchen: Einige tragen das Handy sichtbar an der Kleidung oder vergessen, die Armbanduhr abzulegen, erzählt er. „Es fängt schon bei den mittelalterlichen Schuhen an, viele haben keine, da sie nicht sehr bequem sind.“ Guy hat sich sogar eine mittelalterliche Brille angefertigt, die er jedoch nicht oft aufsetzt, da sie zu unbequem ist. Da macht er dann doch Zugeständnisse an das moderne Zeitalter. Ein paar seiner Gewänder hat er sich eigens anfertigen lassen. Darunter ein keltisches Kleid, das er einmal in seiner Rolle als Druide benötigt hat, als er in Norwegen eine Trauung durchgeführt hat. „Es waren Luxemburger, die in Norwegen heiraten wollten. Also sind wir zu 93 Mann dorthin gereist.“ Bis zu fünf Gewänder hängen in seinem Schrank. Bei seiner Frau sieht das etwas anders aus. Claudine hat etwa ein Dutzend, von Sommer- bis Winterkleidung und dazu gehören Handschuhe und Mäntel.

Bei Nicht-Gewandeten ist in letzter Zeit vielleicht der Eindruck entstanden, dass die Mittelaltermärkte einen Boom erleben. Dem widerspricht Guy jedoch. „Ich finde, es flaut schon wieder ab, da die SteampunkSzene anfängt, sich zu etablieren. Viele Händler machen beides, da es sich gut miteinander kombinieren lässt.“
Was ist für ihn das Schönste an den Mittelalterfesten? „Neben dem Aufbau gefällt mir am besten, dass wir nachts im Stand schlafen. Abends kommen die Händler bei einem Lagerfeuer zusammen. Dann grillen und essen wir und meistens gibt es noch Musik dazu.“


Info

Das 17. „Butschebuerger Buergfest“ mit über 100 Ständen findet diesen Samstag und Sonntag statt, mit Reiterturnieren Tavernenspektakel und Feuershow.
Öffnungszeiten:
Samstag: 11.00-24.00 Uhr
Sonntag: 10.00-19.00 Uhr
Anfahrt:
Die Veranstalter raten zum kostenlosen Pendelbus ab dem P&R.
Auf der Autobahn A13 („Collectrice du sud“) die Ausfahrt 8 (Dudelange-Burange) nehmen und der Beschilderung „P+R Buergfest“ folgen.
Eintrittspreis:
8 Euro für Erwachsene
6 Euro für Gewandete
Zwei-Tages-Karten:
14 Euro für Erwachsene
10 Euro für Gewandete
Weitere Infos:
www.buergfest.lu

roger wohlfart
7. September 2018 - 18.38

E formidablen Artikel. Weider e sou. Dat ass historesch héich interessant a faszinant. Wat ass eegentlech Hypocras?