Samstag8. November 2025

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„Déi si jo mëll“: Theaterstück nimmt Luxemburger Eigenheiten aufs Korn

„Déi si jo mëll“: Theaterstück nimmt Luxemburger Eigenheiten aufs Korn
V.l. (vorne): Pitt Simon, Brigitte Urhausen, Christiane Rausch, Jean-Paul Maes. Hinten: Nilton Martins.

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Provinzproleten und Stadtschickeria: In Guy Rewenigs Stück werden luxemburgische Eigenschaften ins Lächerliche gezogen.

Weiße Möbel und Wände, die an eine Gummizelle einer Nervenheilanstalt erinnern, begrüßen den Zuschauer. Regisseur Charles Muller lässt das Bühnenbild erst mal einige Augenblicke auf die Zuschauer einwirken, ehe Schauspieler auf der Bühne erscheinen. Muller ist ein Regisseur, der sich bei seinen Inszenierungen nicht bloß auf den Text verlässt. Das Bild der leeren weißen Bühne zu Beginn mahnt den Zuschauer regelrecht dazu, auf Details außerhalb der Dialoge zu achten, auch wenn diese von einem der renommiertesten luxemburgischen Schriftsteller stammen: Guy Rewenig.

„Déi bescht Manéier, aus der Landschaft ze verschwannen“ handelt vordergründig von einem älteren luxemburgischen Ehepaar – Félicie (Christiane Rausch) und Heng (Jean-Paul Maes) –, das Ferien in einem Kurhotel in der Schweiz macht. Die beiden haben sich nicht mehr viel zu sagen, oft reden sie aneinander vorbei oder streiten sich. Dass sie sich in einem Hotel befinden, wird dem Zuschauer direkt von den Protagonisten mitgeteilt. Sie sind gerade dort angekommen und warten auf den Zimmerservice. Bühnenausstattung und Kostüme der Nebendarsteller lassen jedoch eher auf ein Irrenhaus schließen. Neben der erwähnten Innenausstattung gibt es zudem noch Fenster, die sich nicht öffnen lassen, und Félicie meldet schon bald Zweifel an: In der Schweiz verstehe man unter Kurhotels eine Nervenheilanstalt.

Über fast das gesamte Stück hinweg werden dem Zuschauer Andeutungen darauf, dass etwas mit den Protagonisten nicht stimmt, vermittelt – und zwar behutsam in homöopathischen Dosen. Die letzten fünf Minuten überstürzt sich die Handlung allerdings. Das Tempo dieser Szene steht im krassen Gegensatz zum Rest des Stückes. Eine wohlüberlegte Schlussszene sieht anders aus. Doch hier meckern wir auf hohem Niveau. Zwischen den Zeilen versteckt der Autor seine Kritik an typisch luxemburgischen Eigenschaften. Man rühmt sich seiner Sprachkenntnisse, doch bevorzugt „das Moselfränkische“; der Begrüßungscocktail wird nicht getrunken, weil er eine sonderbare Farbe hat. An fast allem gibt es etwas auszusetzen. Rewenigs Dialogwitz ist zwar direkt und einfach zu verstehen – gelacht wurde bei der Premiere am Samstag ausgiebig –, wirkt aber keineswegs plakativ. Als sich das Paar auf seinem Balkon ausgesperrt hat, versucht Heng, Hilfe zu holen: „Nous sommes exclus“, ruft er einem Passanten auf der Straße zu. Man lacht über den Luxemburger, der „mir sinn ausgespaart“ ins Französische übersetzt. Doch der Zuschauer ahnt, dass das hier eine der zentralen Stellen des Stückes und somit – obwohl komisch – keine Komödie ist.

Hintergründiger Humor

Die beiden Protagonisten sind allein in einer Welt, die ihnen fremd bleibt. Sie sind Aus- und Eingeschlossene zugleich. Durch ihre Überheblichkeit kapseln sie von den anderen ab. Beim Abendessen hören sie aus dem Nebenraum Partygeräusche, während sie ein Beisammensein von quälender Langeweile fristen, die Heng jedoch als „intim“ bezeichnet. Eingeschlossen sind sie in ihren Erinnerungen an ihren ausgewanderten Sohn und in ihren Wertvorstellungen. Mit einem Paar aus dem Ösling wollen sie nichts zu tun haben. Ricky (Pitt Simon) und Bella (Brigitte Urhausen) sind nicht nur überspitzt proletenhaft gespielt, Charles Muller lässt sie stellenweise animalisch auftreten, etwa bei Sex im Speisesaal oder in der Szene, in der Bella wie ein Affe schreit. Das System toleriert Sonderheiten bis zu einem gewissen Grad; erst bei einem Maori-Haka greifen die Wärter ein. Zu viel Individualität wird nicht geduldet. Muss der wilde Ricky betäubt werden, fügt sich der brave Heng dem System. „Déi bescht Manéier, aus der Landschaft zu verschwannen“, ist, sich unauffällig zu benehmen.

Die Rolle der Félicie scheint Christiane Rausch wie auf den Leib geschneidert: Ihre Blasiertheit und Arroganz wirkt fast zurückhaltend. Ihre Natürlichkeit macht es Jean-Paul Maes recht schwer, sich daneben in Szene zu setzen, was dazu führt, dass seine Mimik manchmal verkrampft wirkt. Zu dick aufgetragen erscheint uns das proletenhafte Gehabe von Brigitte Urhausen und Pitt Simon. Ungeachtet dieser wenigen Kritikpunkte ist „Déi bescht Manéier, aus der Landschaft ze verschwannen“ ein gutes Beispiel dafür, dass witziges Theater Niveau haben und tiefsinnig sein kann.

Vorstellungen: 
 9., 11. & 13. Oktober: Kapuzinertheater
 16. Dezember: Mierscher Kulturhaus
 15. Februar 2019: Cube 521, Marnach
 12. Mai 2019: Trifolion, Echternach