Montag3. November 2025

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CoronaBegleitet von Zweifeln und Sorgen öffnet sich Italien, um die Tourismussaison zu retten

Corona / Begleitet von Zweifeln und Sorgen öffnet sich Italien, um die Tourismussaison zu retten
Cesenatico an der Adriaküste: Die Vorbereitungen laufen, doch zu einer halbwegs normalen Sommersaison ist es noch ein steiniger Weg Foto: AFP/Vincenzo Pinto

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Mit der Phase 2b will Italien die Gesellschaft weiter nach der Corona-Pandemie öffnen. Vor allem im Gastronomie- und Tourismusbereich sollen Erweiterungen zugelassen werden. Der wichtige Wirtschaftszweig bringt mehr als 13 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Die Öffnungen sind jedoch nicht unumstritten – und werfen Fragen auf.

Busse und Bahnen füllten sich stärker an diesem Montagmorgen als in den Wochen zuvor. Millionen Menschen konnten an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. In Abstimmung mit den meisten Regionen hat die Regierung Giuseppe Contes die Phase 2b einer Rückkehr ins normale Leben eingeleitet. Die steigende Zahl der Genesenden, weniger Neuinfizierte und ein Sinken der Sterberate hatten schließlich diesen Schritt erlaubt. Conte stand unter erheblichem Druck der Wirtschaft, vor allem aus dem von Covid-19 stark betroffenen Industrieregionen des Nordens kamen Forderungen, die Betriebe wieder in Gang zu setzen.

Aus dem ganzen Land meldete sich die Touristikbranche. Sie befürchtete vor allem einen dramatischen Einbruch wegen ausbleibender Gäste in der bevorstehenden Sommersaison. 4,3 Millionen Italiener sind in dem Metier beschäftigt, mit 200 Milliarden Euro tragen Tourismus und Gastronomie ganz erheblich zum Bruttoinlandsprodukt des Landes bei.

Die Regierung um Giuseppe Conte ist sich bewusst, dass die restriktiven Maßnahmen nicht auf Dauer durchzuhalten sind. Italiens Wirtschaft war bereits vor der Corona-Krise in nicht sehr stabilem Zustand. Lange hat es gedauert, bis sich das Land von der Finanzkrise 2008/09 erholt hatte. Die Staatsverschuldung, bislang bei 131 Prozent des Bruttoinlandproduktes, hat sich auf fast 150 Prozent hochgeschaukelt. Woher also will die Regierung all die Unterstützungsgelder nehmen, die Unternehmen wie Einzelpersonen als Hilfe versprochen wurden?

Offene Bars für bessere Stimmung

Mit der Öffnung könnte das Problem gemildert werden, hofft die römische Administration. Nicht nur die Unternehmer, auch die Gesamtbevölkerung zeigt sich angesichts der anhaltenden Pandemie zunehmend beunruhigt. Auch in dieser Hinsicht dient die Öffnung – Bars, Restaurants und Fitnessstudios zu besuchen – als Ventil für sich anstauende Unruhe unter den Bürgern. Die Situation verstärkt sich mit zunehmenden Diskussionen zwischen den Regierungsparteien und jenen Kräften der Opposition.

Mit dem 18. Mai ist nun die Option gegeben, sich frei in der Region zu bewegen, in der man seinen gewöhnlichen Wohnsitz hat. Aus dringenden Gründen – Arbeit, Gesundheit oder ein dringendes Aufsuchen eines Zweitwohnsitzes – dürfen mit einer Selbsterklärung, die Auskunft über den Gesundheitszustand und den Grund der Reise gibt, auch die Regionalgrenzen überschritten werden. Ab dem 3. Juni, so sieht es das neue Dekret vor, sollen auch die Regionalgrenzen ohne Zertifikat überschritten werden können. Gleichzeitig will Rom dann die nationalen Grenzen für die Einreise aus den Schengen-Staaten wieder öffnen. Sowohl italienische als auch europäische Urlauber dürften im Sommer wieder in Italien die beliebten Reiseziele ansteuern.

Zur selben Zeit dürfen Hotels, Bed-and-Breakfasts sowie Agritourismusbetriebe wieder ihre Pforten für Gäste öffnen. Allerdings unter strengen Auflagen. So muss in allen Restaurationsbetrieben ein Mindestabstand zwischen den Gästen von einem Meter garantiert sein. Dieselbe soziale Distanz gilt in allen öffentlichen Einrichtungen. In geschlossenen öffentlichen Räumen gilt nach wie vor die Maskenpflicht, ebenso wie in Verkehrsmitteln. 

Zimmer und Ferienwohnungen müssen nach Verlassen der Gäste komplett desinfiziert werden. Ebenso müssen gastronomische Einrichtungen, Sporthallen, Verkehrsmittel und Büroräume mit Publikumsverkehr regelmäßig gereinigt und desinfiziert werden. Restaurant- und auch Strandbesuche sind nur mit vorheriger Anmeldung möglich, Telefonnummern und Adressen der Gäste werden bei Betreten aufgenommen und für mindestens 14 Tage gespeichert.

„Reichen Euch die Hunderten von Toten nicht?“

Personen, die Anzeichen von Erkältungskrankheiten oder Covid-19-Symptome haben sowie die eine Körpertemperatur über 37,5 Grad Celsius haben, müssen in ihren eigenen Wohnungen verbleiben. Älteren ist angeraten, nach wie vor den eigenen Haushalt nicht zu verlassen. Von Bewegungserleichterung kann geredet werden, von Bewegungsfreiheit jedoch noch nicht. Einige Regionen, wie Piemont und Kampanien, setzen die Öffnung aus, ebenso die Lagunenstadt Venedig. Sardinien gestattet nach wie vor keine Einreise von außerhalb, Bewohner, die vom Festland kommen, müssen sich einer Quarantäne von zwei Wochen unterziehen.

Wann den jetzigen Lockerungen weitere folgen, ist bislang nicht abzusehen. Sollten sich die Infektionszahlen wieder deutlich erhöhen, kann auch mit einer Rücknahme der jetzt beschlossenen Maßnahmen gerechnet werden. Ein  anderes Problem ergibt sich  aus den Hygieneauflagen. Sowohl die Versorgung mit Gesichtsmasken wie mit Desinfektionsmitteln konnte zu Beginn der Epidemie im Lande nicht gewährleistet werden. Wie bei einem schnellen Gästewechsel Hotelzimmer oder Ferienwohnung komplett gereinigt und desinfiziert werden sollen, bleibt das Geheimnis der Betreiber, das Restrisiko scheint doch ein hohes zu sein. Infiziert sich nur ein Gast, muss der Betrieb sofort schließen – geruhsamer Urlaub sieht dann doch anders aus.

Die kommenden Wochen werden zeigen, welchen Erfolg oder Misserfolg die Öffnung zeitigt. Bereits zu Wochenbeginn zeigte sich der Bürgermeister von Bergamo, Giorgio Gori, erzürnt über die Sorglosigkeit seiner Mitbürger: Mit der Öffnung waren Hunderte ins Stadtzentrum geströmt, teils ohne Maske, teils mit leger heruntergelassenem Gesichtsschutz. Er verstehe, dass man seinen Aperitif nicht mit Maske trinken könne, doch nachher seien Schutz und Abstand wieder Pflicht. „Reichen Euch die Hunderten von Toten nicht?“, fragte der Erste Bürger der lombardischen Stadt erzürnt. Italiens Wiedereröffnung wird sich nicht einfach vollziehen. Auch Premier Conte warnte: Vor uns liegen noch schwere und anstrengende Zeiten!