Sonntag26. Oktober 2025

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EditorialDas Kulturministerium muss mehr als nur die Ukraine unterstützen 

Editorial / Das Kulturministerium muss mehr als nur die Ukraine unterstützen 
Symbolbild zu Kultur und Kunst Foto: Pexels/Tima Miroshnichenko

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85.000 Euro: Das investiert das luxemburgische Kulturministerium jährlich zur Förderung der ukrainischen Kulturszene (mehr auf Seite 12). Es ist in keinem anderen Kriegs- oder Krisengebiet finanziell aktiv. „Kënschtleresch a kulturell Mëttele maachen et (…) méiglech, fir Ongesotes opzedecken oder unzegoen (…) a Raum fir gesellschaftlech Debatt ze kreéieren“, betont der zuständige Minister Eric Thill (DP) diese Woche in der Antwort auf die parlamentarische Anfrage von Maurice Bauer (CSV) zur „Ukraine Culture Conference“ im Februar in Ushhorod. Challenge accepted: Die selektive Hilfestellung des Kulturministeriums hierarchisiert das Leid gefährdeter Künstler*innen. 

Eins vorneweg: Die ukrainische Kulturszene verdient jeden Cent. Die Unesco schätzte 2024, dass sich die Kriegsschäden durch Russland für den Kultur- und Tourismussektor auf bis zu 3,5 Milliarden Euro belaufen. Thill spricht sich also zu Recht für die Idee eines „Ukraine Heritage Fund“ zum Wiederaufbau und Erhalt des Kulturerbes aus. Was sauer aufstößt, ist die Doppelmoral der vorherigen und aktuellen luxemburgischen Regierung.

Thill kann nichts dafür, aber: 2022 schlossen das Kulturministerium und die Leitung des „Luxembourg City Film Festival“ russische Produktionen vom offiziellen Wettbewerb aus. Darunter „Gerda“ von Natalya Kudryashova. Der Grund: Der Film – laut Sam Tanson („déi gréng“) durchaus als Regime-Kritik lesbar – wurde vom russischen staatsnahen Erdgasunternehmen Gazprom finanziert. Was für Folgen solche Ausgrenzungen – ob berechtigt oder nicht – auf das Leben der Künstler*innen haben, erzählte der russische Schlagzeuger Sasha Mashin in Luxemburg der woxx: „Die russische Kulturszene steckt in Schwierigkeiten. Wir erleben eine neue Form des Eisernen Vorhangs: Menschen in Russland ist es unmöglich, das Land zu verlassen – und umgekehrt. Es ist schwer, internationale Projekte durchzuführen (…).“ Darüber hinaus jage das Regime regierungskritische Künstler*innen auch im Ausland. Mashin selbst lebte zu dem Zeitpunkt aus politischen Gründen im Exil. 

Anderer Schauplatz: der Nahostkrieg. Nach Daten des „Palestinian Ministry of Culture“ wurden bis Februar 2024 schätzungsweise 45 palästinensische Kulturschaffende im Gazastreifen getötet. Der Autorenverband „PEN International“ schreibt auf seiner Website von dem „deadliest conflict for writers in recent history“. Derweil klagte das propalästinensische Kollektiv „Waassermeloun“ im Dezember 2024 über geschlossene Türen in Luxemburg: Die Ausstellung „The Way to Liberation: A Journey Through Windows and Vitrines“ fand im öffentlichen Raum statt, da sich keine Institution zum radikalen Kollektiv bekennen wollte. Gegenstand der Schau waren die Befreiungsakte arabischer Künstler*innen. 

Eilt das Kulturministerium hier zur Hilfe? Nein. Wer Kunst und ihre Schöpfer*innen in beziehungsweise aus Krisenregionen ernsthaft verteidigen will, muss neben länderspezifischen Maßnahmen unbedingt weitere Wege einschlagen. Initiativen wie „Artists at Risk“ machen es vor: Das Netzwerk aus staatlichen und gemeinnützigen Organisationen begleitet seit 2013 gefährdete Künstler*innen weltweit. Statt ausländische Kunstschaffende auszuweisen (Alborz Teymoorzadeh lässt grüßen!), könnte das Kulturministerium Luxemburg zum sicheren Hafen für alle Künstler*innen machen, die von Staatsgewalt betroffen sind – und somit Thills Devise „Kultur als Vecteur, dat géigesäitegt Verstoe fërdert, dat grondleeënd fir e friddlecht a respektvollt Mateneen an tëscht onse Gesellschaften ass“ vorleben.