Der Vorschlag liegt seit Jahren auf dem Tisch: Fast vier Millionen Quadratkilometer Ozean rund um die Antarktis sollen vor menschlichen Aktivitäten, vor allem vor der Fischerei, bewahrt werden. Der Schutz des Südpolarmeeres ist überfällig: Der Ozean macht rund zehn Prozent der Weltmeere aus, doch nur fünf Prozent davon sind bisher geschützt.
Für die antarktische Region wären die vorgeschlagenen Schutzgebiete in der Ostantarktis, der antarktischen Halbinsel und dem Weddellmeer ein „Gamechanger“. Das immens wichtige Ökosystem würde damit eine Chance bekommen, sich zu erholen. Tierarten könnten Widerstandsfähigkeit gegenüber den Veränderungen aufbauen, die der Klimawandel mit sich bringt.
Trotzdem kam es auch in der diesjährigen 42. Verhandlungsrunde der Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (CCAMLR) erneut zu keiner Einigung. Wie auch in den Vorjahren blockierten die Delegationen aus Russland und China den Vorschlag. Da die Abstimmungen der insgesamt 26 Nationen sowie der Europäischen Union unter dem Prinzip der Einstimmigkeit stattfinden, ist die Schaffung der Meeresgebiete damit erneut gescheitert.
Tote Pinguine, Meereis auf Rekordtief
Viele Konferenzteilnehmer, vor allem aber natürlich Umweltschützer hat dies extrem enttäuscht. „Angesichts der Geschwindigkeit des Wandels in der Antarktis ist anhaltende Untätigkeit nicht zu rechtfertigen“, beklagte Emily Grilly vom Antarktis-Naturschutzprogramm des WWF die Entscheidung. Dies könne verheerende Folgen für die Tierwelt der Antarktis haben. „Wir können nicht alle Auswirkungen des Klimawandels kurzfristig stoppen, aber wir können auf andere Weise entlasten.“
Auch Andrea Kavanagh vom Pew Bertarelli Ocean Legacy Project zeigte sich über das Ergebnis enttäuscht. „Wir haben erfahren, dass während der Brutsaison 2022 wahrscheinlich 9.000 Kaiserpinguin-Küken aufgrund der frühen Meereisschmelze in der Antarktis gestorben sind“, sagte sie. Die Tiere kamen in vier Kolonien in der Antarktis ums Leben, nachdem das Eis in vielen Teilen der Region zu einem Zeitpunkt verschwand, als die Küken ihre wasserdichten Federn noch nicht entwickelt hatten.
Vogelgrippe in der Antarktis angekommen
Eine Ende August in der Fachzeitschrift „Communications Earth & Environment“ veröffentlichte Studie nannte die Brutausfälle in der Bellingshausensee „beispiellos“. In vielen Teilen der Region sei das Meereis nahezu vollständig verloren gegangen. Bereits Anfang 2022 meldeten Forschende zudem die niedrigste Meereis-Saison aller Zeiten für die Antarktis. Und viele Wissenschaftler fürchten, dass die kommenden Monate eine noch schlimmere Entwicklung mit sich bringen könnten. Denn das Meereis hat sich über die Wintermonate auf der Südhalbkugel nicht so gut zurückgebildet, wie es dies in der Vergangenheit tat.
Eine weitere Hiobsbotschaft ist, dass die Vogelgrippe zum ersten Mal die Antarktis erreicht hat. Welche Auswirkungen sie haben wird, ist derzeit noch nicht völlig absehbar. Klar ist aber laut der Wissenschaft schon heute, „dass es bei den Kaiserpinguinen nur noch zwei weitere Jahre mit massivem Artensterben braucht, damit sie vollkommen aussterben“, wie Kavanagh sagte. Obwohl Schutzgebiete den Klimawandel nicht stoppen, so tragen sie laut der Umweltschützerin dazu bei, die Widerstandsfähigkeit des Ökosystems Südpolarmeer zu stärken.
Bisherige Erfolge
CCAMLR wurde einst durch einen internationalen Vertrag ins Leben gerufen. Die Kommission tagt seit 1982 in Tasmanien, dem südlichsten Bundesstaat Australiens. Bisher konnten nur wenige große Erfolge erzielt werden – ein nennenswerter war jedoch die Einrichtung der weltweit größten Meeresschutzzone im Rossmeer 2016. Damals wurden rund 1,55 Millionen Quadratkilometer – eine Fläche etwa viermal so groß wie Deutschland – zur Schutzzone erklärt. Die historische Vereinbarung, die im Dezember 2017 in Kraft trat, war ein erster Sieg für die vielfältige Tierwelt der Region. Mehr als 10.000 Tierarten, darunter Pinguine, Wale, Seevögel, Tintenfische, Knochenfische, Robben und antarktischer Krill, profitierten von der damaligen Entscheidung. Krill, kleine garnelenähnliche Krebstiere, sind ein wichtiger Nahrungsbestandteil für viele andere Tierarten.
Bei den diesjährigen Verhandlungen gab es dann vor allem beim antarktischen Krill kleinere Fortschritte. So wurden die Fangquoten beibehalten und nicht erhöht. Zudem soll der Krillfang – Krill ist als Proteinquelle und als Futtermittel für Fischfarmen begehrt – mit der Nahrungsaufnahme der lokalen Tiere künftig zeitlich und territorial besser abgestimmt werden, damit diese nicht zu kurz kommen. Letztere Sorge hat zugenommen, nachdem sich der Krillfang in den letzten 15 Jahren vervierfacht hat.
„Es fühlt sich an, als würden wir beim Meeresschutz in der Antarktis einen Schritt vorwärts und zwei Schritte zurück machen“, sagte Claire Christian, Geschäftsführerin der Antarctic and Southern Ocean Coalition. Es sei zwar ein gewisser Trost, dass wichtige Schutzmaßnahmen nicht zurückgenommen worden seien, doch das Festhalten am Status quo reiche letztendlich nicht zur Bewältigung der Klima- und Biodiversitätskrise aus.
De Maart
Umweltschutz? 5 nach 12? Kopf in den Sand und weiter wie bisher.