ArbeitsmarktCorona macht Lust auf Jobwechsel

Arbeitsmarkt / Corona macht Lust auf Jobwechsel
Die Menschen haben keine Lust mehr auf schlechte Jobs. Die Krise hat gezeigt, dass es auch anders geht. Die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt drängt manche Unternehmen dazu, bessere Arbeitsbedingungen anzubieten.  Foto: AFP/Odd Andersen

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Corona hat unerwartete Nebenwirkungen auf dem Arbeitsmarkt. Weltweit überdenken immer mehr Menschen ihre berufliche Situation und wollen den Job wechseln. 

„Die Covid-19-Pandemie hat eine Fülle von unerwarteten Dynamiken hervorgebracht“, schreibt der Personaldienstleister Randstad zu den (weltweiten) Ergebnissen seines letzten „Workmonitor“ 2021. Nach den Massenentlassungen vom Beginn der Pandemie, gefolgt von einer Welle an Neueinstellungen, zeige sich bei vielen Arbeitnehmern aktuell eine Sehnsucht nach Veränderung, so die Zusammenfassung.

„Die Menschen stellen sich viele Fragen“, sagt Sandrine Mesnil von Randstad Luxembourg gegenüber dem Tageblatt. „Vor allem die Spezialisten zu Hause im Homeoffice. Was will ich wirklich? Was will ich nicht?“ Das gehe ziemlich klar aus den Zahlen hervor. „Ein neues Gleichgewicht wird gesucht. Der ‚taux de mobilitié’ war noch nie so hoch, seitdem es die Studie gibt. Und das scheint am Virus zu liegen“, sagt sie. Das virtuelle Arbeiten während der Pandemie habe gezeigt, dass es auch anders geht.

Weltweit wollen mehr als zwei Drittel (67 Prozent) der Arbeitnehmer Änderungen an ihrer Work-Life-Balance, dem Gleichgewicht zwischen Berufs- und Privatleben, vornehmen, so das Unternehmen auf Basis der Online-Befragung von mehr als 27.000 Personen aus 34 Ländern (minimal 800 Antworten pro Land). Mehr als die Hälfte aller Befragten suche aktuell nach einem Job, der dies ermöglicht.

„Machtverhältnisse haben sich verändert“

Unterstützt wird dieser Wunsch nach Wandel von der guten aktuellen wirtschaftlichen Lage. „Die Machtverhältnisse haben sich verändert“, wird Randstad-Geschäftsführer Jacques van den Broek zitiert. „Der Arbeitsmarkt ist von einem arbeitgeberfreundlichen Markt zu einem arbeitnehmerfreundlichen Markt geworden.“ Die Pandemie habe die Situation verändert. „Die Daten zeigen, dass Arbeitnehmer auf der ganzen Welt selbstbewusster geworden sind. Sie wissen, was sie wollen, und handeln dementsprechend.“

Besonders ausgeprägt ist diese Entwicklung beispielsweise in den USA. Nachdem letztes Jahr, zu Beginn der Pandemie, Millionen Menschen kurzerhand gefeuert wurden, haben die Unternehmen aktuell große Schwierigkeiten, um leere Stellen zu füllen. Doch Mitarbeiter kündigen schneller, als Firmenchefs neue Angestellte finden können. Auch einen Namen gibt es in den USA bereits für diese Entwicklung: „The Great Resignation“.

Allein im Monat September hatten 4,4 Millionen Menschen in den USA ihren Job gekündigt. Das waren rekordträchtige 3,4 Prozent aller Angestellten. Bestimmte Branchen sind stärker betroffen als andere. Besonders hoch waren die Abwanderungsraten im Einzelhandel (4,4 Prozent), im Freizeitsektor (5,7 Prozent) sowie im Bereich Unterkunft und Verpflegung (6,6 Prozent).

Die Menschen können sich das erlauben – es gibt derzeit viele offene Arbeitsplätze in den USA, die Löhne steigen und die Unternehmen konkurrieren um Talente. Insgesamt 11 Millionen leeren Stellen haben die Arbeitgeber aktuell gemeldet.

Die Mehrheit der von Randstad im Workmonitor befragten Personen (58 Personen) gab derweil an, dass die Bezahlung für sie der wichtigste Faktor bei der Berufswahl ist. Eine Rolle spielen können ebenfalls Überlegungen wie sinnvolle und flexible Arbeit, die Möglichkeit zur Telearbeit, verkürzte Arbeitszeit, weniger Arbeitsstress und ein sicheres Arbeitsumfeld, schreibt das Unternehmen.

Auch in Luxemburg steigt der Druck

„Auch in Luxemburg ist der gleiche Trend erkennbar“, so Sandrine Mesnil. „Wenn auch weniger stark. Die luxemburgischen Arbeitnehmer scheinen weniger das Bedürfnis nach Veränderung zu verspüren als in anderen untersuchten Ländern“, erläutert sie die Ergebnisse. „Obwohl eine Mehrheit (55 Prozent) der Befragten eine Veränderung des Gleichgewichts zwischen Arbeit und Privatleben wünscht, ist der Anteil der Menschen, die mit ihrem derzeitigen Arbeitsplatz zufrieden sind (56 Prozent), nirgendwo sonst so hoch wie hier.“

Trotzdem wird auch hierzulande die Situation auf dem Arbeitsmarkt angespannter. „Bei Randstad in Luxemburg bemerken wir den Aufschwung“, sagt Mesnil. „Nach dem Corona-Stillstand sind nun viele Unternehmen auf der Suche nach Mitarbeitern, vor allem nach Spezialisten.“ Das Arbeitsamt ADEM stellt derzeit monatlich neue Rekorde bei der Zahl der gemeldeten freien Stellen fest.

Einen gewaltigen Mangel an geeigneten Kandidaten gebe es vor allem im Bauwesen, erklärt Mesnil. „Und in der Gastronomie. Viele bisherige Mitarbeiter der Branche haben sich während der Schließungen umorientiert. Und jetzt wollen sie nicht zurück.“ Auch um qualifizierte Fahrer aller Art zu finden, „müssen wir immer weiter weg gehen für die Suche“. In der Großregion werde die Suche immer komplizierter.

Der Anteil der Unternehmen, die angeben, Schwierigkeiten bei der Suche nach geeignetem Personal zu haben
Der Anteil der Unternehmen, die angeben, Schwierigkeiten bei der Suche nach geeignetem Personal zu haben Screenshot: Statec

Das Unternehmen, das in Luxemburg rund 60 Personen beschäftigt, platziert laut eigenen Angaben jede Woche rund 1.500 Zeitarbeiter. Dies in allen Sektoren, von IT über Finanzen bis hin zur Gastronomie und Industrie. Manchmal für tägliche Missionen, etwa um einen kranken Koch in einer Kantine zu ersetzen, mal für mehrere Wochen. „Im Schnitt arbeiten wir mit 3.000 bis 4.000 Menschen pro Jahr“, sagt Mesnil. „Wir haben in jedem Bereich einen Pool von Zeitarbeitern, auf den wir für eine Mission zurückgreifen können. Aber es wird immer schwieriger.“

Auch anderen Daten zufolge hat sich die Situation in Luxemburg in den letzten beiden Jahren zugespitzt. Während Handelskammer und Handwerkskammer bereits seit Jahren warnen, dass es in und um Luxemburg immer schwieriger wird, Talente zu finden, deuten mittlerweile auch Statec-Konjunktur-Umfragen auf den Ernst der Lage hin. Besonders getroffen ist der Bausektor: Hatten Anfang 2019 noch weniger als 20 Prozent der Firmen Schwierigkeiten, geeignetes Personal zu finden, so waren es Ende September 2021 bereits rund 55 Prozent.