Indem das Nobelpreiskomitee dieses Jahr wieder einmal eine Organisation für den Friedensnobelpreis ausgewählt hat, die sich für die Abschaffung von Nuklearwaffen einsetzt, lenkt es die Aufmerksamkeit nicht nur darauf, welche Gefahr weiterhin von diesen Waffen ausgeht. Es ist wohl auch ein Fingerzeig auf die Kriege und angespannte Situation in gleich mehreren Weltgegenden, in die Atommächte verwickelt sind. Daher dürfte gerade die japanische Organisation der Atombomben-Überlebenden, Nihon Hidankyo, die am Freitag mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, jenen Staatenlenkern vor Augen führen, welch verheerende Zerstörungskapazitäten sie in den Händen halten. Eigentlich müssten sie sich dessen längst bewusst sein. Doch Aussagen etwa der russischen und nordkoreanischen Machthaber lassen aufschrecken.
Appelle und Bemühungen, wenn schon nicht die Atomwaffen gänzlich abzuschaffen, so doch wenigstens die Zahl der Atomsprengköpfe zumindest in den Arsenalen der beiden größten Atommächte zu reduzieren, gab es bislang unzählige. Ohne nennenswerten Erfolg. Die größte Chance dafür bot sich nach dem Ende des Kalten Krieges, als tatsächlich ein Abbau an atomaren Kapazitäten eingeleitet wurde. Belarus und Kasachstan gaben die auf ihrem Territorium gelagerten Atomwaffen aus Sowjetzeiten an Russland ab. Ebenso die Ukraine, damals drittgrößte Atommacht, im Austausch für Sicherheitszusagen vonseiten Moskaus. Wie viel diese wert waren, ist seit mehr als zwei Jahren auf den Schlachtfeldern im Osten der Ukraine zu sehen. Putins Angriffskrieg gegen das Nachbarland dürfte der bislang größte Schlag gegen die internationalen Bemühungen zur Verhinderung der Weiterverbreitung von Atomwaffen gewesen sein. Denn längst nicht nur in Kiew dürfte kein Zweifel daran bestehen, dass weder die Krim annektiert worden, geschweige denn ein 24. Februar möglich gewesen wäre, wenn 1994 die Ukraine nur einen Bruchteil ihres damaligen atomaren Arsenals als letzte Absicherung einbehalten hätte.
Putin trägt damit zumindest indirekt zur Proliferation von Atomwaffen bei, zumal er vorführt, wie effizient sie in konventionellen Kriegen eingesetzt werden können, ohne sie zu zünden. Bereits vor der jüngsten Klarstellung zur russischen Atomdoktrin hat er versucht, die Unterstützung der Ukraine durch nukleare Drohungen einzudämmen. Damit hat er deutlich gemacht: Wer die Bombe hat, gibt den Ton an. In dieser Position wähnt sich auch Putins nordkoreanischer Waffenlieferant Kim Jong-un, der vergangene Woche wissen ließ, ohne zu zögern seine Atomwaffen einzusetzen, wenn das Land angegriffen werde. Nicht auszudenken wären wohl auch die Entwicklungen der kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten, wenn das iranische Mullah-Regime bereits jetzt über atomare Fähigkeiten verfügen würde.
Es kommt darauf an, wessen Hand in Reichweite des ominösen roten Knopfs ist, mit dem das Höllenfeuer auf Erden gezündet werden kann. Wladimir Putin, Kim Jong-un oder gar Donald Trump, der einst fragte, warum Atomwaffen nicht genutzt werden sollten, wenn man sie schon hat, tragen zu einer Erosion des Tabus bei, das bislang in Bezug auf Nuklearwaffen bestand. Die Verleihung des Friedensnobelpreises an Nihon Hidankyo ist eine Gelegenheit, dem entgegenzuwirken und die Ächtung von Atomwaffen wieder verstärkt in den internationalen Sicherheitsdiskurs einzubringen.
De Maart

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