WettbewerbshüterBauwesen: Kritik am System der öffentlichen Ausschreibungen

Wettbewerbshüter / Bauwesen: Kritik am System der öffentlichen Ausschreibungen
Vor allem für kleine und mittlere Unternehmen sehen die Luxemburger Wettbewerbshüter hohe Hürden, wenn es darum geht, sich für öffentliche Aufträge zu bewerben Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Jedes Jahr vergibt der Luxemburger Staat mittels öffentlicher Ausschreibungen Bauaufträge im Wert von mehreren Milliarden Euro an den Privatsektor. Die Art und Weise, wie diese Aufträge vergeben werden, ist jedoch verbesserungsfähig. Das geht aus einem Bericht der Luxemburger Wettbewerbsbehörde hervor.

Öffentliche Ausschreibungen sind für den Staat ein wesentlicher Faktor, wenn es um das ordentliche Handhaben von Steuergeldern geht. Der Wettbewerb der Unternehmen um das Ergattern eines Auftrags soll dem Staat das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bringen.

Um zu überprüfen, ob das System der Ausschreibungen seine Ziele erreicht, hat der „Conseil de la concurrence“, nun eine Untersuchung durchgeführt. Geprüft wurde, ob die Funktionsweise der öffentlichen Beschaffungsmärkte eine effiziente und nicht diskriminierende Teilnahme an dem Wettbewerb ermöglicht.

Es geht um sehr viel Geld. Laut Berechnungen der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) stehen die öffentlichen Ausschreibungen im Schnitt für etwa 12 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) der Länder und für etwa 29 Prozent der jährlichen öffentlichen Ausgaben. In Luxemburg wären das mehr als sechs Milliarden Euro pro Jahr.

Zwei Ziele werden nicht erreicht

Im Fokus der Untersuchung durch die Behörde standen vor allem die Ausschreibungen für öffentliche Bauprojekte. Hintergrund ist, dass diese fast 70 Prozent der öffentlichen Aufträge ausmachen.
Doch das Ergebnis der Untersuchung ist durchwachsen. Zwar sorge das System allgemein für einen zufriedenstellenden Wettbewerb, schreiben die Wettbewerbshüter in ihrer Schlussfolgerung. Doch scheinen zwei Ziele nicht erreicht zu werden. Das erste betrifft den Zugang zum Markt der öffentlichen Ausschreibungen – das zweite die Förderung von nicht-finanziellen Vergabekriterien.

Damit die Auftraggeber zwischen möglichst vielen Angeboten auswählen können, müssen sich möglichst viele bewerben können, so die Wettbewerbshüter. Doch vor allem kleinen und mittleren Unternehmen werde der Zugang zu den Aufträgen nicht einfach gemacht. Das liege unter anderem an einem „Regelungslabyrinth“, das kaum geeignet sei, um den Wettbewerb zu fördern. Nicht jedes Unternehmen verfüge über einen eigenen Experten in diesem Bereich.

Zuletzt seien die Vorschriften zudem nicht einfacher, sondern komplexer geworden, beklagt der „Conseil de la concurrence“ weiter. Das betreffende Gesetz vom 8. April 2018 umfasse fünf Bücher, 163 Artikel und acht Anhänge – seine Durchführungsverordnung zähle 272 Artikel und 18 Anhänge. Selbst große Bauunternehmen haben manchmal Schwierigkeiten, die Arbeitsbelastung (von Bewerbungen) zu stemmen, ist der Studie zu entnehmen.

Hindernisse für kleine und mittlere Unternehmen

Hinzu komme, dass Klauseln zu Mindesterfordernissen, die Bewerber erfüllen müssen, ebenfalls vor allem für kleine und mittlere Unternehmen ein Hindernis für eine Beteiligung an den Ausschreibungen darstellen, bemängelt die Aufsichtsbehörde. Satte 89 Prozent der öffentlichen Auftraggeber würden wenigstens eine Mindestbedingung verlangen. Meist geht es um die Anzahl der Beschäftigten. Fordert der Auftraggeber jedoch, dass der Bewerber mindestens zehn Mitarbeiter beschäftigt, dann seien sofort geschätzte 84 Prozent der Firmen vom Markt ausgeschlossen, so die Wettbewerbshüter. Ähnlich verhalte es sich bei der Forderung nach einem Mindestumsatz der Bewerber.

In manchen Fällen würden solche Kriterien Sinn ergeben, in anderen weniger, so die Studie. Sie empfiehlt somit neben mehr Vereinfachung durch Standardisierung auch eine Überarbeitung der Berechnung der Mindestbedingungen.

Das zweite Ziel, das nicht erreicht wird, ist die Vergabe von Aufträgen nach nicht-finanziellen Kriterien. Auch wenn die Regierung die wichtige Rolle der öffentlichen Ausschreibungen betont, wenn es um die Förderung von Umweltschutz oder Kreislaufwirtschaft geht, so stellen die Wettbewerbshüter in ihrer Studie doch fest, dass die Wahl des Gewinners fast immer allein über das Kriterium des Preises zustande kommt: In 98 Prozent aller Fälle vergibt der öffentliche Auftraggeber den Auftrag an das „wirtschaftlich günstigste Angebot“, das auf der Grundlage des Preises und des Preis-Leistungs-Verhältnisses ermittelt wird.

Der Preis als einziges Auswahlkriterium

Da der Wettbewerb in diesem Fall ausschließlich über den Preis geführt wird, konzentrieren sich die Unternehmen jeweils auf die Herstellung eines kostengünstigen Angebots, warnt der Wettbewerbsrat. Das könne zulasten der Qualität gehen.

Dennoch zeigt die Behörde Verständnis für dieses Vorgehen: Die angebliche oder tatsächliche Subjektivität von alternativen Kriterien könne von den unterlegenen Bietern genutzt werden, um vor dem Verwaltungsgericht zu klagen. Es sei daher logisch, dass die öffentlichen Auftraggeber die Vergabe allein auf der Grundlage des Preises befürworten.

Die Studie weist aber auch darauf hin, dass das Einbeziehen anderer Kriterien auch wünschenswert wäre. Um dies zu fördern, habe die Europäische Kommission beispielsweise eine Initiative für ein umweltfreundliches öffentliches Beschaffungswesen mit klaren und überprüfbaren Umweltkriterien erstellt, schreibt sie.

Um zu den Resultaten zu gelangen, hat der Wettbewerbsrat erst eine statistische Untersuchung des Bausektors und der öffentlichen Bauaufträge vorgenommen. Diese Zahlen wurden durch eine Analyse von öffentlichen Bauaufträgen, die auf dem betreffenden Internet-Portal veröffentlicht wurden, ergänzt. Hinzu kamen Umfragen bei einer Stichprobe von 25 Akteuren des Baugewerbes und bei der öffentlichen Hand.

Der Bausektor

Der Bausektor derweil ist eine tragende Säule der luxemburgischen Wirtschaft, schreiben die Wettbewerbshüter in dem Bericht. Die Branche werde angetrieben von der demografischen Entwicklung, der Dynamik bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Stärke der öffentlichen Einnahmen. Nach jahrzehntelangem stetigem Wachstum erzielte der Sektor 2018 einen Umsatz von 8,61 Milliarden Euro und beschäftigte fast 47.000 Menschen; das ist in etwa jeder zehnte Arbeitsplatz.