Tageblatt: Bosniens Justiz will Sie verhaften, Deutschland und Österreich Sie nicht mehr einreisen lassen. Wie kommen Sie damit zurecht?
Milorad Dodik: Ich lebe weder in Deutschland noch in Österreich und mische mich nicht in deren Angelegenheiten ein – im Gegensatz zu manchen, die das hier versuchen. Ich bin dankbar, dass unsere Leute dort arbeiten können – allerdings mit dem Wissen, dass es dort auch Idioten als Minister gibt.
Vor dem Präsidentenpalast sah ich die schwer bewaffnete Spezialeinheit der Polizei. Fürchten Sie einen neuen Versuch, Sie verhaften zu lassen?
Daran ist nichts Ungewöhnliches. Diese Eliteeinheit zeugt von der Bereitschaft der Republika Srpska, ihre Autonomie und Persönlichkeiten zu verteidigen. In ihr sind unsere besten Jungs: Bei einem Wettbewerb von Anti-Terroreinheiten aus aller Welt hat sie sich kürzlich in Dubai besonders ausgezeichnet.
Bosniens Oberster Gerichtshof hat sie zu einer Haftstrafe verurteilt, allerdings noch nicht rechtskräftig. Warum warten Sie nicht den Ausgang der Berufung ab, sondern haben sofort alle nationalen Justizorgane hier verbieten lassen?
Dieser Gerichtshof wurde nicht im Einklang mit der Verfassung geschaffen, sondern uns völkerrechtswidrig auferlegt.
Aber Sie haben doch eine Berufung gegen das Urteil einlegen lassen, das von Ihnen verbotene Gericht also faktisch anerkannt. Ist das nicht paradox?
Das haben meine Anwälte getan. Selbst habe ich alle Illusionen über diesen Gerichtshof verloren, denn er hat seine politische Intoleranz demonstriert. Wir Serben sind immer die schlechten Kerle. Wir werden so behandelt, als wären wir nur zum Bestrafen da, als Leute einer niedrigen Rasse, als wüssten wir nichts.
Ich habe Ihnen schon gesagt, dass wir keinerlei Sezessionspläne haben
Ich muss noch einmal nachfragen: Ist es nicht widersprüchlich, dass Sie vor einem Gerichtshof ausgesagt haben, den sie nun zu verbieten versuchen?
Ich habe vor dem Gerichtshof ausgesagt, um seine Absurdität zu demonstrieren, nicht um ihn zu legitimieren.
Es ist nicht nur der Westen und Sarajevo, sondern auch die Opposition in der Republika Srpska, die Ihre Aktionen gegen die nationalen Justizorgane kritisiert.
Was die Opposition angeht: Meine Partei stellt sowohl in der Republika Srpska als auch auf nationalem Niveau die meisten Parlamentsabgeordneten. Wenn eine Marta aus Slowenien (gemeint ist die EU-Erweiterungskommissarin Marta Kos, Anm.) in der Opposition die Rettung für Bosnien wittert, lasst uns doch einmal sehen, wie das geht. Denn wenn unsere Abgeordneten den Sitzungen des nationalen Parlaments fernbleiben, ist das dafür nötige Quorum nicht erreicht – und können die Sitzungen nicht stattfinden.
Auch Kroaten und Muslime sind unzufrieden
Ihre Kritiker werfen Ihnen vor, den Zusammenhalt des Staats seit Jahren systematisch zu untergraben. Was stört Sie an Bosnien und Herzegowina?
Bosnien und Herzegowina ist für uns eine Last, die wir nicht lieben. Wir sind hier, weil wir das müssen und eine übermächtige NATO-Macht uns dazu getrieben hat. Das ist nicht unsere Position, sondern Bosniens surrealistische Realität. Wir haben keinerlei Sezessionspläne. Wir drücken nur unsere Unzufriedenheit mit diesem Staat aus. Aber auch die Kroaten und Muslime sind unzufrieden.
Was sagen Sie zu den Sorgen von Landsleuten, dass Sie die Republika Srpska mit Ihrem Konfrontationskurs in Europa noch stärker zu isolieren drohen?
Über was für einen europäischen Weg reden wir, wenn selbst die neue deutsche Regierung, die EU-Erweiterung erst einmal auf Eis legen will? Wir sehen, dass sich die Machtverhältnisse verschieben, sich die Welt von einem bi- in ein multipolares System wandelt. Putin und Trump führen Verhandlungen über die Ukraine, über Gas- und Rohstofflieferungen. Europa ist da nirgendwo zu finden – und hat Mühe, nicht den Anschluss zu verlieren.
Und welche Folgen hat diese Entwicklung Ihrer Meinung nach für Bosnien und die Republika Srpska?
Die Welt verändert sich und wird nicht mehr so sein, wie zuvor. Welche Gelegenheiten sich dabei für die Republika Srpska bieten werden, wird sich weisen. Aber wir müssen uns darauf vorbereiten. Es ist wie im Fußball: Wer keine Chancen kreiert, kann auch keine Tore schießen.
Aber was ist Ihr Ziel? Ein anderes Bosnien oder dessen Zusammenbruch? Eine unabhängige Republika Srpska oder eine Vereinigung mit Serbien?
Ich habe Ihnen schon gesagt, dass wir keinerlei Sezessionspläne haben. Unser Standpunkt ist, dass wir zur Verfassung zurückkehren und die Zuständigkeiten zurückerhalten, die uns unter massivem Druck des Westens genommen wurden.
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