EditorialBittere Tage in bitteren Zeiten – wenn der Optimismus schwerfällt

Editorial / Bittere Tage in bitteren Zeiten – wenn der Optimismus schwerfällt
Alles kaputt und zurück auf dem Eselskarren: Das Foto aus Gaza zeigt sinnbildlich, wie es um die Sicherheit in der Welt steht Foto: AFP/Eyad Baba

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Eigentlich wäre es an der Zeit für etwas Optimismus. Er würde allen guttun. Aber nach so einer Woche fällt das schwer. Es sind bittere Tage in bitteren Zeiten.

Russland greift im Norden der Ukraine an. Das gab es schon zu Beginn der russischen Invasion. Die Frontlinie in diesem Krieg beträgt längst mehr als 1.000 Kilometer. Schützengräben und Kämpfe auf einer Strecke wie von Luxemburg bis nach Rimini. Den Rest der Ukraine lässt Wladimir Putin mit Raketen und Drohnen beschießen. Viele dieser von Moskau eingesetzten Geschosse sind iranischer Bauart. Trotz der westlichen Sanktionen ist Teheran zu einer Drohnen-Weltmacht aufgestiegen.

Die Amerikaner haben die Ukraine vier Monate lang nicht mit Waffen unterstützt. Auch Europa ist längst gespalten in dieser Frage. Überall uneinige Unsicherheit.

Der iranische Präsident Ebrahim Raisi ist bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen. Auf dem Rückweg aus Aserbaidschan. Dort droht Autokrat Ilham Alijew Nachbar Armenien nach wie vor mit der Auslöschung. Weltweite Mitleidsbekundungen trudelten nach Raisis Tod in Teheran ein. Für einen Mann, der an einem Massenmord mitgewirkt hat und dafür seit Jahren nach internationalem Recht gesucht wird.

Mit Raisis Tod habe das chinesische Volk „einen guten Freund verloren“, heißt es aus Peking. China und der Iran sind nicht nur wirtschaftlich eng verbunden. Auch ihre Partnerschaft zu Moskau eint sie. In derselben Woche startet China ein Militärmanöver gegen Taiwan. Dieses sei eine „ernsthafte Warnung“ an Taipeh. Taiwans neuer Präsident hatte zuvor in kämpferischem Ton die Unabhängigkeit der Insel betont. Solche Bestrebungen würden mit „zerschmetterten Schädeln und im Blut enden“, hieß es daraufhin aus Peking. Das Schreckgespenst einer dritten Front nach der Ukraine und Gaza bricht sich Bahn.

Nach den horrenden Verbrechen der Hamas vom 7. Oktober hat Israel den Gazastreifen dem Erdboden gleichgemacht. Zehntausende Menschen sind gestorben. Die internationale Gemeinschaft versucht, Israels Krieg in Gaza zu bremsen, und bleibt dabei erfolglos. Benjamin Netanjahus rechtsextreme Regierung führt ihren Rachefeldzug unvermindert fort. Der UN-Sicherheitsrat funktioniert nicht mehr. Aber das ist nichts Neues. 

Die USA wollen in wenigen Monaten ihre in Niger verbliebenen Soldaten abgezogen haben. Damit ist der Westen raus aus dem Sahel. Die Russen sind dort an seine Stelle getreten. Niger war und ist ein Knotenpunkt der Migration von Afrika nach Europa. Moskau kontrolliert diesen jetzt. Der Krieg in Äthiopien wütet weiter. Der Bürgerkrieg in Sudan gerät immer mehr außer Kontrolle. Terrorgruppen wie Al-Kaida haben sich längst dort breitgemacht.

In zwei Wochen sind Europawahlen. Doch erst im Herbst stehen die Wahlen an, die die Welt am meisten prägen. Trump oder Biden heißt dann die Frage. Im Endspurt des EU-Rennens zerfleischen sich die extrem rechten Parteien untereinander. Ein Hoffnungsschimmer ist das nicht. Sie mögen über die Waffen-SS streiten, doch vieles eint sie weiter. Sie sind gegen Migranten, gegen Klima, gegen Gleichstellung, gegen Soziales.

Die Konservativen haben sich ihnen längst angenähert. Einig sind sie sich darin, die Migrationspolitik auszulagern. Die Genfer Flüchtlingskonvention landet damit auf dem Müllhaufen der Geschichte. Sie war eine der Lehren aus dem letzten großen Krieg. Doch sie scheint vergessen. Die Welt taumelt Richtung Abgrund. Es braucht einen Ausweg. Die Menschheit muss zeigen, dass sie lernfähig ist. Und das möglichst schnell.