Individualpädagogik„BeLeaf“ zeigt Jugendlichen, dass sie mehr können, als sie manchmal glauben

Individualpädagogik / „BeLeaf“ zeigt Jugendlichen, dass sie mehr können, als sie manchmal glauben
 Max Meisch, Koordinator von BeLeaf Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Das Projekt „BeLeaf“ bietet Jugendlichen im Alter von 13 bis 21 Jahren aus schwierigem sozialem Umfeld eine individualpädagogische Betreuung. Bei „erlebnispädagogischen Reisen“ verlassen sie ihre Komfortzone; die sich dadurch ergebenden Herausforderungen zeigen ihnen neue Perspektiven auf.

„Die Abfahrt ist immer ein kritischer Moment. Aus Nervosität versucht der oder die Jugendliche oft, sie hinauszuzögern“, sagt Max Meisch. Seine bis dato letzte Reise war eine Fahrradtour mit einem Schützling nach Den Haag. „Der Junge sagte, er sei noch nie am Meer gewesen, und wolle mal dorthin. Daraufhin organisierten wir gemeinsam diese Radtour.“

Max Meisch ist Koordinator des Projekts „BeLeaf“. Hier wird die sogenannte Individualpädagogik angewandt, um Jugendlichen, die aus einem schwierigen sozialen Umfeld kommen, zu helfen, neue Perspektiven zu finden. Alle Aktivitäten werden individuell auf die Jugendlichen abgestimmt; außerdem wird jeder einzeln von einem Sozialpädagogen betreut. Die Arbeitsweise ist zwar ressourcenaufwendig, doch Meisch ist überzeugt, dass die Rendite hoch ist.

Kern jeder Betreuung ist die „erlebnispädagogische Reise“. Die dabei auftretenden physischen, psychischen und sozialen Herausforderungen sollen die Persönlichkeitsentwicklung fördern. Dass Hindernisse helfen können, den Weg zu sich selbst zu finden, wussten schon die Stoiker. „Schwierigkeiten stärken den Geist“, schrieb der römische Philosoph Seneca. „BeLeaf“ wendet dieses Prinzip an, um Jugendlichen zu zeigen, dass sie mehr können, als sie manchmal glauben. Wegen fehlender Ausbildung sind sie auf dem Arbeitsmarkt oft chancenlos, und etliche haben bereits – ohne Erfolg – herkömmliche Therapien hinter sich. Einige wurden auch schon straffällig.

Der Name BeLeaf sei eine Mischung aus den englischen Wörtern „believe“ (glauben) und „Leaf“ (Blatt): „Wir glauben an die Kapazitäten der Jugendlichen und zeigen ihnen das draußen in der Natur.“

Aufmerksamkeit durch eine positive Handlung

Die Arbeit erfolgt in drei Phasen. In der Vorbereitungsphase lernen sich beide Seiten kennen. Der erste Kontakt erfolgt stets über jemandem aus dem Umfeld der Jugendlichen. Sie gehen nicht aus Eigeninitiative zu „BeLeaf“, sondern werden über ihr Jugendheim, über das „Office national de l’enfance“ oder einen Richter dorthin verwiesen.

Der Vertrauensaufbau kann mehrere Wochen dauern. In der Regel sieht man sich einmal die Woche ein, zwei Stunden zu Gesprächen oder kürzeren Aktivitäten. Vor der Radtour nach Den Haag machte Meisch mit seinem Schützling eine Testfahrt von Esch/Alzette nach Trier.

„Ob man einen Spaziergang in die Natur oder einen Tagesausflug mit dem Rad macht: Alles hängt davon ab, was der Jugendliche braucht.“ Es gebe einen Koffer voller Arbeitsmethoden: Yoga, Badminton, Fitness, Kampfsport, Survival-Training im Wald, Wandern, u.s.w. Einer seiner Kollegen nutze auch viel Musik: „In einem Düdelinger Tonstudio können Jugendliche Songs aufnehmen. In ihren Texten stehen manchmal Sachen, die in Gesprächen nicht ans Licht kommen.“ Das Prinzip bleibe aber stets das gleiche, sagt Meisch: „Es geht darum, seine Komfortzone zu verlassen, um etwas Neues zu erleben; das Erlebte soll dann zu einer Erkenntnis führen.“

Am Ende einer Reise seien die Jugendlichen sehr stolz, etwas erreicht zu haben. „Sie rufen z.B. ihre Familie an und teilen ihr mit, dass sie es geschafft haben. Und es geschieht etwas, was sie selten erleben: Sie erhalten Aufmerksamkeit durch eine positive Handlung“.

Danach folgt die Transferphase: Die Erfahrungen sollen im Alltag umgesetzt werden. Bei dem Jungen, mit dem er nach Den Haag radelte, habe es ein konkretes Resultat gegeben, sagt Meisch: „Er ist sich bewusst geworden, was er kann und was nicht, wodurch er neue Perspektiven erkannte. Er hat seine bisherige Lehre aufgegeben und sich neu orientiert.“

Alle BeLeaf-Schützlinge zeigten nachher eine verbesserte Lebenssituation. Der Erfolg hat sich offensichtlich herumgesprochen. Es gebe eine Warteliste mit 16 Personen, sagt Meisch stolz.

BeLeaf ist ein zweijähriges Pilotprojekt von „Solina – Solidarité Jeunes“, das von der Fondation André Losch (noch bis Juni 2024) finanziell unterstützt wird. Weitere Informationen auf der Internetseite www.solina.lu.