Samstag15. November 2025

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Blockade statt FortschrittAustralien gegen Türkei: Wie der Streit um COP31 die Klimaverhandlungen lähmt

Blockade statt Fortschritt / Australien gegen Türkei: Wie der Streit um COP31 die Klimaverhandlungen lähmt
Ein türkischer Kalligrafie-Künstler bei der COP in Brasilien Foto: AFP/Mauro Pimentel

Auf der COP30 konkurrieren Australien und die Türkei um die Austragung der nächsten Weltklimakonferenz – und riskieren damit ein diplomatisches Chaos, das Bonn zur Notlösung machen würde. Dabei wäre eine COP im Pazifik für viele Inselstaaten lebensentscheidend.

Die Schlange für australischen Kaffee windet sich träge durch den Kongressraum im schwülwarmen Belém. Nur wenige Schritte daneben warten Delegierte geduldig auf türkischen Tee. Jemand bei den Vereinten Nationen muss Humor haben, denn die benachbarten Werbestände ausgerechnet dieser beiden Länder sind in Brasilien zur unfreiwilligen Bühne eines diplomatischen Dauerstreits geworden.

Hier, zwischen Kaffee- und Teearoma, ringt die Weltgemeinschaft um die Frage, wer die Klimakonferenz COP31 im kommenden Jahr ausrichten darf – Australien oder die Türkei. Wenn sich die beiden Bewerber nicht einigen, fällt die Wahl automatisch auf: Bonn. Und die Bundesregierung hat eines sehr deutlich gemacht: Sie will nicht.

Gemäß den Regeln der Weltklimakonferenz muss die regionale Staatengruppe – in diesem Fall 28 Nationen – einstimmig über den Gastgeber entscheiden. Genau diese Einstimmigkeit scheint in weiter Ferne.

Australiens Bewerbung, unterstützt von nahezu allen Staaten der Gruppe, setzt auf eine gemeinsame Ausrichtung mit den pazifischen Inselstaaten in Adelaide. Australiens Premierminister Anthony Albanese schrieb sogar persönlich an den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, bot an, die Präsidentschaft zu teilen – vergeblich. Ankara weigert sich, seine Bewerbung für Antalya zurückzuziehen.

Für Deutschland wäre eine Nichteinigung der „Worst Case“. Bonn, Sitz des UN-Klimasekretariats, würde automatisch zum Austragungsort der COP31. Zehntausende Delegierte, ein logistischer Kraftakt in weniger als zwölf Monaten – in Berlin herrscht Alarmstimmung. „Um Himmels willen, einigt euch zwischen Australien und der Türkei“, mahnte Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth (SPD) in Belém, „damit diese technische Lösung nicht zum Zuge kommt.“ 

Adelaide versus Antalya

Die Türkei wirbt mit ihrer Mittelmeer-Lage, die angeblich Flugemissionen reduzieren würde, und mit einer kleineren Öl- und Gasindustrie im Vergleich zu Australien. Sie stilisiert sich als Brücke zwischen Industrie- und Schwellenländern. Die Regierung hofft, mit der COP die eigene internationale Rolle aufzuwerten und innenpolitische Klimareformen zu beschleunigen. Australien wiederum setzt auf eine andere Karte: auf die Pazifikstaaten. Für sie, sagt der australische Klimaschutz-Staatssekretär Josh Wilson, sei der Klimawandel „nicht ein Thema unter vielen für schrittweise Verhandlungen, sondern eine gegenwärtige und existenzielle Bedrohung. Das ist eine Botschaft, die die Welt hören muss.“ Canberra möchte die COP deshalb gemeinsam mit den besonders verwundbaren Inseln ausrichten – als politisches Signal und als Bühne für ihre Anliegen.

Während Brasilien als diesjähriger Gastgeber mühsam versucht, die eigentlichen inhaltlichen Verhandlungen in der zweiten Woche der Konferenz vorzubereiten, wächst die Ungeduld. Der Streit droht, wertvolle Zeit zu verschlingen. „Crunch Time“, nannte es Palaus Präsident Surangel Whipps Jr. gegenüber der ABC. Seine Hoffnung, ein persönlicher Vorstoß Albaneses könne „die Türkei über die Ziellinie bringen“, hat sich bisher nicht erfüllt.

Die Bedeutung dieses neuen Plans liegt darin, zu zeigen, dass 100 Prozent erneuerbare Energien jetzt machbar sind

Die Forscher Wesley Morgan und Scott Hamilton wollen die Pazifikstaaten vollständig mit erneuerbaren Energien betreiben

Die renommierte französische Ökonomin und Diplomatin Laurence Tubiana mahnt, der Austragungsort allein dürfe nicht im Mittelpunkt stehen: „Wo auch immer die COP31 stattfindet, der Gastgeber muss ein starkes und glaubwürdiges Engagement für den Klimaschutz demonstrieren.“ Kritiker betonen jedoch, dass beide Bewerber in Sachen Klimaglaubwürdigkeit problematisch sind: Die Türkei ist eng verflochten mit Russland und Saudi-Arabien, zwei Staaten, die in der Vergangenheit Fortschritte bei Klimamaßnahmen immer wieder behindert haben. Australien gilt zwar als „guter Partner“ für multilaterale Klimaziele, ist gleichzeitig aber der weltweit größte Kohleexporteur, einer der größten Gasexporteure und zählt zu den Ländern mit den höchsten Pro-Kopf-Emissionen weltweit.

So urteilt Catherine Abreu vom International Climate Politics Hub: „In dem pseudo-dramatischen Kräftemessen“ zwischen den beiden potenziellen Gastgebern fehle bislang „eine sinnvolle Diskussion“ darüber, wie die jeweiligen Länder ihre Präsidentschaft der Klimaverhandlungen nutzen wollen, um den Klimaschutz im eigenen Land oder weltweit zu beschleunigen, wie sie in einem Kommentar schreibt. „Die Dramatik scheint fehl am Platz.“

„Existenzielle Frage“

Während die Diplomaten zwischen Tee und Kaffee verhandeln, geht es für die Pazifikstaaten um existenzielle Fragen. Der Meeresspiegel steigt, Korallen sterben, Dörfer müssen umgesiedelt werden. „Die Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 °C ist entscheidend für tief liegende Atollnationen“, schreiben die Forscher Wesley Morgan und Scott Hamilton. In Tuvalu etwa beteiligen sich Familien bereits an Lotterien, um nach Australien umzusiedeln.

Und dennoch: Die Pazifikstaaten wollen nicht nur appellieren – sie wollen vorangehen. Auf den Salomonen gleitet ein Fischer mit einem Elektromotor heimwärts, auf den Cookinseln stabilisieren Batteriespeicher das Netz, in Papua-Neuguinea bringen Solaranlagen Licht in abgelegene Häuser. Ihr Ziel: die erste Region der Welt, die vollständig mit erneuerbaren Energien betrieben wird. „Die Bedeutung dieses neuen Plans liegt darin, zu zeigen, dass 100 Prozent erneuerbare Energien jetzt machbar sind“, schreiben Morgan und Hamilton.

Vanuatus Klima- und Energieminister Ralph Regenvanu formuliert es noch deutlicher: „Wenn wir den raschen Übergang unserer Energiesysteme auf den pazifischen Inseln schaffen können, kann dies ein Leuchtfeuer für den Rest der Welt sein. Unser Überleben hängt davon ab.“