Mikrokredite: Luxemburg hilft mit finanzieller Strenge gegen die bittere Armut

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Der „Luxembourg Microfinance and Development Fund“ (LMDF) wurde 2009 mit der Unterstützung der Luxemburger Regierung gegründet. Mittlerweile ist das von dem Investmentfonds verwaltete Kapital auf rund 35 Millionen Euro gewachsen. Das Tageblatt besuchte ein MFI (Mikrofinanzinstitut) in Marokko, das einen Kredit aus dem Fonds erhalten hat.

Die Idee hinter der Mikrofinanz ist es, Menschen in armen Weltregionen eine Hilfestellung bei der Flucht aus der Armut zu bieten. Ein Großteil dieser Menschen hat keinen Zugang zum Finanzsystem – und somit auch nicht zu kleinen Darlehen, um eigene Projekte umzusetzen. Und genau hier setzen die MFI an: Sie vergeben Kleinstkredite (zumeist einige hundert Euro) zur Umsetzung von Geschäftsideen an Menschen, die traditionelle Banken als „nicht kreditwürdig“ einstufen, da sie keine materiellen Garantien bieten können.

Damit das Prinzip funktioniert, muss der Kunde seinen Kredit (mit Zinsen) zurückzahlen. Mit dem gleichen Geld sollen nämlich noch viele Darlehen getätigt und noch viele Projekte umgesetzt werden. Dies erfordert aber, dass ein MFI die wahre Kreditwürdigkeit seiner Kunden sowie die Projekte sorgfältig prüft, ehe es einen Kredit vergibt. Andernfalls wäre es bald pleite und könnte niemanden mehr bei der Flucht aus der Armut unterstützen.

Auch der LMDF vergibt seine Darlehen an MFI nicht einfach nur als Geschenke gegen die Armut. So wird von ihnen, zusätzlich zu den zu erfüllenden sozialen Kriterien, erwartet, dass sie die Darlehen (mit Zinsen) zurückzahlen. Immerhin möchten auch die Aktionäre des Fonds (etwa Luxemburger Haushalte) am Ende des Jahres am liebsten eine kleine Rendite in ihren Fonds sehen – und die Gelder sollen noch weiteren MFI beim Wachsen helfen. Das Potenzial an möglichen Kunden ist immer noch enorm.

Ein Kredit über 0,45 Millionen Euro

Dass es überhaupt einen LMDF gibt, ist auf die in Luxemburg beheimatete Mikrofinanz-Förderorganisation ADA („Appui au développement autonome“) zurückzuführen. Bereits vor mehr als zehn Jahren unterhielt sie ein Portfolio mit moderaten Geldsummen, die (zu Unterstützungszwecken) an ausgewählte MFI verliehen wurden. Mit einem Kredit über einige Jahre ermöglichte die ADA aufkeimenden MFI zu wachsen und mehr Kunden zu erreichen. Zudem spielte die ADA bei manchem MFI so die Rolle als Türöffner für andere, größere internationale Geldgeber.

Dieses Portfolio ist in den LMDF geflossen. Gelder vom Luxemburger Staat, von der Europäischen Investitionsbank und von vielen Luxemburger Privatleuten kamen hinzu. Die Rolle als Investitionsberater für den Fonds übernimmt weiterhin die Organisation ADA. Sie beschäftigt mittlerweile sieben „Investment Officers“. Jeder von ihnen ist für unterschiedliche Weltregionen, von Westafrika bis Südamerika, zuständig. Sie sind die Speerspitze des Investmentfonds. Sie haben schwierige Aufgaben zu erledigen: Sie müssen passende Mikrofinanzinstitute finden, die Geld benötigen und gleichzeitig auch „richtig“ damit umgehen.

Eines der MFI, die bereits ein Darlehen vom LMDF erhalten haben, ist „Al Karama“ (auf Arabisch: Die Würde) aus Marokko. Es handelt sich um einen Kredit von über 0,45 Millionen Euro, den Al Karama vor etwa drei Jahren, in schwierigen Zeiten für die MFI, erhielt. Ende dieses Jahres läuft das mit sieben Prozent pro Jahr verzinste Darlehen aus. 150.000 Euro sind bereits zurückbezahlt. Al Karama hätte nichts gegen einen neuen Kredit einzuwenden – um weiterzuwachsen.

Gründung vor 20 Jahren

Al Karama wurde vor fast 20 Jahren als gemeinnütziges Mikrofinanzinstitut gegründet. Für die Branche gibt es in Marokko spezielle Regeln. Letztes Jahr hatten 16.000 Menschen einen Kredit von Al Karama erhalten. Insgesamt waren es rund 12,2 Millionen Euro, die im Laufe des Jahres verliehen wurden. Der Gewinn, der von den 280 Mitarbeitern eingefahren wurde, beläuft sich auf rund 180.000 Euro. Er fließt in die Reserven des fünftgrößten Mikrofinanzinstituts des Landes.

Ob Al Karama aber einen weiteren Kredit erhalten wird, wird wohl zum Großteil vom Bericht von ADA-Investment-Officer Saad Menjour abhängen. Im Beisein von Luxemburger Journalisten stellte er Abdelhamid Ariani, dem Geschäftsführer, harte und präzise Fragen. Und er hakt nach. Er kennt den Betrieb. Er ist nicht zum ersten Mal hier in der Zentrale in Rabat. Bei den Fragen geht es nicht nur um Finanzen und Strategie. Auch das „Soziale“ und „Personalien“ sind Thema. Am Tag darauf wird der Investment Officer einer der fast 70 Filialen von Al Karama einen Überraschungsbesuch abstatten. Später wird er einen Bericht verfassen und nach Luxemburg schicken.

Besonders wichtig ist es ihm, zu sehen, dass es in puncto Risikomanagement Prozeduren gibt und dass diese auch von den Mitarbeitern des MFI eingehalten werden. Risiken gebe es schließlich viele. Doch ob es nun um Betrug oder um „zu viel Menschlichkeit“ geht, für den ADA-Investment-Officer ist beides zu vermeiden. Auch wenn es hart und unsozial klinge: „Sollte ein Bankangestellter jemandem aus Mitgefühl mehr Geld leihen, als seine Rückzahlfähigkeit es zulässt … Ich glaube nicht, dass er ihm damit einen Gefallen tut.“ Es sei entscheidend, dass die Regeln mit voller Härte angewendet werden, so Saad Menjour.

Komplexe Vergabe

Dementsprechend komplex und arbeitsintensiv ist die Vergabe eines Mikrokredits, wie Fatiha Chrouaki, Leiterin einer Filiale von Al Karama in Casablanca, erklärt. Obwohl es bei den Mikrokrediten in Marokko zumeist um Summen von wenigen hundert Euro (legales Maximum für einen Mikrokredit in Marokko sind etwa 5.000 Euro) handelt, die in der Regel für 30 Tage verliehen werden, sind die Prozeduren ausgefeilt. Diese reichen von einer Analyse der Geschäftsidee und dem Berechnen der Rückzahlungskapazität bis hin zu Gesprächen mit Nachbarn über den Umgang mit der Familie. Auch Überraschungsbesuche zur Kontrolle seien keine Seltenheit. Gleichzeitig steht sie den Kunden, die oftmals kaum eine Schulbildung hatten, unterstützend mit Kursen zu Themen wie Buchhaltung oder Marketing zur Seite. Die große Mehrheit der Kunden sind Frauen.

Doch der hohe Arbeitsaufwand lohnt sich. Viele Kunden kommen nach einem ersten Kredit zurück und nehmen einen weiteren auf. So etwa die Schneiderin Fatiha. Innerhalb von drei Jahren hatte sie drei Kredite bei Al Karama. Anfangs, um Stoff zu kaufen – später eine Nähmaschine. Heute hat sie ihr eigenes kleines Geschäft (vermietet spezielle Kleider für Hochzeiten) und eine Angestellte. Ähnlich ist die Geschichte von Imane aus Rabat. Dank mehrerer Kleinstkredite hat sie heute ein eigenes Geschäft, in dem sie (nach Rezepten ihrer Großmutter) ätherische Öle für Haut und Gesundheit herstellt und verkauft. Bei einer traditionellen Bank hätten beide keinen Kredit erhalten können.

Mit der ADA verbindet Al Karama übrigens mehr als Kontrollbesuche von Kreditgebern. Die luxemburgische Organisation unterstützt die marokkanische parallel auch ganz allgemein bei ihrer Entwicklung. So hatten die Luxemburger Schwachpunkte im Bereich „Risikomanagement“ bei Al Karama ausgemacht. Angeboten wurden ein spezieller Aktionsplan und Fortbildungskurse. Gesponsert wurde dies von der ADA. (Die ADA erhält ihrerseits finanzielle Unterstützung vom Luxemburger Staat.) Zudem war der Kredit überaus wichtig für Al Karama. „Damals gab es große Probleme. Eine Krise in der Mikrofinanz in Marokko“, so der Generaldirektor. Der Kredit über die ADA habe es wieder geschafft, Vertrauen zu schaffen. „Danach interessierten sich auch wieder andere (Anm. d. Red.: Investoren) für uns.“

Der LMDF

Der 2009 gegründete Luxembourg Microfinance and Development Fund (LMDF) hat als Ziel, sich zu einem effektiven Instrument der Entwicklungshilfe zu mausern, an dem sich Privatleute beteiligen können. Für ihre Beteiligung sollten sie eine kleine Rendite erhalten.

„Sie werden nicht reich, wenn sie in den LMDF investieren“, so Kaspar Wansleben, Direktor des LMDF, in einem früheren Gespräch mit dem Tageblatt. „Aber durch eine Anlage im Fonds werden sie auch nicht ärmer.“ Der LMDF versucht nicht, die potenziellen Gewinne zu maximieren. Er setzt lediglich auf den Kapitalerhalt, d.h. eine jährliche Wertsteigerung der Anteile in Höhe der Inflationsrate. „Da viele Luxemburger ihr Geld auf der Bank liegen haben, wo sie praktisch keine Zinsen erhalten, ist der LMDF eine wirklich sinnvolle Alternative“, unterstrich er. Um Privatinvestoren für diese „soziale“ Form der Geldanlage zu begeistern, steht der Luxemburger Staat für (einen Teil) der Risiken gerade. Sollte beispielsweise ein Schuldner des Fonds seinen Kredit nicht zurückzahlen, so werden die Anteile, die vom Staat gehalten werden (A-Aktien), belastet und der private Investor (mit seinen C-Aktien) verliert kein Geld.

Als der Fonds an den Start ging, verfügte er über ein Kapital von 5,4 Millionen und Investitionen von 0,9 Millionen.

Der LMDF investiert vorrangig in kleine Mikrofinanzinstitute, die sonst kaum einen Zugang zu zusätzlichem Kapital hätten. Dabei wagt er sich auch in risikoreichere Bereiche vor wie etwa die Landwirtschaft in Afrika, die von den meisten kommerziellen Mikrofinanzfonds gemieden wird.