Zu schade für die TonneBeim Distribution Day wird gegen Lebensmittelverschwendung gekämpft

Zu schade für die Tonne / Beim Distribution Day wird gegen Lebensmittelverschwendung gekämpft
Saftige Tomaten, grüner Salat – die Menschen bei der Verteilaktion in Junglinster freuen sich über das frische Gemüse, das die Organisatorin Annick Feipel gemeinsam mit anderen freiwilligen Helfern eingesammelt hat Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Noch verwertbare Nahrungsmittel weitergeben, damit sie nicht in der Tonne landen – das ist das Ziel der sogenannten „Foodsharing Distribution Days“, die vom Verein „Foodsharing Luxembourg“ an mehreren Orten in Luxemburg wöchentlich organisiert werden. Ein Besuch der Veranstaltung in Junglinster zeigt: Die freiwilligen Helfer setzen sich damit nicht nur gegen Lebensmittelverschwendung ein, sondern greifen so auch Menschen unter die Arme. 

„Ab 16.30 Uhr sind wir ‚voll am Jumm’“, sagt Annick Feipel. Wer an einem späten Mittwochnachmittag im Kulturzentrum „am Duerf“ in Junglinster vorbeigeht, kann sich mit eigenen Augen davon überzeugen. Denn gemeinsam mit 16 anderen Freiwilligen des gemeinnützigen Vereins „Foodsharing Luxembourg“ arbeitet die 37-Jährige dort jede Woche, um gespendete Lebensmittel zu sortieren. Zwischen 18.00 und 19.00 Uhr werden diese während des „Foodsharing Distribution Day“ kostenlos an Menschen verteilt: Brot, Obst und Gemüse, aber auch Kühlschrankware wie Joghurt, Käse oder Milch.

Janet (r.) will etwas gegen Lebensmittelverschwendung tun und holt sich fast jeden Mittwoch Lebensmittel in Junglinster ab
Janet (r.) will etwas gegen Lebensmittelverschwendung tun und holt sich fast jeden Mittwoch Lebensmittel in Junglinster ab Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Der in 2019 gegründete Verein „Foodsharing Luxembourg” will so gegen Lebensmittelverschwendung vorgehen und organisiert dafür Verteilaktionen in Befort, Dahlem, Düdelingen und Junglinster. „Wir sammeln Nahrungsmittel ein, die in Supermärkten sonst in der Tonne landen würden”, erklärt Annick Feipel, die sich in Junglinster um die Organisation der Verteilaktion kümmert und beruflich Koordinatorin des Generationsgartens vom „Centre for Ecological Learning Luxembourg“ in Befort ist.

Gemeinsam mit den anderen Helfern geht sie seit Dezember 2020 in ihrer Freizeit jeden Mittwochnachmittag bei sieben Partnerunternehmen vorbei – darunter Supermärkte, ein Großhändler, aber auch ein lokaler Bauer – und nimmt mit, was an Lebensmitteln nicht mehr verkauft wird. Durchschnittlich 118 Kilogramm Lebensmittel landen in Luxemburg pro Einwohner in Geschäften, der Gastronomie und privaten Haushalten im Müll – rund 48 Kilogramm wären laut der aktuellen Restabfallanalyse 2018/2019 von der Umweltverwaltung und „Eco-Conseil“ vermeidbar.   

Beim Transport der Kühlware achten die freiwilligen Helfer darauf, die Kühlkette nicht zu unterbrechen
Beim Transport der Kühlware achten die freiwilligen Helfer darauf, die Kühlkette nicht zu unterbrechen Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Die Nahrungsmittel wurden aussortiert, weil sie zu groß, zu klein, zu schief sind, braune Stellen haben oder das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten wurde. „Dabei ist das Mindesthaltbarkeitsdatum nicht das Gleiche wie ein Verbrauchsdatum, das man von Fleisch oder Fisch kennt. Wir raten den Menschen immer dazu, sich auf die eigenen Sinne zu verlassen“, sagt Annick Feipel. Was noch gut rieche und aussehe, könne man essen. So wie die rund 250 Kilogramm saftigen Tomaten, die die freiwilligen Helfer an diesem Tag bei einem Großhändler abgeholt haben. „Durch die Witterung haben sie braune Stellen bekommen und müssen direkt verzehrt werden. Deshalb konnten sie nicht mehr verkauft werden“, berichtet Annick Feipel.   

In der Freizeit aktiv

Die Architektin Marta Cesarska ist eine von rund 300 Freiwilligen, die bei „Foodsharing Luxembourg“ aktiv sind
Die Architektin Marta Cesarska ist eine von rund 300 Freiwilligen, die bei „Foodsharing Luxembourg“ aktiv sind Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Gespendet wurden an diesem Tag unter anderem zehn Kisten voll Kürbisse und zahlreiche Packungen Mozzarella – mit Mindesthaltbarkeitsdatum vom gleichen Tag. Was genau bei einer Verteilaktion in die mitgebrachten Tüten, Jutebeutel oder Körbe der Menschen wandern kann, hängt immer davon ab, was Supermärkte und Co. an dem Tag abzugeben haben. Mit ihren eigenen Autos holen die Mitglieder von „Foodsharing Luxembourg” die Ware ab und bringen sie zum Verteilzentrum in Junglinster. Kühlschrankware wird in Styroporboxen mit Kühlakkus transportiert, an denen die Temperatur ständig via Thermometer kontrolliert wird. „Mit der ‚Santé’ haben wir ein Hygienekonzept ausgearbeitet. Darunter fällt auch, dass die Kühlkette beim Transport nicht unterbrochen werden darf“, sagt Feipel. 

Beim „Distribution Day“ in Junglinster gilt Maskenpflicht. Die Lebensmittel werden von den mit Handschuhen ausgestatteten Helfern an die Menschen weitergereicht, wie Annick Feipel erklärt: „So können wir darauf achten, dass jeder etwas bekommt, auch Wartende, die am Ende der Schlange stehen.“ Zwischen 50 und 60 Personen kommen gerne mal bei der Aktion in Junglinster vorbei. Am Ende dieses Tages werden 60 Menschen gezählt worden sein. 

Sie treffen im zweiten Stock des Kulturzentrums in Junglinster auf Marta Cesarska. Die 35-Jährige aus Bereldingen hilft seit Anfang des Jahres beim Verteilen der Lebensmittel in Junglinster und ist eine von rund 300 Mitgliedern von „Foodsharing Luxembourg“. Weil das zu den Werten der Architektin passt, wie sie sagt: „Es ist unglaublich, wie viele Nahrungsmittel im Müll landen, und das, obwohl Menschen das Essen brauchen. Hier kann man mit eigenen Augen sehen, wie viel weggeworfen wird.“ Sie hofft, dass dadurch weniger verschwendet wird.  

Für alle da

Für die Organisatoren ist Dionisio schon fast ein altbekanntes Gesicht, denn er kommt regelmäßig mittwochs zu den „Distribution Days“ 
Für die Organisatoren ist Dionisio schon fast ein altbekanntes Gesicht, denn er kommt regelmäßig mittwochs zu den „Distribution Days“  Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Bei den „Distribution Days“ kann vorbeikommen, wer will – unabhängig der finanziellen und sozialen Lebenssituation. „Für uns spielt es keine Rolle, warum man kommt, unser Ziel ist es einfach, die Nahrungsmittel den Menschen zu geben, die sie noch weiterverwerten“, sagt Annick Feipel. So wie die 53-jährige Janet aus der Gemeinde Flaxweiler. Sie kommt regelmäßig in Junglinster vorbei und nimmt mit, was sie und ihr vierköpfiger Haushalt, aber auch die Nachbarn gebrauchen können. Etwas Brot, Joghurt und viel Gemüse wandern an diesem Tag in ihre Einkaufskörbe. „Das Gemüse ist genauso frisch wie das, das ich in meinem Garten ernte. Beim Lauch werde ich das äußere Blatt abzupfen und dann kann der noch gut verwertet werden.“ 

Es ist die nachhaltige Lebensweise, die Janet jeden Mittwoch nach Junglinster führt. Andere Menschen allerdings kommen aus finanziellen Gründen, so wie Dionisio aus Beggen, der mit seiner Frau da ist: „Das Leben ist einfach sehr teuer und das hier ist für uns eine Möglichkeit, Geld zu sparen.“ Nach einem Unfall war der 65-Jährige während zwei Jahren krankgeschrieben, verlor dann seine Arbeit und lebt mit seiner dreiköpfigen Familie nun von einer kleinen Rente. Fast jeden Mittwoch nimmt er am Ende des „Distribution Day“ mit, was übrig geblieben ist, und teilt es mit anderen Familienmitgliedern. „Viele werden auch vom Sozialamt zu uns geschickt“, sagt Feipel. 

Aber ganz gleich aus welchem Grund, die Menschen zur Verteilaktion kommen, im Kulturzentrum „am Duerf“ werden sie herzlich von Annick Feipel, Marta Cesarska und den anderen Freiwilligen begrüßt. Man kennt sich, es wird gelacht und geredet. „Ich mag ganz gerne Feldsalat. Letztens hat eine Frau mir dann ein Rezept gegeben, um damit Suppe zu kochen“, erzählt Annick Feipel begeistert. Man merkt, wie viel Freude der Austausch mit den Menschen ihr bereitet. Und so verlassen viele das Kulturzentrum in Junglinster nicht nur mit prall gefüllten Tüten, sondern oft auch mit einem guten Gefühl. 

Mitmachen

Es gibt viele Arten, um bei „Foodsharing Luxembourg“ aktiv zu werden: So kann man sich als freiwilliger Helfer bei der Organisation von Veranstaltungen einbringen oder als sogenannter „Foodsaver“ Lebensmittel bei den Partnern von „Foodsharing Luxembourg“ abholen. Unter www.foodsharing.lu und bei Informationsveranstaltungen kann man sich darüber informieren. Wer kostenlose Lebensmittel abholen will, kann das diese Woche noch am Freitagabend von 20 bis 21 Uhr unter der Adresse 3, rue de l’Ecole in Dahlem/Garnich machen oder am Samstagmorgen zwischen 10 und 12 Uhr zum „Distribution Day“ in Düdelingen gehen – im „Briller Schapp“ in der rue Emile Mayrisch.