Tageblatt: Seit zwei Monaten gibt es eine humanitäre Blockade gegen die Zivilbevölkerung im Gazastreifen, eine kollektive Bestrafung, die gegen das Völkerrecht verstößt. Warum tut die israelische Regierung das trotzdem?
Idit Rosenzweig-Abu: Erstens, unsere Verantwortung: Wenn wir eine Besatzungsmacht sind, müssen wir für die Zivilbevölkerung sorgen. Lange Zeit waren wir keine Besatzungsmacht in Gaza, weil wir keine Kontrolle über das Gebiet hatten. Soldaten gingen hinein und kamen wieder heraus, aber wir waren keine Besatzungsmacht in Gaza. Während dieser Operation haben wir einerseits versucht, die Hamas zu bekämpfen und andererseits, uns um die humanitäre Lage der Bevölkerung zu kümmern. Wir haben humanitäre Zonen eingerichtet, humanitären Konvois die Einreise gestattet.
Wir haben aber festgestellt, dass die humanitäre Hilfe zur Lebensader der Hamas in Gaza wurde. Trotz der Kämpfe behielt die Hamas die zivile Kontrolle und trieb weiterhin Steuern ein. Und wir haben erkannt, dass die Hamas nicht nur humanitäre Konvois ausraubte. Sie hortete Produkte und verkaufte sie weiter, was zur Lebensader der Hamas wurde. Und während der Waffenruhe, die im Januar begann, konnten wir sehen, wie schnell sich die Hamas erholte. Wir konnten sehen, dass sie genug Macht hatte, um Zeremonien abzuhalten, in den sozialen Medien präsent zu sein und ihre Leute vollständig zu bezahlen. Je mehr humanitäre Hilfe kam, desto stärker wurde die Hamas. Es reicht nicht aus, die Hamas militärisch zu bekämpfen. Wir müssen auch einen Weg finden, ihre Kontrolle über die Zivilbevölkerung zu brechen.
Es reicht nicht aus, die Hamas militärisch zu bekämpfen. Wir müssen auch einen Weg finden, ihre Kontrolle über die Zivilbevölkerung zu brechen.
Aber das geschieht jetzt auf Kosten der Zivilbevölkerung …
Um die zivile Kontrolle zu brechen, müssen wir die Hamas von der humanitären Hilfe abkoppeln. Wir haben am Sonntag in einer Kabinettssitzung festgestellt, dass in Gaza genug Lebensmittel für Monate vorhanden sind und es unbegrenzte Einfuhren von humanitären Gütern, Lebensmitteln und allem Möglichen gab, die den Markt geradezu überschwemmt haben. Wir haben berechnet, dass wir noch einige Monate Zeit haben, ohne dass es zu einer humanitären Krise kommt, selbst wenn wir die Lieferungen einstellen. Natürlich hatten wir auch eine Vereinbarung: Geiseln gegen umfangreiche humanitäre Hilfe. Keine Geiseln mehr, keine humanitäre Hilfe mehr.
In unserem Kabinett gab es eine Diskussion insbesondere über unsere Verpflichtung nach internationalem Recht, humanitäre Hilfe zuzulassen. Es wurde beschlossen, dass die israelische Armee humanitäre Zonen einrichtet, indem sie Regionen und Gebiete erobert und die humanitären Hilfslieferungen in diese Regionen kontrolliert und selbst verteilt. Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass aus humanitären Zonen Raketen abgefeuert wurden und sich dort Terroristen versteckten. Deshalb ändern wir jetzt unsere Methoden.
Ich habe gerade noch im Radio gehört, dass die humanitäre Hilfe weiterhin blockiert werden wird.
Das wird sie. Humanitäre Hilfe wird nur noch über Israel und von Israel ausgewählten Organisationen verteilt. Dazu werden humanitäre Gelände eingerichtet. Ich halte das für einen guten Plan und hoffe, dass die Umsetzung nicht lange dauert. Wir haben das Ziel, dass die Hamas den Gazastreifen verlässt und den Gazastreifen nicht mehr kontrolliert.
Humanitäre Hilfe wird nur noch über Israel und von Israel ausgewählten Organisationen verteilt
Aber die Bevölkerung steht zwischen der Hamas und der Armee. Im März gab es Proteste gegen die Hamas, die brutal gegen die eigene Bevölkerung darauf reagiert hat. Welche Perspektive können Sie der Zivilbevölkerung, die nicht auf der Seite der Hamas steht, bieten?
Ich verstehe, dass dies eine schwierige Situation ist. Wir versuchen nun, mit unserem Plan eine Alternative zu schaffen, die es Menschen, die mit der Hamas nicht einverstanden sind, ermöglicht, in Regionen zu kommen, die sicher sind.
Wir müssen uns, so schwierig das auch klingt, in erster Linie um unsere eigene Bevölkerung kümmern. Denn wir haben seit mehr als einem Jahrzehnt diese Auseinandersetzungen mit der Hamas: Sie greifen an, wir schlagen zurück, dann fordert uns die internationale Gemeinschaft auf, damit aufzuhören, wir hören auf, Hamas erholt sich und beim nächsten Mal nehmen sie sich ein bisschen mehr heraus. Die Möglichkeit eines weiteren Angriffs in zwei Jahren, der intelligenter wäre und dem des 7. Oktober ähneln würde, im Westjordanland oder anderswo, ist gegeben. Die Spielregeln müssen sich ändern.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Warum haben wir im Libanon aufgehört? Dort hatten wir auch lange Zeit Auseinandersetzungen mit der Hisbollah: Sie griffen an, wir schlugen zurück. Aber man sieht dort eine tiefgreifende Veränderung. Nicht nur wird die Hisbollah schwächer, sondern andere Kräfte im Libanon, die Christen, die Sunniten, die Drusen, werden stärker. Sie üben mehr Autorität über Gebiete aus, was sie sich in der Vergangenheit nicht getraut hätten. Deshalb haben wir uns aus dem Libanon zurückgezogen, obwohl die Lage nicht perfekt ist. Wir hoffen, dass ein natürlicher Prozess das libanesische Volk vom iranischen Einfluss befreien und einen Wandel herbeiführen wird. In Gaza sehen wir das nicht.
Die Möglichkeit eines weiteren Angriffs in zwei Jahren, der intelligenter wäre und dem des 7. Oktober ähneln würde, im Westjordanland oder anderswo, ist gegeben
Die Situation ist dort auch eine andere.
Das stimmt. Aber es könnte auch andere Kräfte als die Hamas in Gaza geben. Aber wir sehen keine Entwicklung.
Hat die Bevölkerung in Israel keine Befürchtungen, dass diese unmenschliche Behandlung von rund zwei Millionen Menschen im Gazastreifen Konsequenzen für das Land haben könnte?
Ich denke, dass die Bilder, die wir sehen, Bilder sind, die aus fast jedem Krieg des letzten Jahrhunderts stammen könnten. Die Öffentlichkeit in Israel sieht auch Dinge, die Sie hier nicht sehen, sie sieht die Rhetorik der Hamas gegenüber Israel. Die Öffentlichkeit in Israel hat Angst und wenn es darauf ankommt, heißt es entweder du oder ich. Entweder sorgen wir dafür, dass die Hamas nicht mehr da ist, oder ich bin dran. Die Sensibilität hat sich für alle verändert.
Und nun will Israel den gesamten Gazastreifen erobern?
Nicht alles, nur Teile.
Kurzfristig kommt es zu einer Besatzung, aber wie soll es danach weitergehen, welche Pläne gibt es dazu? Geht es eher in Richtung Trumps Fantasie-Gaza, einer anhaltenden Besatzung oder doch in Richtung ägyptischer Wiederaufbauplan?
Die Besatzung ist durch humanitäre Bedürfnisse motiviert. Wie ich bereits ausgeführt habe, besetzen wir Teile des Gazastreifens, um es Zivilisten zu ermöglichen, dorthin zu gelangen. Wir erobern Teile des Gebiets, damit die Zivilbevölkerung zu uns kommen kann, um humanitäre Hilfe zu erhalten und damit wir unseren Verpflichtungen gemäß dem Völkerrecht nachkommen können. Gleichzeitig trennen wir die Hamas von der Zivilbevölkerung und von ihren Einkünften. Das ist das Ziel.
Was in Zukunft geschehen wird, hängt stark von den Palästinensern ab. Es gibt viele Pläne von außen, aber wo ist der palästinensische Plan? Es gibt eine Palästinensische Autonomiebehörde, aber wo ist der palästinensische Plan, der sagt, wie sie Gaza kontrollieren, wie sie Verantwortung übernehmen und die Hamas ersetzen können? Es hängt also nicht nur von uns ab.
Ich denke, der Plan von Präsident Trump sieht im Allgemeinen vor, dass die Grenzen offen sein sollten und dass Menschen, die das Land verlassen wollen, dies tun dürfen. Sollten die Menschen in großer Zahl ausreisen wollen? Ich persönlich glaube nicht, dass das jemand will. Derzeit laufen die Vorbereitungen für den Trump-Plan auf Hochtouren. Trump kommt nächste Woche zu Besuch in den Nahen Osten, Saudi-Arabien und die Golfstaaten, und wir wollen hören, was er sich vorstellt.
Findet sein Plan Unterstützung in Israel?
Ja, einige Leute und einige politische Parteien halten es für eine großartige Idee. Ist es nach unseren bisherigen Erfahrungen im Nahen Osten realisierbar? Ich weiß es nicht. Aber es bleibt abzuwarten.
Hat es die israelische Regierung mit dem US-Präsidenten Donald Trump einfacher als unter der früheren Regierung von Joe Biden, im Gazastreifen Maßnahmen zu ergreifen?
Präsident Trump ist seit Januar im Amt und seitdem hatten wir mehr als die Hälfte der Zeit einen weitgehenden Waffenstillstand, dank Präsident Trump. Auch eine Geiselübergabe kam durch Präsident Trump zustande. Ich denke, die derzeitige Regierung hat gute Beziehungen zu Israel und zur israelischen Regierung. Aber das hatte auch die letzte US-Regierung. Ich denke, dass es mit der neuen Präsidentschaft von Donald Trump viele Veränderungen auf der internationalen Bühne gibt, einige stilistischer, andere inhaltlicher Natur, aber ich würde nicht sagen, dass sie es uns einfacher macht.
Wie steht die Bevölkerung dazu, dass noch immer nicht alle Geiseln freigelassen wurden?
Nicht gut. Es gibt viele Spannungen, extreme Spannungen. Wenn man sich alle Umfragen ansieht, sieht man, dass die derzeitige Regierung laut Umfragen keine Mehrheit hat, aber die Wahlen sind noch anderthalb Jahre hin. Es ist eine komplizierte Angelegenheit. Es gibt nur sehr wenige Stimmen, die wegen der humanitären Krise in der palästinensischen Gesellschaft ein Ende des Krieges fordern. Aber zuerst müssen wir die Geiseln befreien und uns dann mit der Hamas befassen.
Die Regierung sagt, was am 7. Oktober passiert ist, sei kein weiterer Raketenangriff, sondern etwas Außergewöhnliches. Deshalb müssen wir, anders als in anderen Fällen, einen grundlegenden Wandel herbeiführen.
Ja, die israelische Bevölkerung ist emotional und wirtschaftlich zerrissen, und die Auswirkungen sind enorm.
Die israelische Gesellschaft scheint demnach tief gespalten zu sein. Inwieweit schaden die Radikalen in der israelischen Regierung dem Zusammenhalt in der israelischen Gesellschaft?
Die Sache ist, dass auch die extreme Rechte Teil der israelischen Gesellschaft ist. Ich denke, das ist auch in Europa so. Wir erleben eine Art globale Tendenz zu sehr polarisierten politischen Diskussionen, die sehr emotional und aggressiv sind. Und ich denke, dass die israelische Gesellschaft in dieser Hinsicht nicht anders ist.
De Maart

@Dunord Hagar
Wer ween 1948 vertrieben wird aber nicht gesagt. Wer 1946 terror Attacken gestart hat gegen die Briten wird auch nicht erwähnt.
"Israel ist wie ein von Predatoren umzingelter Hund" falsch, Israel ist der Predator verkleidet als ein Hund. "Das kleine Land an der Mittelmeerküste hat als Anrainer Staaten welche davon träumen Israel auszuradieren." weil ja Israel immer kleiner wird und die Anrainer Staaten immer größer
Das kleine Land an der Mittelmeerküste hat als Anrainer Staaten welche davon träumen Israel auszuradieren. Am Flughafen von Jeddah steht inmitten eines Verkehrsroundabout eine grosse, von innen beleuchtete Weltkugel. Schaut man genauer hin, merkt man, dass da, wo sich Israel befinden soll, nur blaues Meer ist. Israel ist wie ein von Predatoren umzingelter Hund, welcher es sich nicht leisten kann zu bellen... er muss sofort zubeissen, weil sonst sein Leben in Gefahr ist.
Der sogenannte Trump plan fuer Gaza ist eher ein Netanyahu plan den Trump gerne uebernimmt weil er sich fuer seine freunde auch finanzielle vorteile daraus erwartet.