Europäische Schule MondorfAus der Perspektive der Kinder gedacht 

Europäische Schule Mondorf / Aus der Perspektive der Kinder gedacht 
 Foto: Editpress/Julien Garroy

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Sie sind gut gerüstet für Krisen und Lockdowns. Während andernorts das Home-Schooling Eltern, Lehrern und Schülern große Umstellungen abverlangt hat, haben die Schüler der „Ecole internationale Mondorf-les-Bains“ (EIMLB) diese Zeit gut überstanden. Das pädagogische Konzept der Schule basiert darauf, den Schülern selbstständiges Arbeiten beizubringen.

Camille Weyrich (45) ist jemand, der etwas bewegen will. Einer, der seine Lehrertätigkeit angetreten ist, um den Kurs des „schweren Tankers“ Bildungssystem um andere Koordinaten zu bereichern. 16 Jahre lang bringt er am „Lycée technique pour professions de santé“ in der Hauptstadt angehenden Krankenschwestern und -pflegern Deutsch bei.

Als die Gründung einer akkreditierten europäischen Schule am Standort Mondorf ansteht, übernimmt er deren Leitung. Das war vor drei Jahren. Es ist nach seinem Geschmack, er hat die Möglichkeit, bei null anzufangen, muss nicht mit überkommenen Traditionen kämpfen. In Mondorf ist anfangs nichts normal oder selbstverständlich.

Die Schule muss aufgebaut werden, ist auch nach drei Jahren mit mittlerweile 15 Klassen immer noch in Containern untergebracht und hat aktuell rund 300 Schüler im Primaire- und Secondaire-Bereich. Sorgen, dass es Probleme beim „Bac“ durch Covid-19 geben könnte, muss sich Weyrich nicht machen. Noch nicht. Es gibt noch keine Abiturienten.

Europaweit anerkannte Abschlüsse 

Er lebt das Provisorium und ist überzeugt, dass die an der route de Burmerange praktizierte Interkulturalität und Flexibilität selbstständige junge Menschen ins Erwachsenenleben entlassen. Die Schule entspricht dem europäischen Gedanken der Integration und Mobilität. Alle Schüler können jederzeit an eine andere europäische Schule im europäischen Ausland wechseln oder einen längerfristigen Austausch antreten.

Ihre Abschlüsse sind europaweit anerkannt. „Unsere Schule entspricht der sprachlichen Realität vieler Familien in Luxemburg“, sagt Direktor Weyrich. Grundschüler können dort in Deutsch, Französisch oder Englisch Lesen und Schreiben lernen und werden danach in diesen Sprachen unterrichtet. „Die Präferenz, Erstklässler unbedingt in Deutsch zu alphabetisieren, ist in Luxemburg heute nicht immer ideal“, sagt er.

Damit bezieht er sich auf eine schon länger immer wieder vorgebrachte Kritik am luxemburgischen Bildungssystem. Er hat seine eigenen Erfahrungen damit. Als Lehrer stellt der heutige EIMLB-Direktor in 16 Jahren vor Schulklassen einen Widerspruch fest. „Zu viele Schüler kommen nicht mit, fallen durch oder brechen ab“, sagt er. „Andererseits gibt es viele Lehrer, die bis an ihre Grenzen versuchen zu helfen, aber nicht damit durchkommen.“

Gedanken über sich selbst 

Für ihn ist die Kombination von reinem Frontalunterricht und Lehrplänen, die allen Schülern zur gleichen Zeit den gleichen Stoff vorschreiben, ein Teil der Misere. „Spätestens beim Abitur werden alle auf das gleiche Profil hin bewertet“, sagt er. An der EIMLB ist das anders. Sektionen gibt es nicht. Schon im Alter von 15 Jahren appelliert das System an die Eigenverantwortlichkeit der Schüler.

Ab dann wählen sie die Schulfächer nach ihren Neigungen, können beispielsweise Mathematik mit Kunst kombinieren, was sonst nicht möglich ist. Sie müssen sich Gedanken über sich machen und Entscheidungen treffen. In den beiden Jahren vor dem Abitur sind sogar zwei Drittel aller Fächer frei gewählt.

„Das erlaubt eine Konzentration auf das, was sie am besten können“, sagt Direktor Weyrich. In Mondorf steht nicht die Lehre, sondern das Lernen im Vordergrund. Der Schulalltag ist aus der Perspektive der Kinder gedacht. In diesem Blickwinkel sind die Lehrer Begleiter bei der Erarbeitung des Stoffs. Der Lernstoff steht auf Papier oder online bereit.

Hinzu kommt die Freiheit der Lehrer, zu entscheiden, wann sie welchen Lehrstoff vermitteln. Das eröffnet Freiraum für Gruppen- und Projektarbeit bei den Schülern. Die Lehrer ihrerseits haben dadurch mehr Zeit, die Schüler beim Lernen zu unterstützen und sie bei selbstständigen Arbeiten anzuleiten. Das Konzept kommt an.

Nachfrage nach Plätzen hoch

Die Plätze an der Schule sind begehrt. Direktor wie Lehrer sind immer wieder erstaunt, wie weitläufig verteilt die Wohnsitze der Schüler sind. Die Nachfrage nach einem Platz reicht von Düdelingen über die Hauptstadt, Remich und Bettemburg bis nach Gevenmacher, wo es das nächste „Lycée“ im Osten gibt. Der Erfolg ist also da, und wenn es überhaupt Sorgen gibt, dann die nach ausreichend Platz.

Das soll sich ändern, wenn der Anbau mit zusätzlichen Klassenräumen, Küche und Gemeinschaftsräumen im September steht. Dort finden dann 375 Schüler im „Secondaire“-Bereich Platz. Die Erweiterung ist ein erneutes Provisorium, aber eines, das teilweise stehen bleibt, wenn der Neubau fertig ist. Dessen Fertigstellung ist für 2029 am anderen Ende von Mondorf, neben dem Velodrom, geplant.

Weyrich freut sich nicht nur auf das neue Gebäude, was eine erneute Umstellung bedeutet. „Ich bin sehr gespannt darauf, wann ich das erste Mal ins Schulparlament zitiert werde, weil etwas nicht klappt“, sagt er. Die EIMLB-Schüler lernen praktisch die Grundzüge der Demokratie. „Parlamente haben eine Kontrollfunktion“, sagt Direktor Weyrich. Das mussten Regierung und Parlamentarier erst kürzlich im Erwachsenenalter lernen.

Der geplante Neubau

Nach Angaben der EIMLB kann die neue Schule neben dem Velodrom 1.690 Schüler aufnehmen. Der „Primaire“-Bereich hat 300 Plätze, für den europäischen „Secondaire“-Zweig sind 700 Plätze geplant. Hinzu kommt eine „Voie préparatoire“, ein „Général“-Zweig für Erzieherinnen und Erzieher, eine „Classe d’accueil“ für Flüchtlingskinder und sechs Berufsbildungssparten. In den Berufsbildungsklassen sind die meisten Schüler einen Tag in der Schule und den Rest im Lehrbetrieb. Die Berufe sind im Bereich Fitness und „Bien-être“ angesiedelt. Mondorf ist Thermalstadt. Akkreditierte europäische Schulen gibt es in Differdingen, Esch, Junglinster, Clerf und demnächst auch in Mersch und in der Hauptstadt.

Zusammen erzogen, von Kindheit an von den trennenden Vorurteilen unbelastet, vertraut mit allem, was groß und gut in den verschiedenen Kulturen ist, wird ihnen, während sie heranwachsen, in die Seele geschrieben, dass sie zusammengehören. Ohne aufzuhören, ihr eigenes Land mit Liebe und Stolz zu betrachten, werden sie Europäer, geschult und bereit, die Arbeit ihrer Väter vor ihnen zu vollenden und zu verfestigen, um ein vereintes und blühendes Europa entstehen zu lassen.

Marcel Decombis, Direktor der Europäischen Schule Luxemburg zwischen 1953 und 1960