Der Norweger Thor Hushovd gewann gestern die dritte Etappe der Tour von Wanze nach Arenberg. Auf dem gefürchteten Kopfsteinpflaster eroberte Fabian Cancellara das Leadertrikot zurück. Andy Schleck war der große Nutznießer, sein Bruder Frank brach sich das Schlüsselbein.
Aus Arenberg berichten „T“-Redakteur Kim Hermes (khe) und „T“-Radsport-Experte Petz Lahure (P.L.)
Hushovd holte sich auf dem 213 km langen Teilstück den Sieg im Sprint einer sechsköpfigen Spitzengruppe vor dem Briten Geraint Thomas und Weltmeister Cadel Evans. Dieser Gruppe gehörten auch Andy Schleck (5.) und Fabian Cancellara (6.) an, der dem Rennen seinen Stempel aufdrückte und sich wieder in Gelb kleidete.
Frank Schleck hatte zuvor nach einem Sturz auf den „Pavés“ mit einem Schlüsselbeinbruch aufstecken müssen.
Es war Thor Hushovds siebter Etappensieg bei der Tour de France. Der norwegische Meister, der 2005 und 2009 das „Maillot vert“ gewonnen hatte, streifte gestern das Grüne Trikot über und will es bis nach Paris verteidigen.
Im Zeitraffer
3. Etappe von Wanze nach Arenberg/Porte du Hainaut (213 km)
U.a. eine Bergwertung (Côte de Bothey/4. Kat.) bei km 48 und drei Zwischensprints. Sieben Pavé-Teilstücke (Total 13,2 km) auf den letzten 85 km der Etappe. Start um 12.43 Uhr, geplante Ankunft um 17.31 Uhr. Effektive Ankunft: 17.40 Uhr. 191 Fahrer am Start. Christian Vande Velde (Garmin) und Niki Terpstra (Milram) nach ihren Stürzen nicht mehr dabei.
Siebenergruppe: Schon nach 11 km bildet sich eine Siebenergruppe mit dem Deutschen Roger Kluge (Milram), dem Engländer Stephen Cummings (Sky), dem Kanadier Ryder Hesjedal (Garmin), dem Russen Pavel Brutt (Katusha), dem Spanier Imanol Erviti (Caisse d’Epargne) sowie den Franzosen Pierre Rolland (Bouygues) und Stéphane Augé (Cofidis).
Hesjedal vorn: Bei der einzigen Bergwertung des Tages holt sich der Kanadier Hesjedal die meisten Punkte vor Cummings und Augé. Kluge seinerseits gewinnt alle Sprints. Zwischendurch bauen die Ausreißer ihren Vorsprung auf rund vier Minuten aus. Hesjedal, der in der Gesamtwertung einen Rückstand von 3’43 auf Sylvain Chavanel aufweist, ist zeitweilig virtueller Leader.
Erste Stürze: Schon vor dem ersten Kopfsteinpflaster-Sektor sind Stürze zu beklagen. Der Franzose David Le Lay (AG2R) ist Auslöser und Opfer zugleich. Er muss das Rennen aufgeben. Wegen einer Wunde am Auge sucht Gerrans den Tour-Arzt auf. Problemlos geht es über den nur 350 m langen Pavé-Sektor von Ormeignies.
Saxo Bank macht Tempo: Rund 50 km vor dem Ziel (6 km vor der zweiten Kopfsteinpflaster-Prüfung) setzt Jens Voigt sich an die Spitze des Pelotons und diktiert die „Pace“. Matti Breschel führt die Schlecks geschickt über die Pavés. Am Ausgang des Sektors werden Bouet, Taaramäe und Cunego in einen Sturz verwickelt.
Frank k.o., Andy o.k.: Auf dem dritten Sektor bleibt nur Hesjedal von der Ausreißergruppe übrig. Frank Schleck stürzt hinter dem Deutschen Tony Martin schwer zu Boden und muss aufstecken. Er wird mit einem Schlüsselbeinbruch in die Klinik von Valenciennes eingeliefert. Fabian Cancellara hatte kurz zuvor die Initiative ergriffen und führt Andy Schleck mit Maestria über die Kopfsteinpflaster. Nur Geraint Thomas, Thor Hushovd und Cadel Evans können folgen.
Rennen im Rennen: Es entwickeln sich mehrere Rennen. „Canci“ und Andy jagen Hesjedal, Armstrong ringt um den Anschluss, läuft aber platt. Contador kommt am Amerikaner vorbei, bringt es aber nicht fertig, ganz vorne mitzumischen. Und schließlich kämpft Chavanel um sein Gelbes Trikot. Dieses ist futsch, nachdem der Franzose zweimal die Maschine gewechselt hat.
Hushovd im Sprint: Hesjedal wird 6 km vor dem Ziel eingefangen. Ein Sprint zu sechst muss über den Etappensieg entscheiden. Thor Hushovd ist der Schnellste. Er gewinnt klar vor Geraint Thomas. Andy Schleck klassiert sich vor Fabian Cancellara als Fünfter und rückt auf den sechsten Platz der Gesamtwertung vor. Cancellara kleidet sich in Gelb.
Die Geschlagenen des Tages sind Alberto Contador (13. auf 1’13) und Lance Armstrong (32. auf 2’08).
P.L.
DER KOMMENTAR
War es das wert? – Nein!
CLAUDE CLEMENS
[email protected]
Es mag ja sein, dass vergangene Tour-de-France-Ausgaben ein wenig langweilig gewesen sind. In der ersten Woche jeden Tag eine „échappée“, 10 km vor dem Ziel eingeholt, Massensprint usw., usf.
Nicht eben prickelnd vielleicht, also muss dem abgeholfen werden. Die Organisatoren wollen 2009 eine Etappe ohne Funk fahren – die Fahrer sträuben sich, wegen Sicherheitsbedenken v.a., der moderne Radsport funktioniert eben so.
Nächster Versuch 2010: Die „Pavés“ der „Hölle des Nordens“ werden ins Programm genommen. Dass es am Tag vor den Kopfsteinpflastern bereits zu zahlreichen schweren Stürzen kommt, ist eher Zufall, u.a. wetterbedingt.
Die „Pavés“ selbst zeigen dann, wieso die allermeisten Fahrer gegen die „Pavés“ in so einem nervösen, weil großen Rennen wie der Tour waren und sind: Stürze satt, das „Maillot jaune“ läuft zweimal platt, etc., etc. Paris-Roubaix und die Flandern-Rundfahrt sind Eintagesrennen. Stürzt man dort: Mund abwischen, weiter, nächstes Jahr wieder versuchen.
Geschieht das aber beim absoluten Saisonhöhepunkt, der zudem drei Wochen dauert und gerade erst begonnen hat, ist der Einsatz ein ungleich höherer. Gut, es ist Radsport, Stürze gehören dazu; die Tour fuhr auch früher schon über „Pavés“. Aber fast mutwillig wurden hier für viele die ganzen Anstrengungen einer Saison aufs Spiel gesetzt. Und einige verloren das Spiel auch. Frank Schleck am schlimmsten: Seine Tour ist vorbei. Alberto Contador nur ein wenig, Lance Armstrong etwas mehr.
Andy Schleck und Cadel Evans am wenigsten. Was, wenn diese beiden nun zehn Minuten vor allen anderen lägen? Sie beide müssten alle anderen nur noch kontrollieren, und die Tour wäre gegebenenfalls nicht nur in, sondern ab der ersten Woche langweilig.
Respektive sie beide müssten in den Alpen und den Pyrenäen auf Teufel komm raus für Spektakel sorgen, damit sich das Produkt Tour de France weiter verkauft.
Das größte und prestigeträchtigste Radrennen der Welt gut, besser, am besten verkaufen: War das dieses Sicherheitsrisiko, diese zusätzliche Gefährdung der Gesundheit der Fahrer wert? Nein, auf keinen Fall!
De Maart
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