Statec-BerichtArmutsrisiko und Ungleichheiten haben trotz aller Krisen nicht zugenommen

Statec-Bericht / Armutsrisiko und Ungleichheiten haben trotz aller Krisen nicht zugenommen
François Peltier, Guillaume Osier, Serge Allegrezza und Anne Franziskus stellen den „Rapport travail et cohésion sociale 2023“ vor Foto: Editpress/Julien Garroy

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Trotz all den Krisen der vergangenen Jahre, von Pandemie bis zur hohen Preissteigerungsrate, haben Armutsrisiko und Ungleichheiten in den vergangenen Jahren in Luxemburg nicht zugenommen. Sie sind stabil geblieben. Das geht aus einem neuen Bericht hervor, den Statec am Montag vorgestellt hat.

Anders als man sich hätte vorstellen können, sind Armutsrisiko und Ungleichheiten „in den letzten Jahren stabil geblieben“, unterstrich Statec-Direktor Serge Allegrezza am Montagmorgen bei der Vorstellung des „Rapport travail et cohésion sociale 2023“. „Die erwartete Explosion hat nicht stattgefunden.“ Im Schnitt sei die Kaufkraft der Menschen sogar gestiegen. Den vorgestellten Bericht bezeichnet er als „das jährliche Referenzwerk“ zum Thema Arbeit und Armut.

Mit einem Plus von 7,6 Prozent habe der Lebensstandard (oder das verfügbare Einkommen pro Erwachsenenäquivalent) letztes Jahr im Schnitt (Median) zugelegt, so die Statistiker weiter. Das sei deutlich höher als die gemessene Preissteigerungsrate (6,3 Prozent im Jahr 2022). Die Kaufkraft der Menschen habe also zugelegt. Das verfügbare Einkommen ist damit im Jahr 2022 auf geschätzte 4.032 Euro pro Person und Monat gestiegen. Das arithmetische Durchschnittsgehalt (das durch einige sehr hohe Gehälter nach oben gedrückt wird) liegt aktuell bei 6.963 Euro monatlich.

Als „armutsgefährdet“ gilt, wer weniger als 60 Prozent des (medianen) Durchschnittseinkommens (also: 2.419 Euro pro Monat) zur Verfügung hat. Laut Statec ist diese Quote letztes Jahr, auf 17,2 Prozent, leicht zurückgegangen. Im Vorjahr waren es 17,4 Prozent. Im Jahr 2020 lagt das Armutsrisiko noch bei 18,1 Prozent.

Mehr als 25 Prozent in manchen Kantonen

Auch ein anderer Indikator zur Berechnung des Armutsrisikos, der nicht nur den Verdienst analysiert, sondern auch das finanzielle Vermögen der Haushalte in die Rechnung miteinbezieht, hat sich deutlich verbessert: von 7,3 Prozent im Vorjahr auf aktuell 3,9 Prozent. Hintergrund ist ein allgemeines Wachstum bei den Spareinlagen der Menschen, so Guillaume Osier von Statec.

Trotz des Rückgangs ist die Zahl der betroffenen Menschen (108.000 Personen) überaus groß. Zu Jahresbeginn hat das Land 660.800 Einwohner gezählt. Neben Alleinerziehenden, Mietern und Arbeitssuchenden sei das Risiko am höchsten für Teilzeitarbeiter und für die, die manuelle Tätigkeiten ausüben. Auch sind die von Armut gefährdeten Menschen ungleichmäßig im Land verteilt: So gelten beispielsweise in den Kantonen Echternach, Remich, Clerf und Esch/Alzette jeweils mehr als 25 Prozent der Haushalte als armutsgefährdet.

Besonders belastend für die Menschen seien, wenig überraschend, alle Kosten rund ums Wohnen, erklärt Osier weiter. Mehr als neun von zehn Haushalten sehen sich als betroffen. Zwischen 2017 und 2022 seien die Kosten fürs Wohnen im Schnitt um zehn Prozentpunkte gestiegen. Bei Geringverdienern und Mietern stehen diese festen Kosten oftmals für 40 Prozent des Einkommens und mehr. Nach Abzug aller Fixkosten bleiben für gering verdienende Haushalte dann noch knapp 1.100 Euro monatlich.

Arbeit schützt nicht vor Armut

„Einen Arbeitsplatz zu haben, schützt hierzulande nicht immer vor dem Armutsrisiko“, heben die Statistiker hervor. Im Jahr 2022 waren 12,9 Prozent der Arbeitnehmer in Luxemburg von Armut bedroht. Europaweit schneidet somit nur noch Rumänien schlechter ab als Luxemburg. In Finnland sind es nur rund zwei Prozent. Mehr als die Hälfte der betroffenen Arbeitnehmer ist in vier spezifischen Wirtschaftszweigen tätig, nämlich im Baugewerbe, im Hotel- und Gaststättengewerbe, im Gesundheitswesen und im Handel.

Dass die erwartete „Explosion“ bei Armut und Ungleichheiten nicht stattgefunden hat, führen die Statistiker unter anderem auf die Indexierung im April 2022, auf Lohnerhöhungen aufgrund des angespannten Arbeitsmarkts wie auch auf die während der Krisen im Rahmen von Tripartite-Verhandlungen beschlossenen Maßnahmen (Steuergutschriften und Beihilfen, die als Reaktion auf steigende Energiekosten gewährt werden, insbesondere die Erhöhung der Teuerungszulage und der energiebezogenen Prämien) zurück.

Dazu, wie es nun mit diesen Maßnahmen bzw. den angekündigten Steuerermäßigungen weitergeht, wagte Serge Allegrezza am Montagmorgen keine Prognose. Da müsse man nun mal sehen, was bei den Koalitionsverhandlungen herauskommt.

Home-Office

Die Telearbeit, die während der Pandemie im Jahr 2020 auf einen Schlag zu einem Massenphänomen geworden ist, hat sich mittlerweile in Luxemburg fest etabliert, stellen die Statistiker im Rahmen des „Rapport travail et cohésion sociale 2023“ fest. Nachdem Home-Office vor Corona, im Jahr 2019, nur für rund 20 Prozent der Beschäftigten eine Realität war, war die Quote im zweiten Quartal 2020 auf stolze 52 Prozent hochgeschnellt. Mittlerweile, im zweiten Quartal des Jahres 2023, hat sie sich hierzulande bei 32 Prozent der Beschäftigten eingependelt.

Die Telearbeit ist jedoch auch zu einer zusätzlichen Trennlinie zwischen den Arbeitnehmern, die sie nutzen können, und den anderen geworden. Tatsächlich ist sie unter qualifizierten Arbeitskräften, die kognitiv anspruchsvolle und selbstständige Tätigkeiten ausüben, am weitesten verbreitet. Unter Führungskräften sowie in intellektuellen und wissenschaftlichen Berufen sind es stolze 57 Prozent, die sie heute nutzen können. Im Gegensatz dazu können nur elf Prozent der gering qualifizierten „White-Collar-Arbeiter“ und nur ein bis drei Prozent der „Blue-Collar-Arbeiter“, die eher manuelle Tätigkeiten ausüben, auf dieses Mittel einer besseren Work-Life-Balance zurückgreifen.

Luxemburg sei dabei auf gutem Weg, eine digitale Nation zu werden, so die Statistiker weiter. Rund die Hälfte der Erwerbstätigen (47 Prozent) nutze tagtäglich digitale Kompetenzen bei ihren Arbeitsaufgaben. Nur acht Prozent der Beschäftigten leisten täglich schwere körperliche Arbeit.

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liah1elin2
19. Oktober 2023 - 20.23

Interessante Zahlen und Erkenntnisse die auch zeigen, dass Gambia umsichtig die Krisen der letzten Jahre zum Wohl der Bürger bewältigt hat. Eine erhöhte Staatsverschuldung hat dies auffangen müssen. Die Kaufkraft in solchen Situationen zu erhalten war jedoch prioritär, auch dem gesellschaftlichen Frieden willens. Die Armutsbekämpfung bleibt die grosse Herausforderung, Möge die neue Regierung dafür ein glückliches Händchen haben.