GetreidestreitBeruhigungspille für die Bauern: Brüssel vermittelt zwischen Ukraine und EU-Staaten

Getreidestreit / Beruhigungspille für die Bauern: Brüssel vermittelt zwischen Ukraine und EU-Staaten
Petro Potapenko untersucht Reste unverkauften Getreides in seiner Lagerhalle in der Region von Kiew in der Ukraine Foto: AFP/Sergei Supinsky

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die EU ringt um eine Lösung im Streit um ukrainisches Getreide. Es geht um eine Negativliste – und um Millionenhilfen.

Im Streit um Importe von günstigem Getreide aus der Ukraine ist die EU auf Polen, Ungarn und andere EU-Länder zugegangen. Man bemühe sich um eine europäische Lösung, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission am Donnerstag in Brüssel. Im Gespräch sind Schutzmaßnahmen für bestimmte Agrarprodukte sowie ein Hilfsprogramm von 100 Millionen Euro.

Die Regierungen in Warschau und Budapest hatten am Wochenende ohne Absprache einen Importstopp verhängt. Dies sei „nicht hinnehmbar“, hieß es daraufhin zunächst in Brüssel. Der Boykott verstoße gegen europäisches Recht und müsse sofort aufgehoben werden. Doch dann schaltete sich Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen persönlich ein. Sie nehme die Bedenken der „Front-Staaten“ und der betroffenen Bauern ernst und wolle helfen, schrieb die EU-Chefin in einem Brief an die Staats- und Regierungschefs von Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und der Slowakei.

Seither kommen ganz andere Töne aus Brüssel. Von der Leyens Chefsprecher räumt plötzlich ein, dass die Billig-Importe den Agrarmarkt verzerren. Die betroffenen Länder könnten von einer Notfallklausel Gebrauch machen und bestimmte Agrarprodukte vom Import ausschließen, sagte er. Die Rede ist von Weizen, Mais sowie Sonnenblumen- und Rapssamen. Die Liste ist aber noch nicht fertig. Details soll Handelskommissar Valdis Dombrovskis klären. Er ist mit den fünf EU-Ländern und der Ukraine im Gespräch und will sich um eine dauerhafte Lösung bemühen. Ein erstes Treffen am Mittwoch brachte aber noch keinen Erfolg.

Dies liegt nicht zuletzt daran, dass sich die Lage ständig ändert. So haben Polen und die Ukraine am Dienstag eine Lösung verkündet – die die EU aber nicht ungeprüft anerkennen will. Kurz darauf verhängte Bulgarien einen Importstopp. Die Slowakei hat Einfuhren aus der Ukraine ebenfalls beschränkt. Ungarn verbot am Donnerstag auch noch den Import von Honig und bestimmten Fleischprodukten. Zudem ist die Rechtslage unklar. Im Prinzip ist die EU-Kommission allein für die Handelspolitik zuständig. Die Handelserleichterungen, die die EU der Ukraine nach dem russischen Überfall im Februar 2022 gewährt hatte, sind jedoch befristet. Sie laufen am 5. Juni aus.

Probleme mit Geld lösen

Von der Leyen will diese Erleichterungen nun verlängern. Dafür braucht sie einen Deal mit den Quertreibern aus Mittelosteuropa. Einfuhrzölle, wie sie Polen gefordert hatte, solle es nicht geben, heißt es in Brüssel. Doch auch die vorgeschlagene „Negativliste“ ist problematisch. Denn jedes EU-Land möchte andere Ausnahmen.

Außerdem ist das Transit-Problem noch nicht gelöst. Ursprünglich sollten die Agrarprodukte aus der Ukraine nur vorübergehend in die EU kommen, bevor sie nach Afrika oder in andere bedürftige Länder transportiert werden. Doch die Verschiffung ist schwierig, die Häfen sind überlastet, das Getreide staut sich in europäischen Lagern. Ein Teil wird auch in EU-Länder wie Italien oder Spanien exportiert. Dort wird das günstige Getreide dann schon mal an die Schweine verfüttert. Mit den ursprünglichen Motiven – Solidarität mit der Ukraine und Hilfe für die Hungernden in Afrika – hat das nichts zu tun. Doch das wird im Getreide-Streit bisher völlig ausgeklammert.

Alles dreht sich um die Bauern und ihre sinkenden Einnahmen. Brüssel versucht nun, die Probleme mit Geld zu lösen – wie so oft in Europa. Ein erstes Hilfspaket über 56 Millionen Euro hat allerdings die erhoffte Wirkung verfehlt. Nun könnten noch einmal 100 Millionen Euro fließen – es wäre schon die zweite Beruhigungspille.

Jill
21. April 2023 - 12.56

Zitat: „Brüssel versucht nun, die Probleme mit Geld zu lösen - wie so oft“. Wie wahr!! Und natürlich hat Polen Recht Einfuhrzölle zu fordern. Aber mittlerweile „versucht“ Brüssel ja alle Konflikte nur noch mit entweder europäischen Steuergeldern zu lösen oder mit Beschränkungen, Verboten und Sanktionen.