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LuxemburgDer Europäische Preis der Mikrofinanz ehrt Vorbilder

Luxemburg / Der Europäische Preis der Mikrofinanz ehrt Vorbilder
Mit dem Europäischen Preis der Mikrofinanz werden seit 2005 herausragende Finanzdienstleistungen für Menschen in besonders prekären Lebenssituationen gewürdigt Foto: EIB

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Bereits zum 15. Mal wurde am Donnerstagabend in Luxemburg der Europäische Preis für Mikrofinanz verliehen. Zu gewinnen gab es 100.000 Euro. Im Mittelpunkt standen dieses Jahr Flüchtlinge und Vertriebene, die oft am Rande der Gesellschaft stehen und deren Zugang zu finanziellen Dienstleistungen besonders erschwert ist. Bewerben durften sich nur Mikrofinanzinstitute (MFI), die innovative Lösung in diesem Bereich gefunden haben.

Der begehrte, am Donnerstagabend verliehene Preis hat zum Ziel, Innovation und besonders positive Beispiele hervorzuheben. Mit der Aufmerksamkeit, die die behandelte Thematik und die Lösung des Preisträgers hierdurch erhalten, sollen weltweit Menschen zum Nachahmen ermutigt werden. Jedes Jahr steht der European Microfinance Award unter einem anderen Thema. Bei den vergangenen Auflagen belohnte er gute Ideen in Bereichen wie Umwelt oder Nahrungsmittelsicherheit, Hausbau-, Bildungsfinanzierung oder Technik.

Die Mikrofinanz hat zum Ziel, Menschen in armen Weltregionen, die keinen Zugang zu Banken haben, die Möglichkeit zu bieten, mit Eigeninitiative und Kleinstkrediten (meist einige hundert Euro) der Armut zu entkommen. 

Organisiert wird die Veranstaltung zur Verleihung des Awards von der European Microfinance Platform (e-MFP), dem luxemburgischen Außenministerium und dem Inclusive Finance Network Luxembourg (InFine). Das Ereignis findet jeweils parallel zur Europäischen Mikrofinanzwoche in Luxemburg statt, wenn Hunderte Branchenvertreter im Land sind. Die Europäische Investitionsbank (EIB) auf Kirchberg stellte, wie schon in den Vorjahren, auch dieses Jahr wieder ihre Räumlichkeiten zur Verfügung. Den Geldpreis stiftet das luxemburgische Kooperationsministerium.

Mehr als nur Finanzdienstleistungen

Es gehe darum, diejenigen zu erreichen, die am meisten Hilfe benötigen, und eine nachhaltige, langfristige Wirkung zu erzielen, so Gelsomina Vigliotti, Vizepräsidentin der EIB. Mit den kleinen Krediten zum Aufbau einer Geschäftstätigkeit „erhalten Menschen die Möglichkeit, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen, etwas Wohlstand und Stabilität und vielleicht auch Jobs zu schaffen“. Es gehe nicht einfach um Finanzdienstleistungen, sondern um das Schaffen einer „besseren Welt“.

Sie hebt hervor, dass sich die Ziele der Mikrofinanz und die ihrer Bank überschneiden: Die in Luxemburg beheimatete EIB, dessen Aktionäre die Mitgliedstaaten der EU sind, ist eine Entwicklungsbank, wie die Weltbank, die finanzielle Mittel zur Verfügung stellt, um Ziele wie das Fördern einer nachhaltigen Entwicklung der EU oder die Bekämpfung von Armut und Klimawandel zu erreichen.

Flüchtlinge und Vertriebene stehen dabei vor ganz besonderen Herausforderungen, hob Georges Ternes vom Luxemburger Außenministerium hervor. Etwa was Bürokratie, Formulare, Eigentums- und andere Rechte angeht. Bei Finanzdienstleistungen für eben gerade diese Bevölkerung gehe es darum, Mittel und Wege zu finden, um auch ihr „unternehmerisches Potenzial freizuschalten. Es geht darum, ihnen zu helfen, ihre eigene Zukunft zu gestalten.“

123 Millionen Flüchtlinge

Als Gastrednerin war Kelly Clements, Deputy High Commissioner der UN-Flüchtlingshilfe (UNHCR), nach Luxemburg gekommen. 123 Millionen Flüchtlinge werden derzeit in der Welt gezählt, hebt sie hervor. „Die höchste Zahl seit Gründung des UNHCR. (…) Da geht es um Familien, Menschen mit Hoffnungen und Ängsten.“ 

Kelly Clements kam geradewegs aus der Ukraine. Allein in dem Land seien zehn Millionen Menschen auf der Flucht, sagt sie. Die meisten innerhalb des Landes. Sie erzählt von ihrer Zugreise in den Osten des Landes: „In die eine Richtung fahren Familien auf der Suche nach Sicherheit – in die andere Soldaten an die Front, um ihr Land zu verteidigen.“ Hängen geblieben sind auch „der ständige Beschuss und der Luftalarm“.

Im Westen des Landes hat sie derweil Flüchtlinge besucht, wo dank Mikrokrediten des UNHCR eine Frau einen Autowaschbetrieb und eine andere eine kleine Gänsefarm errichten konnte. Es sind Geschichten von „bemerkenswerter Stärke und Widerstandsfähigkeit“, hebt sie hervor. „Finanzielle Inklusion gibt den Menschen die Basis und die Werkzeuge, um die neuen Chancen für die Zukunft zu schaffen.“

Kelly Clements war auch Mitglied in der Jury, die von Großherzogin Maria Teresa präsidiert wurde. Sie musste am Donnerstag aus drei Finalisten einen Gewinner aussuchen. „Alle drei Finalisten zeigen die Stärke der Mikrofinanz“, so die Großherzogin. „Ein Werkzeug, um zu helfen. (…) Sie schaffen es, Hoffnung wiederherzustellen, wo es keine gibt.“ Beworben hatten sich dieses Jahr 49 Mikrofinanzinstitute aus 26 Ländern. 

Die drei Finalisten

Als Erstes vorgestellt wurde Al Majmoua, das größte Mikrofinanzinstitut im Libanon, einem Staat mit langer Erfahrung als Aufnahmeland von Flüchtlingen vor allem aus Palästina und Syrien. Seit 2019 herrscht zudem eine katastrophale Wirtschaftskrise. Trotz der enormen Probleme bietet Al Majmoua Einheimischen und Flüchtlingen verschiedene Finanzprodukte an, darunter Geschäftskredite für Gruppen und Einzelpersonen. Außerdem vermittelt das Institut Finanzwissen und bietet Gründungs- und Managementschulungen. 

Aktuell ist es derweil besonders schlimm: Das Video begann mit Luftangriffen. „Zehn Prozent unserer Kunden sind aktuell auf der Flucht“, ist zu erfahren. Mehrere wurden bereits getötet. Man erwartet, dass das Kreditrisiko steigt – also, dass viele ihre Kredite nicht zurückzahlen können.

Der zweite Kandidat war Palestine for Credit and Development (FATEN) aus in den besetzten Gebieten. Die Organisation unterstützt Flüchtlinge und Vertriebene über ein Filialnetz mit Finanz- und Nicht-Finanzdienstleistungen. Dazu gehören Sofortkredite zu Niedrigstzinssätzen, die im vereinfachten Verfahren vergeben werden, Start-up-Kredite speziell für junge Menschen und Unternehmerinnen, Agrarkredite sowie Kredite für saubere Energie und Kredite zur Verbesserung der Wohnverhältnisse.

Das Video begann mit der Sicht zerstörter Häuser. „Unsere Filialen werden zerstört und unsere Kunden ermordet“, so Geschäftsführer Anwar Hussein. „Ich bin ein Mensch wie ihr. Wir lieben das Leben“, wendet er sich an das Publikum. „Warum geht man so mit uns um?“ Vom Publikum erhielt FATEN langen Beifall.

Die Präsidentin der Jury, Großherzogin Maria Teresa, mit den drei Finalisten
Die Präsidentin der Jury, Großherzogin Maria Teresa, mit den drei Finalisten Foto: EIB

Dritter Finalist und Gewinner war die Rural Finance Initiative Limited (RUFI) aus Uganda. Gegründet wurde das Mikrofinanzinstitut 2008 im Südsudan. 2016 zwang der Konflikt viele Menschen aus Südsudan zur Flucht in das benachbarte Uganda (das die meisten Flüchtlinge in Afrika aufgenommen hat), und RUFI folgte seiner Zielgruppe in die Flüchtlingssiedlungen vor Ort. 

Die Initiative wird von Flüchtlingen geführt: 80 Prozent der Beschäftigten sind Flüchtlinge und Vertriebene, die andere Flüchtlinge aus Südsudan und der Demokratischen Republik Kongo sowie Kundinnen und Kunden aus den Aufnahmegemeinschaften betreuen. RUFI vergibt Gruppendarlehen, Darlehen für Spargruppen, grenzüberschreitende besicherte Einzelkredite, grüne Energiedarlehen und Agrarkredite für landwirtschaftliche Genossenschaften. Hart arbeitet man daran, die Vertriebenen mit den Menschen vor Ort zusammenzubringen. Beide sollen Nutzen von den Projekten haben, etwa um Ackerland für Flüchtlinge (größtenteils kleine Bauern) zu bereitzustellen und die Menschen vor Ort am Ertrag teilhaben zu lassen. Außerdem betreibt die Initiative ein Gründerzentrum, das Flüchtlinge und Einheimische mit Schulungen in Unternehmensführung und Finanzierungen unterstützt.

Zum ersten Mal wurde die Auszeichnung im Jahr 2005 vergeben. Nächstes Jahr wird der European Microfinance Award wieder organisiert, dann unter dem Thema Mikroversicherungen.
Zum ersten Mal wurde die Auszeichnung im Jahr 2005 vergeben. Nächstes Jahr wird der European Microfinance Award wieder organisiert, dann unter dem Thema Mikroversicherungen. Foto: EIB

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