EditorialBoris Johnson hat gegenüber der EU viel Vertrauen verspielt

Editorial / Boris Johnson hat gegenüber der EU viel Vertrauen verspielt
Der britische Premierminister Boris Johnson hält sich nicht an das, was er unterschrieben hat. Auch das erschwert die Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien. Foto: AFP/Pool/Eddie Mulholland

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Sonderlich beeindruckt war von den in Brüssel versammelten Chefs niemand so richtig, als der britische Premierminister Boris Johnson am vergangenen Freitag ein Ende der Verhandlungen und einen harten Austritt seines Landes aus dem EU-Binnenmarkt ankündigte, sollten die EU-Staaten nicht doch noch ihre Position „fundamental“ ändern. Denn nur einige Stunden zuvor hatten sie ihre Position noch einmal deutlich gemacht. Und da im Hinblick auf die noch strittigen Punkte in den Gesprächen über die künftigen Wirtschaftsbeziehungen bereits erste Lösungsmöglichkeiten diskutiert wurden, können Boris Johnsons Drohungen gelinde gesagt als unpassend betrachtet werden. Vom britischen Premierminister wurde vielmehr erwartet, dass er konstruktive Vorschläge einbringt, um die stockenden Verhandlungen voranzubringen. Doch Johnson scheint immer noch, wenn es um den Brexit geht, in einer Art Parallelwelt gefangen zu sein, in der dem Land, wie er es immer beschreibt, eine prosperierende und glänzende Zukunft bevorsteht, da es von allen Zwängen und Einschränkungen befreit sein werde, denen es bislang durch seine EU-Mitgliedschaft ausgesetzt war.

Um sich ebenfalls den harten Bruch schönzureden, der mit einem vertragslosen Ausscheiden aus der Zollunion und dem EU-Binnenmarkt einhergeht, haben sich Boris Johnson und andere Brexiteers eine weitere Erzählung parat gelegt. Diese geht davon aus, dass aufgrund der wegen der Corona-Pandemie grassierenden Wirtschaftskrise die Menschen in Großbritannien die wirtschaftlichen Auswirkungen eines No-Deal-Brexit ohnehin nicht richtig mitbekämen. Was allerdings mehr Wunschdenken sein dürfte. Denn die prognostizierten Staus von Hunderten und Tausenden Lkws vor den Häfen wegen der Zollabfertigung, importierte Waren vom Festland, die auf einen Schlag teurer werden, aus demselben Grund ausbleibende Bestellungen aus den EU-Ländern und andere Verwerfungen mehr dürften sehr wohl den Briten kaum entgehen. Und sie werden den Unterschied machen können, was Corona-bedingt und was dem harten Ausscheiden aus dem Binnenmarkt geschuldet ist.

Natürlich will Boris Johnson mit seiner Drohung, die Verhandlungen beenden zu wollen, sollte Brüssel nicht in seinem Sinne einlenken, ebenfalls die Schuldfrage für das zu erwartende Desaster klären. Doch auch das dürfte ihm nicht gelingen. Denn der britische Premierminister hat keine Handschlagqualität mehr. Er hat Vertrauen gebrochen und dem Vereinigten Königreich damit schweren politischen Schaden zugefügt, indem seine Regierung das sogenannte Binnenmarktgesetz vorgelegt hat, mit dem London wichtige Teile des Brexit-Abkommens aushebeln kann. Und nun verlangen Boris Johnson und sein Staatsminister Michael Gove, dass die EU-Staaten ihnen bei den Verhandlungen entgegenkommen? Nachdem sie ihre Bereitschaft demonstriert haben, internationales Recht zu brechen und das Brexit-Abkommen nicht einhalten zu wollen? Und dann werfen die beiden der EU noch vor, nicht „ernsthaft“ an einem Handelsabkommen mit Großbritannien interessiert zu sein. Wer gegenüber solchen Verhandlungspartnern nicht hart ist und seine eigenen Interessen fest im Blick behält, hat bereits Haus und Hof verloren, noch bevor die Tinte unter dem Vertrag trocken ist.

Im Lichte dessen ist davon auszugehen, dass EU-Chefverhandler Michel Barnier seine Arbeit gut macht. Sonst würde Boris Johnson nicht mit dem Abbruch der Verhandlungen drohen, was beide tunlichst vermeiden wollen und was Großbritannien weitaus mehr schaden würde als den 27 EU-Staaten in ihrer Gesamtheit. Das müsste auch dem britischen Premierminister bewusst sein. Es sei denn, er glaubt auch noch, was er erzählt.

Marcel Gillander
22. Oktober 2020 - 11.06

Grossbritannien importiert weit mehr Güter aus der EU als es nach dorthin exportiert und ist in der Position des Käufers (der auch anderswo kaufen kann). Nach dem 31. Dezember 2020 steht es der britischen Regierung frei Importgüter mit Zöllen zu belegen (und damit zu verteuern) oder auch nicht. Die in diesem Beitrag angedeutete allgemeine Verteuerung ist deshalb keine unabwendbare Konsequenz des Brexit. Es gibt dann auch keine zwingende Notwendigkeit mehr Agrarprodukte in Spanien, Italien oder Südfrankreich einzukaufen und sie per LKW nach Grossbritannien zu bringen. Diese Waren könnten auch aus Westafrika per Schiff kommen und den Produzentenstaaten damit eine wirtschaftliche Perspektive bieten die ihnen wegen der europäischen Agrarpolitik bislang verschlossen blieb...

HTK
21. Oktober 2020 - 20.32

Ein besseres und passenderes Foto von BoJo habe ich noch nicht gesehen.Bravo. Es drückt genau den Geisteszustand dieses Mannes aus.Er leidet unter kognitiver Dissonanz,das ist evident. Soll heißen : Er hat sich für etwas Falsches eingesetzt und jetzt,wo er weiß dass er sich verrannt hat,bleibt er trotzdem bei seiner Meinung.Unverbesserlich oder wie man auch sagt,konservativ bis zum Ende. Die englische Jugend wird es ihm und der Faragetruppe danken.

Nomi
21. Oktober 2020 - 14.29

Ob der Phot kuckt den Johnson dran wei' een Delpes !