PerspektivlosigkeitDas Schloss Sanem hat eine reiche Vergangenheit und eine leere Zukunft

Perspektivlosigkeit / Das Schloss Sanem hat eine reiche Vergangenheit und eine leere Zukunft
Schloss Sanem: Seit 2016 steht das stattliche Anwesen leer. Auch der Besuch von Kulturministerin Sam Tanson und jetzt im Januar von Tourismusminister Lex Delles zeigt keine neue Perspektive.  Foto: Editpress/Claude Lenert

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Schloss Sanem und seine Parkanlage sehen auf den ersten Blick gepflegt aus. Doch der Zahn der Zeit nagt im Verborgenen. Seit 2016 stehen die Gebäude leer. Renovierung und Modernisierung würden viel Geld kosten. Wohl auch deshalb tut man sich schwer damit, die Anlage, die seit 1972 im Besitz des Staates ist, einem neuen Zweck zuzuführen. An der Perspektivlosigkeit ändert auch die Begeisterung von Kulturministerin Sam Tanson und Tourismusminister Lex Delles fürs Schloss bisher scheinbar nichts. Ein Überblick.

Nein, von den Arbeiten auf dem gesperrten Zufahrtsweg ab der rue d’Esch sollte man sich nicht täuschen lassen. Mit dem Schloss haben sie nämlich nicht direkt etwas zu tun. Hier werden einfach nur Leitungen verlegt.

Um sich dem weiß getünchten Gebäude und seinem Park zu nähern, empfiehlt sich der Weg von der anderen Seite über die rue du Château. Dort gibt es fast direkt an der Schlossmauer auch einen Parkplatz. Besucher sind willkommen.

Was heute als Schloss bezeichnet wird, war eigentlich eine mittelalterliche Burg, eine Wasserburg oder Festungsburg mit Wassergraben. Teile davon sind heute noch zu sehen. Ihre Ursprünge dürften bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen. Im 16. Jahrhundert wurden die Gebäude schwer beschädigt, aber bereits kurze Zeit später wieder aufgebaut. Der alte quadratische Turm aus der Zeit der Gotik blieb erhalten und wurde Teil des „neuen“ Schlosses, das, von der damaligen italienischen Architektur beeinflusst, im Renaissancestil umgebaut wurde. Nach einem Brand im 17. Jahrhundert wurde die Burg abermals aufgebaut.

Haus des Staatsministers

1753 erwarb Arnold-François von Daun, Baron de Tornaco, das Schloss. Bis 1950 blieb es im Besitz der Familie, zu der auch Victor de Tornaco gehört. Dieser wurde 1860 Staatsminister von Luxemburg und er ist es auch, der 1867 mit seiner Unterschrift unter dem zweiten Londoner Vertrag die Neutralität und Unabhängigkeit Luxemburgs besiegelt. Victor de Tornaco liegt übrigens in der Pfarrkirche Sainte-Catherine von Sanem begraben, welche letztes Jahr unter Denkmalschutz gestellt wurde.

Für die Summe von rund 5 Millionen Franken (125.000 Euro) ging des Schloss 1950 in den Besitz der Gemeinde Esch über. Es heißt, dass es ein Altenheim werden sollte, doch die Feuchtigkeit macht dem Plan einen Strich durch die Rechnung. So wurde ein Waisenhaus in den alten Mauern eingerichtet, erinnert sich Gilbert Pregno, langjähriger Direktor der Einrichtung, die während fast 50 Jahren bis 1999 als „Stiftung Kannerschlass“ im historischen Gebäude ihren Sitz hatte. Es sei das erste laizistische Kinderheim des Landes gewesen und das erste, wo Mädchen und Jungen zusammen und ohne Uniform lebten.

Gilbert Pregno erinnert sich auch daran, dass die Regierung  vor vielen Jahren eine Unterkunft für Staatsgäste aus dem Schloss machen wollte. Bekanntlich ist nichts daraus geworden, wobei die Idee eigentlich immer noch gut ist.

Um die Mittel für den Erhalt des Schlosses zu gewährleisten, ist es 1972 vom Luxemburger Staat erworben worden. Als das Kinderheim 1999 auszog, wurden verschiedene Teile renoviert. Dann kam das „Centre virtuel de la Connaissance sur l’Europe“ (CVCE). Dabei handelt es sich um ein Forschungs- und Dokumentationszentrum, das den digitalen Zugang zu Quellen im Zusammenhang mit dem europäischen Integrationsprozess ermöglichen sollte.

Ministerielle Begeisterung

Seit dem Auszug des CVCE vor rund fünf Jahren herrscht Leerstand in Schloss Sanem – und Ungewissheit, was die Zukunft anbelangt. Vergessen scheint auch das Projekt, gemeinsam mit dem Institut Paul Bocuse eine Akademie für Spitzenköche und ein gehobenes Restaurant dort unterzubringen.

Am 21. Januar hat Tourismusminister Lex Delles zusammen mit dem Schöffenrat der Gemeinde das Schloss besucht. Es habe ihm gut gefallen, wird erzählt. Auch Kulturministerin Sam Tanson war bei ihrem Besuch sehr angetan vom Charme des stolzen Anwesens. Gleiches gilt für viele Bürger der Gemeinde und allgemein für jene, die sich dem Erhalt kulturellen Erbes in Luxemburg verpflichtet spüren.

Leider ist trotz ministerieller Begeisterung bis heute keine neue Verwendung für das Schloss in Sicht. Schade. Ja, es ist klar, dass die nötigen Renovations- und Modernisierungsarbeiten viel Geld kosten werden. Aber je länger man wartet, umso teurer wird es.

An der Fassade und beim Blick durch die Fenster im Erdgeschoss sind bisher kaum Schäden erkennbar, aber der Zahn der Zeit nagt im Verborgenen. Unseren Informationen zufolge ist ein Saal bereits nicht mehr betretbar. Und die Feuchtigkeit hat sich auch nicht verflüchtigt.

Ein privater Investor wäre natürlich eine Lösung. Allerdings sollte zumindest der Park des Schlosses der Öffentlichkeit auch in Zukunft zugänglich bleiben, wie die Gemeindeverantwortlichen seit Jahren fordern. Bis heute darf man zumindest noch ganz ungezwungen durch die Grünanlagen sowie an der Fassade des Schlosses entlang schlendern und sich vom Charme vergangener Zeiten verzaubern lassen.