KarateChinto Kayl: Ein Dorfverein stemmt sich gegen die Krise

Karate / Chinto Kayl: Ein Dorfverein stemmt sich gegen die Krise
Chiara Schumann ist eine der Kayler Karatekas, die es in den Nationalkader geschafft haben Foto: Chinto Kayl

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Beim Chinto Kayl nimmt man es fast schon mit Humor: Zum zweiten Mal in Folge mussten die Open de Luxembourg verschoben werden. Doch den Karateklub plagen noch ganz andere Sorgen – von Trainingsmöglichkeiten, Sicherheitskonzepten bis hin zu der Angst, in Vergessenheit zu geraten. 

Keine Heizung, kaputte Fenster: Gründungsmitglied Claudine Leyers erinnert sich mit einem Schmunzeln an die ersten Trainingseinheiten des Chinto Kayl. Der Karateklub wurde 1983 von der gebürtigen Kaylerin und François Bichel gegründet – der bis heute das Präsidentenamt ausübt. Doch entgegen der Standhaftigkeit der beiden Vorstandsmitglieder waren die Anfangsjahre aufgrund fehlender Infrastruktur eher nicht mit ruhigen Gewässern zu vergleichen. Erst mit dem Bau der Sporthalle wurde der Kampfsportverein dauerhaft sesshaft. Auf dem 100 Quadratmeter großen Dojo werden in der Regel wöchentlich 80 Kinder betreut, der Seniorenanteil der Mitglieder liegt bei rund 20 Prozent. 

Corona macht erfinderisch – und die Erfahrungen aus vergangenen Tagen helfen dabei: Zurzeit beschäftigen sich Leyers und ihre Kollegen aus dem Vorstand damit, ein Konzept auszuarbeiten, um wieder trainieren zu dürfen. Diverse Standorte, wie ein großer Parkplatz, der Park oder ein Pausenhof – derzeit will der Verein nichts ausschließen und könnte sich vorstellen, die nächsten Trainingseinheiten im Freien zu organisieren. „Karate ist nicht nur eine Kontaktsportart. Man kann auch mit Abständen trainieren und Distanzen einhalten“, erklärte das Gründungsmitglied des Chinto Kayl. 

Weniger Interesse

Um zumindest den interaktiven Kontakt zu den Mitgliedern nicht zu verlieren, war der Verein besonders kreativ und nutzte alle Möglichkeiten des Web: Mit einem Memory-Spiel, einem Online-Turnier, diversen Newslettern per Post und E-Mail, Facebook-Einträgen und nicht zuletzt mit acht virtuellen Trainingseinheiten pro Woche „wollen wir unsere Leute bei der Stange halten“. Doch so ganz einfach gestaltete sich das Vorhaben nicht. Von einigen Karatekas hat der Verein seit dem Beginn des Lockdowns nichts mehr gehört. „Es kann sein, dass sie nicht mittrainieren, weil jemand anders den Computer gerade braucht oder sie keinen Zugang zum Internet haben. Bei andern merkt man wiederum, dass das Interesse mit zunehmender Dauer deutlich abgeklungen ist.“

Inwiefern sich die Krise auf die Mitgliederzahlen auswirken wird, kann niemand vorhersagen. Großen finanziellen Schwierigkeiten blickt der Klub 2021 dank einiger Reserven noch nicht entgegen. Von den 200 Euro für die Mitgliedschaft gehen 50 Euro an den Dachverband FLAM („Fédération luxembourgeoise des arts martiaux“). Eine kleine finanzielle Hilfe gibt es ebenfalls von der Gemeinde. „Allerdings werden alle Einnahmen fehlen, die wir sonst bei Turnieren oder dem Verkauf bei Events wie dem ’Blummemaart’ hatten.“ Dabei wurde der Verein bereits im vergangenen Jahr nicht verschont: Die Coupe de Luxembourg wurde aufgrund der Trauerfeier von Großherzog Jean auf 2020 verschoben. Diesmal fiel der Wettkampf, den die Kayler gemeinsam mit dem Differdinger Verein organisieren, Covid-19 zum Opfer.

Karate ist nicht nur eine Kontaktsportart. Man kann auch mit Abständen trainieren und Distanzen einhalten.

Claudine Leyers, Chinto Kayl

Erwartet wurden am 2. Mai für die 35. Ausgabe rund 750 Athleten aus aller Welt. Noch ein paar mehr mehr sind traditionell bei der Coupe de Kayl im Oktober vertreten. Zurzeit wird deshalb vereinsintern diskutiert, wie und ob das Turnier im Herbst stattfinden könnte. „Uns ist klar, dass die Halle sicher nicht so voll sein wird, wie wir es gewohnt sind. Aber niemand weiß, wie es weitergeht“, sagte Leyers. Doch es gibt jede Menge Pro- und Kontra-Argumente. „Die Halle steht uns seit 20 Jahren jedes dritte Wochenende im Oktober zur Verfügung, das ist nicht das Problem. Doch wir rekrutieren jedes Mal Schiedsrichter aus zehn Ländern und die Teams aus Schottland und England haben ihre Flüge bereits im Januar gebucht.“ Die unglückliche Situation sei für alle nervenaufreibend. „Das andere Problem ist, dass die Open zum zweiten Mal ausgefallen sind. Die Sportler vergessen das Datum und suchen sich andere Turniere. Das ist alles sehr ungünstig.“

Mit einem Lachen verkündete Leyers dann auch, dass ausgerechnet im März zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte ein professioneller Coach (Norbert Schmit) engagiert worden ist. Nach zwei Wochen war bereits Schluss mit klassischem Training. „Er hat sich sehr stark beim Online-Training engagiert“, berichtete sie. Viermal die Woche wird über eine interaktive Plattform – also mit Kamera und Möglichkeit, die Schüler zu korrigieren – unter der Anleitung von Schmit trainiert. Leyers und Bichel sind für die anderen vier Einheiten zuständig. 

Auf eigene Faust

Mit Anissa Martins steht derzeit u.a. eine Europameisterschafts-Teilnehmerin in den Reihen des Chinto Kayl. „Wir haben fünf bis sechs Teenager, die auch im Nationalkader vertreten sind. Bei den Wado-Cups (ähnlich wie eine EM) schließen wir meist mit ein paar Podestplätzen ab. Wir sind in dieser Hinsicht schon etabliert, obschon nicht jedermann Weltmeister werden wird.“ Dies ist auch der Grund, warum der Klub nach wie vor die Werte eines Dorfvereins vertritt: familiär und offen für alle. Die Hälfte der 100 Mitglieder stammen aus der Gemeinde, insgesamt sind 15 Nationen im Chinto vertreten. Und all diesen Leuten wollen Leyers und Co. so schnell wie möglich wieder Trainingsmöglichkeiten bieten.

In den nächsten Tagen soll das eigene Sicherheitskonzept druckreif abgeschlossen werden, damit die Gemeindevertreter aus Kayl und Rümelingen (da die Sportstätten an beide Gemeinden gebunden sind) das Vorhaben absegnen können – oder sich dagegen aussprechen. „Da die FLAM keine Richtlinien für eine Wiederaufnahme herausgegeben hat, haben wir das jetzt selbst in die Hand genommen. Es müsste doch eigentlich möglich sein, nach draußen auszuweichen …“ 

Brachtenbach Fernand
28. Mai 2020 - 22.11

Jugend am Chinto Kayl Kararteklub huet sécher besser Trainingsméiglechkeeten verdéngt, besonnesch wann munch Kämpfer et bis an den Nationalkader packen. Brachtenbach Fernand