Donnerstag30. Oktober 2025

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InterviewBotschafterin Natalia Anoshyna: „Die Ukraine will den Krieg so schnell wie möglich beenden“

Interview / Botschafterin Natalia Anoshyna: „Die Ukraine will den Krieg so schnell wie möglich beenden“
Die ukrainische Botschafterin Natalia Anoshyna kann den russischen Angriff vom Wochenende nicht als Fehler bezeichnen – für sie war das „reiner Terror“ Foto: Botschaft der Ukraine

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Am vergangenen Wochenende starben wieder einmal Dutzende Zivilisten bei einem russischen Luftangriff auf die Ukraine. Trotz der Bemühungen der USA, zumindest eine Waffenruhe in der Ukraine herbeizuführen, treibt die Führung in Moskau den Krieg unvermindert voran. Wir sprachen darüber mit der ukrainischen Botschafterin für Luxemburg, Natalia Anoshyna. 

Tageblatt: Wie bewerten Sie die Reaktionen aus den USA, vor allem aber des Weißen Hauses, auf die jüngsten russischen Angriffe auf Sumy?

Natalia Anoshyna: Zunächst möchte ich allen Ländern und Partnern, die uns an diesem so schwierigen Tag während des schrecklichen Angriffs auf Sumy am Palmsonntag unterstützt haben, meinen Dank aussprechen. Sie wissen, dass es ein religiöser Feiertag für alle Ukrainer war und dieser schreckliche Angriff zeigt einmal mehr die Brutalität und Rücksichtslosigkeit des Feindes. Wir haben mehr als 50 Reaktionen der Unterstützung und Solidarität mit der Ukraine von verschiedenen Partnern, Verbündeten und Freunden aus verschiedenen Ländern und von Staats- und Regierungschefs erhalten.

Diese Reaktionen aus den USA wurden veröffentlicht und jeder kann sie sehen. Herr Rubio (der US-Außenminister Marco Rubio, Anm.) sagte, dass die Vereinigten Staaten den Hinterbliebenen der Opfer ihr tiefstes Beileid aussprechen und er bestätigte noch einmal, dass Präsident Trump und seine Regierung alle Anstrengungen unternehmen werden, um den Krieg zu beenden und Frieden zu erreichen. Zur gleichen Zeit hatten wir die Reaktion von Präsident Trump. Er sagte, es war schrecklich, aber ihm wurde gesagt, dass die Russen einen Fehler gemacht haben.

Aber er hat Russland nicht erwähnt.

Ja, das hat er nicht. Er sagte, sie hätten einen Fehler gemacht. Ich nehme an, dass es um Russland geht. Ich kann diesen schrecklichen Angriff allerdings nicht als Fehler bezeichnen. Das ist reiner Terror. Das ist Terror gegen die Zivilbevölkerung. Es waren zwei ballistische Raketen, die binnen einer Minute 35 friedlichen Ukrainern das Leben nahmen, darunter auch Kindern. Das ist inakzeptabel. Es ist unmöglich, das einen Fehler zu nennen. Das ist ein Verbrechen und Russland muss für dieses Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht werden. Es gab keine militärischen Objekte in der Nähe der Straße. Es war im Stadtzentrum. Das ist ein Beweis für einen vorsätzlichen Angriff auf friedliche Ukrainer, auf die Zivilbevölkerung.

Haben Sie den Eindruck, dass die Trump-Administration wirklich verstanden hat, mit was für einem Gegner die Ukraine es zu tun hat?

In diesem Zusammenhang möchte ich vielleicht die Worte unseres Präsidenten wiederholen, der Präsident Trump in die Ukraine eingeladen hat, damit er sich mit eigenen Augen ansehen kann, was gerade in der Ukraine passiert. Es ist gut, Vertreter in die Ukraine zu schicken und von der Situation in der Ukraine zu hören. Aber es ist viel besser, mit eigenen Augen zu sehen, was in der Ukraine vor sich geht und sich selbst ein Bild von der Lage zu machen.

Bei einem Besuch in der Ukraine kann Präsident Trump die Realität sehen. Dann versteht er besser, wer der Feind ist, wer die Aggression begonnen hat, wer die Grenze der Ukraine überschritten hat, nicht nur im Jahr 2022, sondern auch im Jahr 2014. Er versteht dann, wer die Krim rechtswidrig annektiert hat, wer mit der vorübergehenden Besetzung des Donbass begonnen hat und am 24. Februar 2022 die groß angelegte militärische Invasion der Ukraine gestartet hat.

Sie beschießen weiterhin die Ukraine. Sie schießen weiterhin Raketen und Drohnen ab. Sie setzen ihren Terror fort. Das ist die Antwort der russischen Seite.

Was halten Sie von der Kehrtwende der USA in der Ukraine-Politik?

Der ukrainische Präsident und die ukrainische Seite versuchen alles, was möglich ist, um einen Dialog mit den Vereinigten Staaten über einen Waffenstillstand und die Beendigung des Krieges zu führen. Wir unternehmen dazu alle möglichen Anstrengungen. Wir hatten mehrere Verhandlungen mit den amerikanischen Vertretern in Saudi-Arabien und wir haben den Vorschlag der amerikanischen Seite bezüglich eines bedingungslosen Waffenstillstands akzeptiert. Die Ukraine will keinen Krieg, die Ukraine will den Krieg so schnell wie möglich beenden. Und was sehen wir als Antwort von der russischen Seite? Keine Reaktion seit mehr als 30 Tagen. Sie beschießen weiterhin die Ukraine. Sie schießen weiterhin Raketen und Drohnen ab. Sie setzen ihren Terror fort. Das ist die Antwort der russischen Seite. Es ist also sehr klar: Sie wollen den Krieg nicht beenden.

Seit 2014 hatten wir viele direkte Verhandlungen mit der russischen Seite. Wir hatten mehr als 200 Verhandlungen mit ihnen, wenn ich mich recht erinnere. Man kann keinem russischen Wort glauben. Sie lügen über alles.

Es gab keine militärischen Objekte in der Straße in Sumy, die am Sonntag von Russland mit ballistischen Raketen beschossen wurde
Es gab keine militärischen Objekte in der Straße in Sumy, die am Sonntag von Russland mit ballistischen Raketen beschossen wurde Foto: Oleg Voronenko/AFP

Wie kommen aus Sicht der Ukraine die Gespräche über eine Waffenruhe mit Russland oder den USA voran?

Alles, was von ukrainischer Seite erwartet wurde, haben wir getan. Wir haben unsere Verpflichtungen erfüllt. Wir sehen das jedoch nicht auf der russischen Seite. Wir stehen natürlich im Dialog mit der amerikanischen Seite. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind ein strategischer Partner der Ukraine und wir werden nicht zulassen, dass Russland die Beziehungen zwischen den USA und der Ukraine zerstört. Denn das ist das Ziel des Feindes, unsere Beziehungen zu verschlechtern.

Die Antwort auf Terror muss stark und entschlossen sein. Die USA haben auf den schrecklichen Angriff am 11. September ebenfalls mit Stärke reagiert. Wir bitten die USA jetzt mit uns gemeinsam gegen den Terror zu kämpfen.

Wie groß ist die Hoffnung bei den Menschen in der Ukraine, dass es zu einer Einigung auf eine Waffenruhe kommt?

Ich sage es mit anderen Worten: Alle Ukrainer wünschen sich nur eines – den Sieg der Ukraine. Wir glauben an unsere Streitkräfte. Wir wissen, dass unsere Verteidiger Helden sind. Sie schützen und verteidigen nicht nur die Ukraine. Ihr lebt unter einem friedlichen Himmel, und das verdankt ihr den ukrainischen Verteidigern. Ich meine Europa, ich meine den europäischen Kontinent.

Wie würde ein solcher Sieg aussehen, wann sprechen Sie von einem Sieg in diesem Krieg?

Es ist ganz klar: Der Sieg bedeutet, dass wir alle unsere Gebiete zurückerhalten. Die Ukraine wurde 1991 ein unabhängiger Staat. Unsere Unabhängigkeit wurde von der ganzen Welt anerkannt, auch vom Feind. Sie müssen also das Völkerrecht und die internationale Ordnung respektieren. Wir sind ein unabhängiger Staat und nur wir haben über unser Territorium zu entscheiden, nicht die Russen. Sie haben genug Territorium. Wir wollen also die volle territoriale Integrität der Ukraine.

Zweitens: Wir sprechen von einem gerechten und dauerhaften Frieden. Das bedeutet, dass alle russischen Mörder, alle russischen Kriminellen bestraft werden müssen. Den Haag wartet auf sie. Sie müssen für all ihre Verbrechen zur Verantwortung gezogen werden.

Der dritte Punkt: Alle unsere Leute müssen aus russischer Gefangenschaft zurückkehren. Wir müssen ukrainische Kinder zurückholen, die auf russischem Territorium zwangsdeportiert wurden.

Was sollten die europäischen Staaten, die Europäische Union und andere Verbündete zu den Bemühungen um einen Waffenstillstand beitragen?

Wir brauchen immer noch Hilfe und Unterstützung bis zum Ende des Krieges und dem Sieg der Ukraine. Ich denke da zuallererst an starke Sanktionen. Die Europäische Union kann uns mit noch zerstörerischeren Sanktionen gegen Russland helfen, sie kann den politischen Druck auf Russland weiter erhöhen. Und wir brauchen mehr Verteidigungshilfe, vor allem Luftverteidigungssysteme.

Die Europäische Union kann uns auch mit einem beschleunigten EU-Beitritt helfen. Also nicht bis 2030 warten, wie angekündigt. Wir sind bereit, das so schnell wie möglich zu tun. Wir sind bereit, jeden Tag und jede Nacht zu arbeiten, um Mitglied der EU zu werden. Aber nicht nur der EU, sondern auch der NATO.

Wir können nicht am Tisch sitzen und über irgendetwas verhandeln, wenn wir schwach sind

Finden Sie, dass die USA zu nachsichtig gegenüber Russland sind?

Ich möchte das nicht glauben. Ich möchte nicht an eine Freundschaft zwischen den USA und dem Terrorstaat glauben. Ich kann das nicht akzeptieren, und ich denke, es ist auch für die Amerikaner inakzeptabel, für ein Land, das auf Demokratie und Freiheit gründet.

Ich denke, dass der Präsident und die Regierung der USA versuchen, alles zu tun, um diesen Krieg zu beenden und einen dauerhaften Frieden zu erreichen. Vielleicht ist dies ihre Strategie, um den Krieg zu beenden. Aber nicht auf Kosten der Ukraine. Wir sind nicht bereit, dafür zu bezahlen.

Ist der Ansatz der EU, „Frieden durch Stärke“ zu erreichen, der richtige Weg für die Ukraine?

Dies ist eines der wichtigsten Prinzipien, das vom Präsidenten der Ukraine verkündet wurde. Das bedeutet zunächst einmal, dass die Ukraine stark sein soll. Wir können nicht am Tisch sitzen und über irgendetwas verhandeln, wenn wir schwach sind. Russland befürchtet, dass wir zusammen mit allen demokratischen Staaten, mit der gesamten internationalen Gemeinschaft stark sind. Russland will nur eines: Konflikte zwischen uns und anderen Länder schaffen, die solidarisch mit uns sind. Sie wollen uns in verschiedene Lager spalten. Wir aber wollen, dass die Welt in Bezug auf die Ukraine stark und geeint ist. Davor hat Russland Angst.

Die Einwohner von Sumy tragen dieser Tage die Opfer der russischen Raketenangriffe vom vergangenen Sonntag zu Grabe 
Die Einwohner von Sumy tragen dieser Tage die Opfer der russischen Raketenangriffe vom vergangenen Sonntag zu Grabe  Foto: Roman Pilipey/AFP
porcedda daniel m
16. April 2025 - 11.54

Einige nachdenkenswerte Sätze der Botschafterin. Und etliche unumstößliche Wahrheiten.

Ihre Kommentare Trump betreffend darf man gerne überlesen. Es ist Diplomatensprech. Wäre spannend zu erfahren, was sie wirklich von Trumps "Friedensbemühungen" hält.

JJ
16. April 2025 - 9.20

Natürlich will die Ukraine den Krieg so schnell wie möglich beenden. Sie haben ihn ja auch nicht begonnen.Außer Trump ist die ganze Welt einer Meinung.Man wird am Ende sogar dem Volksmörder Putin Eingeständnisse machen. Wie immer in der Politik,Schweinehunde dürfen ihr Gesicht nicht verlieren. Das nennt man dann Diplomatie.