Brexit-Unterhändler arbeiten an den letzten Hindernissen

Brexit-Unterhändler arbeiten an den letzten Hindernissen
Foto: Francisco Seco/AP/dpa

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Nach einer halb durchverhandelten Nacht ist der Durchbruch immer noch nicht geschafft. In Brüssel überwiegt vorsichtiger Optimismus. Aber der eigentliche Showdown wartet in London.

Im Brexit-Streit haben die EU und Großbritannien am Mittwoch unter Hochdruck versucht, letzte Hindernisse vor einer Einigung aus dem Weg zu räumen. EU-Unterhändler Michel Barnier nannte die Gespräche nach offiziellen Angaben konstruktiv, wies aber auf ungelöste Probleme hin. Ziel war, noch am Mittwoch einen Vertragsentwurf vorzulegen. Dieser könnte dann beim EU-Gipfel am (morgigen) Donnerstag oder Freitag gebilligt werden.

EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos berichtete am Mittag über Barniers morgendliche Unterrichtung für die Kommissare. Doch sagte Avramopoulos wegen der laufenden Verhandlungen fast nichts Konkretes. Als Hinweis auf die Erfolgsaussichten sagte er nur: „Seien Sie geduldig. Sie haben drei Jahre lang gewartet. Jetzt können Sie auch noch drei Stunden warten.“ Die Verhandlungen zogen sich jedenfalls länger als gedacht. Barnier wollte die EU-Länder eigentlich um 14.00 Uhr unterrichten, verschob dies aber (auf 17.00 Uhr).

Der britische Premierminister Boris Johnson will einen Deal bei dem am Donnerstag beginnenden Gipfel, um den Brexit wie geplant am 31. Oktober geregelt und ohne Chaos zu vollziehen. Ohne Einigung müsste der Premier nach einem britischen Gesetz ab Samstag eine Fristverlängerung bei der EU beantragen. Das will Johnson nicht. Dennoch würde er sich im Fall der Fälle der Vorgabe beugen, wie Brexit-Minister Stephen Barclay in London bekräftigte.

Bewegung im festgefahrenen Streit

Umstritten ist nach wie vor die Frage, wie die Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Staat Irland offen gehalten werden kann. Johnson hatte dem irischen Ministerpräsidenten Leo Varadkar dazu vorige Woche neue Angebote gemacht und so Bewegung in den festgefahrenen Streit gebracht. In den vergangenen Tagen legte die britische Seite nach EU-Angaben noch einmal nach.

Im Einzelnen muss geklärt werden, wo und wie Zoll- und Warenkontrollen stattfinden sollen. Zur Debatte steht zudem, welche Mitsprache die nordirische Volksvertretung bei der künftigen Anwendung von EU-Regeln in Nordirland haben soll. Dritter Streitpunkt sind mögliche Verpflichtungen Großbritanniens, auch künftig EU-Sozial- oder Umweltstandards nicht zu unterbieten, um sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.

Varadkar äußerte sich am Mittwoch optimistisch. Es sehe Fortschritte in den Verhandlungen, wenngleich noch Punkte geklärt werden müssten, sagte er nach Telefonaten mit Johnson und der EU-Kommission.

Zu große Zugeständnisse?

Doch hat Johnson möglicherweise so große Zugeständnisse gemacht, dass die nötige Unterstützung im britischen Parlament infrage steht. Der Premier hat keine Mehrheit im Unterhaus und ist auf jede Stimme angewiesen. Als Knackpunkt könnte sich erweisen, dass künftig wohl doch eine Zollgrenze zwischen der EU und Großbritannien in der Irischen See verlaufen könnte. Damit wird jedenfalls in deutschen Regierungskreisen gerechnet.

Ein solcher Vorschlag war schon einmal in London auf heftigen Widerstand gestoßen. Die Chefin der nordirischen Protestantenpartei DUP, Arlene Foster, hatte ihn als „blutige rote Linie“ bezeichnet. Entscheidend dürfte nach Einschätzung des früheren Brexit-Ministers David Davis sein, ob die DUP nun eine Einigung mitträgt. „Viele Tory-Abgeordnete werden sich danach richten, was die DUP macht“, sagte der Brexit-Hardliner der BBC.

Johnson hatte Foster am Dienstag zu einem eineinhalbstündigen Gespräch in London getroffen. Britische Medien spekulierten, dass eine kräftige Finanzspritze die Entscheidung der DUP für ein solches Abkommen erleichtern könnte.