In den letzten Tagen hat die chinesische Marine in den Gewässern zwischen Australien und Neuseeland gleich zwei Militärübungen mit scharfer Munition abgehalten. Beide Länder reagierten darauf irritiert bis nervös, vor allem weil die Schiffe mit leistungsstarken Waffen ausgerüstet waren. Von dort, wo die kleine „Flottille“ vor ein paar Tagen gelegen habe, „hätte sie theoretisch Canberra und Sydney in weniger als einer Stunde zerstören können“, schrieb ein Kommentator auf dem Nachrichtenportal News.com.au.
Die Schiffe bewegten sich entlang der Ostküste Australiens, hielten ihre Übungen aber in internationalen Gewässern ab und brachen damit zu keiner Zeit internationales Recht. Zunächst hieß es noch, die australischen Streitkräfte hätten eine Warnung erhalten, dass die chinesische Marine eine Übung in der Tasmansee durchführen werde. Doch im Nachhinein bestätigten sie, dass sie durch eine Warnung der Luftfahrtbehörden davon erfuhren. Ein Pilot hatte dort über die Übung mit scharfer Munition berichtet. Fast 50 Flüge mussten recht spontan umgeleitet werden. Am Tag danach hielten die chinesischen Schiffe dann erneut eine Übung in der Region ab.
Uralte Kriegstaktik
„Auch wenn die australische Regierung den Vorfall heruntergespielt hat, war die Art und Weise, in der die Übungen durchgeführt wurden – nämlich ohne direkte oder ausreichend lange Vorankündigung an Canberra – provokativ“, sagte Elena Collinson, eine Chinaexpertin am Australia-China Relations Institute an der University of Technology in Sydney. Hugh White, emeritierter Professor für Strategische Studien an der Australian National University (ANU) in Canberra, findet dagegen, dass sein Land „überhaupt keinen Grund“ habe, Einwände gegen die chinesischen Marineaktivitäten in der Tasmansee zu erheben. „Wenn China Einwände gegen US-Marineaktivitäten in der Nähe Chinas erhebt, antworten die USA: ‚Amerika wird fliegen, segeln und operieren, wo immer es das Völkerrecht erlaubt‘.“ Und Australien stimme dem zu. China habe nichts anderes getan.
Die Tatsache, dass diese Aktivitäten die Australier so beunruhigten, zeige, wie weit „wir noch davon entfernt sind, die Realität zu akzeptieren, dass China mittlerweile eine moderne Seemacht ist und der Westpazifik kein amerikanisches Gewässer mehr“, so White. Zweifellos bestehe ein strategischer Zweck der chinesischen Manöver darin, Ländern wie Australien diese Realität zu vermitteln. Der Hauptpunkt, den Peking mache, sei sowohl politischer als auch militärischer Natur, hieß es auch im Kommentar des Nachrichtenportals News.com.au. „Dieser Punkt ist leicht zu verstehen: Tu, was wir sagen, oder du wirst vernichtet. Auch die Art der Botschaft ist klar. Raus aus der Taiwanstraße, oder wir besetzen die Tasmanstraße.“ Das sei eine uralte Kriegstaktik, die als „Kanonenbootdiplomatie“ bekannt ist.
Testet China die US-Verbündeten?
Was auch immer die Aktionen Pekings zeigen oder beweisen sollten – so erreichten sie zumindest eines: Sie lösten in Australien eine Debatte darüber aus, ob der US-amerikanische Verbündete unter der neuen Regierung von Donald Trump dem Land im Ernstfall tatsächlich zu Hilfe kommen würde. In einer Fernsehsendung beim Sender ABC dazu befragt, versicherte Premierminister Anthony Albanese, dass er davon „überzeugt“ sei, dass die USA Australien trotz des Führungswechsels in Washington verteidigen würden, sollte es angegriffen werden. Gleichzeitig betonte er aber auch, Australien müsse sich um seine eigene Sicherheit kümmern und werde seine eigenen außenpolitischen Entscheidungen treffen – einschließlich der Unterstützung für die Ukraine.
Vonseiten der Opposition hieß es beim selben Sender, das australische Volk müsse erkennen, „dass wir in einer neuen Welt leben“. „Es ist eine gefährlichere Welt und wir müssen uns selbst verteidigen können“, sagte der liberalkonservative Politiker Andrew Hastie. „Die Lektion aus der Ukraine, die Lektion aus dem 7. Oktober ist, dass man auf eigenen Beinen stehen muss.“ China durchlebe die größte militärische Aufrüstung in Friedenszeiten seit 1945 und versuche, eine „starke Botschaft“ zu senden, dass es eine „Weltmacht“ sei. Hastie sagte auch, dass er glaube, China teste „die US-Verbündeten, während Donald Trump die Beziehungen in Europa neu ausrichtet“.
Zweifel trotz enger Bande
Australien gilt als einer der engsten Verbündeten der USA: Mit Aukus haben die Länder gemeinsam mit Großbritannien einen Sicherheitspakt geschlossen, auch im sogenannten Quad, in dem sich Australien, Indien, Japan und die USA austauschen, ist man verbandelt, ebenso wie in den „Five Eyes“, ein Zusammenschluss der Nachrichtendienste Australiens, Neuseelands, Großbritanniens, Kanadas und der USA. Es besteht zudem ein offizielles Schriftstück, die Anzus-Allianz, ein Abkommen, in dem sich Australien, Neuseeland und die USA seit 1951 gegenseitige militärische Unterstützung im Angriffsfall zusichern. „Aber wenn man sich an der Behandlung unserer strategischen Cousins in Kanada orientiert, bietet dieser Pakt keine Sicherheit“, schrieb John Blaxland, Professor für internationale Sicherheits- und Geheimdienststudien an der ANU, vergangene Woche in einem Stück für die australische Ausgabe von The Guardian.
Das Einzige, das Australien in seinen Augen zugute komme, sei die strategisch günstige Position des Kontinents. Immerhin würden die USA den Inselstaat vielfach für sich nutzen: Blaxland zählte das militärische Überwachungszentrum Pine Gap auf, das die USA gemeinsam mit Australien im Outback betreiben. Auch am Luftwaffenstützpunkt Tindal im Nordterritorium sind die Amerikaner vor Ort, in Darwin sind US-amerikanische Soldaten stationiert und Perth wird regelmäßig von der US-amerikanischen Marine und ihren U-Booten angesteuert. Doch unter einem Präsidenten, der das Motto „America First“ verfolge, dürfte „der Preis für die amerikanische Hilfe für Australien viel höher sein, als wir uns je vorgestellt haben“, hieß es im Kommentar bei News.com.au.
Laut Blaxlands Kollegen Donald Rothwell, Professor für internationales Recht an der ANU, müssen die Australier künftig häufiger mit derartigen Vorfällen rechnen. „Angesichts der zunehmenden Zusammenarbeit zwischen China und einigen pazifischen Inselstaaten wie den Cookinseln und den Salomonen ist zu erwarten, dass die chinesische Marine die Region häufiger besuchen wird“, kommentierte er. Mit den Salomonen hat Peking ein Sicherheitsabkommen geschlossen, mit den Cookinseln – einem selbst verwalteten Territorium in freier Assoziierung mit Neuseeland – eine umfassende strategische Partnerschaft.
De Maart
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