EditorialAußer Spesen nichts gewesen? Die Bilanz von Esch2022 

Editorial / Außer Spesen nichts gewesen? Die Bilanz von Esch2022 
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Wenig überraschend fiel die Bilanz positiv aus: Unterm Strich sei die Kulturhauptstadt Esch2022 ein Erfolg gewesen. Vieles sei vielversprechend für die Zukunft. Trotz der Folgen der Covid-Pandemie und Einschränkungen bei der Planung habe man ein Projekt durchgezogen, das die Region nachhaltig aufwerte. Mit viel Zahlenwerk wurde versucht, diese These zu belegen: 1.789 beteiligte Künstler, 3.200 kulturelle Aktivitäten und 512.000 Besucher, vor allem aus Luxemburg (60 Prozent) und Frankreich (27 Prozent). 

Trotzdem wird man im Gespräch mit den Menschen im Süden den Eindruck nicht los, als sei Esch2022 ziemlich komplett an ihnen vorbeigezogen. Das mag an der Dezentralisierung des Kulturjahres in 19 Gemeinden des Südens und der französischen Grenzregion gelegen haben. Oder an einer mangelhaften Transparenz der Programmierung. Oder an der Programmierung selbst. Der Vorwurf ist nicht neu. Eigentlich begann alles schon mit den geräuschvollen politischen Machtspielen um den Direktorenposten. Zu wenig lokale Kultur, zu viele eingekaufte Events ohne wirklichen Bezug zur DNA des Luxemburger Südens. Paradebeispiele hierfür sind die „Francofolies“ oder aber die „Nuit de la culture“. Letztere kam zu Beginn gut an, doch die ständige Wiederholung des immergleichen Konzepts ist inzwischen ermüdend. Nachhaltig sind beide Events jedenfalls nicht.

Die wenigen lokal fest verankerten Veranstaltungen wie zum Beispiel die Kavalkade in Petingen, das Eurofestival in Schifflingen oder aber die Literaturwochen in Bettemburg hätten auch ohne Esch2022-Label viel Publikum angezogen. Immerhin freuten sich die Organisatoren über die außerordentlichen Zuschüsse. Und immerhin wurde hier auch die Vereinswelt mit einbezogen. 

Die Geschäftsleute und Gastronomen zeigten sich ebenfalls enttäuscht, sie hatten sich mehr erhofft. Doch auch an ihnen lief Esch2022 mehr oder weniger spurlos vorbei, jedenfalls verpuffte die E22-Initiative „Culture meets Shopping Tours“ vollends. Und die Restaurants und Cafés im Zentrum von Esch profitierten lediglich zweimal so richtig von Esch2022: am Tag der Eröffnung und beim Boy-George-Konzert im Rahmen der Luxembourg Pride.

Ob Esch und der Süden es durch das Kulturjahr wirklich auf die internationale Karte des Tourismus schafften, bleibt abzuwarten. Die meisten Übernachtungsmöglichkeiten des Minett-Trails werden erst jetzt eingeweiht. Esch2022-Besucher konnten bis auf wenige Ausnahmen nicht von ihnen profitieren. Das „Urban Time Travel“ in Belval scheint sich auch nicht bewährt zu haben, können es momentan doch lediglich Gruppen buchen. In anderen Worten: Eine regelmäßige Attraktion für Touristen ist die virtuelle Zeitreise nicht. 

Außer Spesen also nichts gewesen? Nicht ganz, Esch hat nun das Kulturzentrum Ariston, das Bridderhaus, das Bâtiment4 oder die Konschthal. Wie diese Häuser in Zukunft mit Leben gefüllt werden sollen, ist eine spannende Frage. Genau wie die nach ihrer Finanzierung.

Irma
28. Mai 2023 - 11.31

Déi Schwaarz déi 'kucken emol' alles, mä et gëtt ni eppes gemaach, wielt déi Hirniën endlech of.

dmp
27. Mai 2023 - 11.19

Nun, eine kulturelle Zukunftsaussicht für den Süden des Landes war ja nicht das ausschließliche Ziel von Esch2022, sondern diesen Teil Luxemburgs international auf die Kulturagenda zu setzen und dabei „viele“ kulturbegeisterte Gäste anzulocken. Der Titel Kulturhauptstadt, der von der EU jährlich verleihen wird, hat folgenden Zweck: „Die Benennung soll dazu beitragen, den Reichtum, die Vielfalt und die Gemeinsamkeiten des kulturellen Erbes in Europa herauszustellen und ein besseres Verständnis der Bürger Europas füreinander zu ermöglichen.“ Es darf schon bezweifelt werden, dass Esch2022 tatsächlich einheimische Besucher in erheblicher Anzahl angelockt hätte. International jedoch ist Esch2022 völlig untergegangen und wird kaum jemandem in Europa in bleibender Erinnerung bleiben, sofern überhaupt Menschen davon wirklich Kenntnis hatten. Ein „besseres Verständnis der Bürger Europas füreinander” wurde von Esch2022 mangels vernünftiger PR und mangels Präsentation und Vorzeigen „echter“ luxemburgischen Kultur wohl kaum ermöglicht. Der Hinweis auf „künftige“ kulturelle Center ist wohlfeil. Erstens wird dies auch kaum Beuscher aus dem Ausland anziehen, zumindest nicht auf absehbare Zeit. Zweitens sind einige Projekte noch mit großen Fragezeichen versehen ob deren Realisierung oder aber deren Impakt auf eine kulturelle Bedeutsamkeit des Luxemburger Südens. Man wird das Gefühl nicht los, dass seitens der Esch2022-Verantwortlichen auf Teufel komm aus schöngerechnet wird. Ob so das kollektive Versagen übertüncht werden kann, dürfte fraglich sein. Was fehlt ist eine „unabhängige“ Evaluation resp. Analyse von Esch2022. Diese dürfte allerdings niederschmetternd ausfallen …

Johnny
26. Mai 2023 - 18.37

Ween huet dei Statistik gemach? Dei Leit wou Steiergelder ausginn hun an natierlech alles gutt fannen (mussen)?