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 Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolan

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Auf den ersten Blick ist das 209 Seiten dicke Koalitionsprogramm eine Fleißarbeit, die alle Aspekte der nationalen Politik abdeckt. Angesprochen werden so ziemlich alle Interessen der diversen Berufsgruppen und Bevölkerungsschichten. Kein modisches „Buzzword“ wird ausgelassen. Jedes Problem, jedes Problemchen findet eine salbungsvolle Erwähnung. Doch nur in den seltensten Fällen bietet die schwarze „Blaupause“ für die kommenden fünf Jahre eine konkrete Antwort auf die wortreich geschilderten Problematiken.

Die Frieden-Bettel-Regierung arbeitet auf Französisch. Angereichert durch zahllose direkt aus den USA importierte Begriffe. Es wimmelt nur so von Anglizismen, die nach „Modernität“ klingen sollen. Luxemburg, so Frieden und Co., wird zu einem „digital hub“, einem Vorreiter für die umfassende Digitalisierung aller Lebensbereiche: B2G, B2B, B2C heißt es „TicTok“-gerecht: „Business-to-Government; Business-to-Business; Business-to-Consumer.“ Wir bekommen ein „e-Government“, das auf „AI“, („artificial intelligence“) setzt. Dazu werden jede Menge „Task-Forces“ eingesetzt, um aus unseren Dörfern „smart cities“ und aus dem Ländchen eine „smart nation“ zu machen. Das „e-Banking“ wird geboostet durch das Einführen einer elektronischen Geldbörse, einer „e-wallet“. Abgesichert durch „verified credentials“, „security-by-design“, mit einer „BEE Secure Helpline“ und einer „Stopline“. „Blockchain“-Technologie sorgt für Transparenz.

Eine „Digital Academy“ kümmert sich um alle Lebensbereiche. Ob „co-working“, „remote working“, „reskilling“ oder „upskilling“, selbst „housing first“ oder „tiny houses“! B@nalitäten klingen auf Amerikanisch gescheiter, nein, „smarter“. Gespeichert in der nationalen „cloud“. Im Umweltbereich wird Karbon-Sequestrierung gefördert (Carbon capture, storage and use). Im Erziehungsbereich werden EU-Initiativen wie ALMA (Aim, Learn, Master, Achieve) oder NEET (Not in Education, Employment or Training) übernommen. Mit der EU wird Luxemburg zum „global gateway“, ein aktiver Teilhaber an der „Team Europe Initiative“. Wenn das alles Google nicht überzeugt, dennoch ein Rechenzentrum in Bissen zu etablieren, kann man an Friedens Englisch verzweifeln.

„Analysieren“ und „studieren“

Jedenfalls kann der modernistische @nstrich des Koalitionsprogramms nicht kaschieren, dass die von CSV und DP geschwärzten 209 Seiten wenig konkrete Absichten enthalten. In Dutzenden von Fällen will die neue Regierung die Probleme „analysieren“, „studieren“, „evaluieren“, einem „examen approfondi“ unterziehen. Um gegebenenfalls bestehende Gesetze „zu entwickeln“, zu „modernisieren“, „anzupassen“, „zu verstärken“. Oder nur in Kontinuität mit Gambia „weiterzuverfolgen“: „Le gouvernement poursuivra …“ In Sachen Naturschutz und Biodiversität will die Regierung zu einer „globalen Reflexion“ ansetzen, für ein „besseres Gleichgewicht“ zwischen Umwelt und Bautätigkeit. So wird das Konzept „Natur auf Zeit“ angedacht. Damit auf ausgewiesenem Bauland zufällig entstandene „Biotope“ nicht zu Konflikten der Bauwilligen mit der Umweltverwaltung führen. Alles in viele „wenn und aber“ eingewickelt. Jedenfalls will die Regierung gerade im Umweltbereich einen „cadre législatif ambitieux“ promoten. Gesetzliche Vorschriften sollten „claires, précises, proportionnées, efficaces, transparentes et compréhensibles“ sein. So wie das Programm der Koalitionäre. In Wirklichkeit gefallen sich Schwarz und Blau in „Blähwörtern“. Worthülsen, die, wie „verstärkt analysieren“, „fortschreiben“, sich „energisch einsetzen“, einen Tatendrang vortäuschen, der vom Ansatz her auf Ausreden aufgebaut ist. Tu-Wörter, etwa die Regierung „macht“, „führt durch“, „verändert“, sind sehr selten.

Vorläufige Steuergeschenke

Konkret wird es bloß bei Friedens Versprechen von „mehr netto von Brutto“. Für den 1. Januar 2024 soll die Einkommenssteuer-Tabelle an die Inflation angepasst werden. Anstatt 2,5 Index-Tranchen, wie die vorherige Regierung plante, sollen vier Tranchen zur Neutralisierung der steuerlichen Progression führen. Da rund ein Viertel der Steuerpflichtigen null Einkommenssteuer zahlen, ein weiteres Viertel nur sehr geringe Steuern, werden vor allem besser gestellte Mitbürger mehr netto von ihrem Brutto erhalten. Frieden kennt seine Wähler. Deshalb kündigt Schwarz-Blau an, in den kommenden fünf Jahren würden die marginalen Steuersätze nicht erhöht. Großverdienern wird somit kein einziger Euro zusätzlich abgeknöpft. Es wird auch keine Vermögenssteuer und keine Erbschaftssteuer in direkter Linie geben. Dagegen plant die neue Regierung weitere steuerliche Wohltaten für Begüterte, etwa zum Ankurbeln der Bautätigkeit. Oder um talentierte Ausländer mit spezifischen Steuergeschenken ans Ländchen zu binden. Aus „Expats“ werden „Impatriés“. Einzubürgernde spätere Wähler. Bei der Einkommenssteuer soll am „Mittelstandsbuckel“ gehobelt werden: „A moins que la trajectoire budgétaire ne le permette pas“! So wird vorsichtig die Kurve angedeutet.

„Rothe“ Zahlen

Der laufende Staatshaushalt wird mit einem Defizit von über zwei Milliarden Euro abschließen. Die Verlangsamung des Wachstums verspricht weniger Einnahmen im Jahr 2024 für den neuen Finanzminister Gilles Roth. Nach „Adam Riese und Eva Zwerg“ (Tonio Schachinger) wird die in rote Zahlen geratene „trajectoire budgétaire“ kaum zusätzliche Steuer-Geschenke erlauben. Dafür werden die Konsumenten geschröpft. Die TVA steigt um einen Prozentpunkt. Die Erhöhung der CO₂-Steuer wird auch ohne Minister Turmes fortgeführt. Die Autofahrer müssen tiefer in ihre Brieftasche greifen. Das wird zwar dem Klima nichts nutzen, sondern bloß weitere Tankvorgänge in die Grenzgebiete verlagern. Für den Unterhalt des Straßennetzes müssen die Einheimischen zahlen. Lkws im Transit werden verstärkt in Belgien tanken. Programme, gerade Koalitionsprogramme, sind Waren mit einem frühen Verfallsdatum.

Wer sich der Mühe unterziehen will, das Programm der DP-LSAP-Grünen-Koalition nachzulesen, wird Literatur von einem anderen Planeten vorfinden. 2018 war die Welt eine andere. In den nächsten fünf Jahren beschleunigt sich der Wandel noch. Die Senninger Prosa der Frieden, Bettel und Co. wird dabei wenig hilfreich sein. Was letztlich zählt, ist die Reaktionsfähigkeit der neuen Mannschaft. Neben Frieden, Bettel, Meisch, vielleicht noch Backes, Hansen und Delles, begreift die Regierung eine Mehrheit unerfahrener Neulinge. Die sich vielleicht gut entwickeln werden. Aber ohne Garantie. Die neue Regierung soll ihre Chance haben. Hoffentlich wird sie besser als ihr Programm.

fraulein smilla
25. November 2023 - 0.48

de Schmötten Was fuer ein Unsinn . Der Herr rechts war zu dem Zeitpunkt noch nicht Kammerpresident ,und der Premier war der Herr links auf dem Foto .

de Schmötten Hein
24. November 2023 - 8.46

Der Herr rechts auf dem Foto, hat dort nichts zu suchen, er ist Kammerpräsident und als solcher der Neutralität verpflichtet.

liah1elin2
23. November 2023 - 15.38

@jung.luc.lux Warum so empfindlich verehrter jung.luc.lux? Jetzt sind Ihre Freunde an der Regierung, da darf Kritik bestimmt auch erlaubt sein. Oder war das was anderes als Sie die Vorgängerregierung heftig angegangen sind? In der Opposition weiss man eben alles besser, in der Regierung muss man alles besser machen, so funktioniert Demokratie. Freue mich auf Ihre neue Rolle als Verteidiger der Regierungsarbeit?

ARMO
23. November 2023 - 11.12

@Ujheen Erënnerts de dech nach un de "Jenni a Menni". Ech kréien nach haut e Lachkrëmpchen wann ech drun denken.

Een alen Sozialist
23. November 2023 - 9.19

Goebbels täte weitaus besser daran, die Füsse still zu halten. Mit seiner rechthaberischen Meinung und seiner ewig Besserwisserei erweist der Salonsozialist seiner Partei einen Bärendienst und hat ihr in der Vergangenheit mehr geschadet als genutzt. Aber Goebbels ist Goebbels und geht mit dem Kopf durch die wand, ohne Rücksicht als Verluste. Vom Kommunisten zum Liberalen und als Opportunist, erster Klasse, Karriere bei den Sozis gemacht. Wer, von den Jüngeren, erinnert sich noch an Goebbels ( " De Rondelrobi " ) ?

jung.luc.lux
22. November 2023 - 14.30

Mit Stänkereien wie in diesem Artikel wird die LSAP noch lange Opposition machen können.

Ujheen
22. November 2023 - 12.19

Alt erem e Meenungsartikel deen vun engem frustréierten fréiere Politiker aus dem Hinterhalt kënnt…Här Goebbels, Där woart vun 1984 bis 1999 a 4 Regierungen Minister wou d‘CSV um Rudder woar…Wann d‘CSV elo mat Äere Leit op Kuschel- a Schmusekurs gaange waer a Plaz vun deenen Bloen, hätt Där eis d‘Leküre vun deem heiten Artikel kënne spueren. Genéisst Äer wuelverdéngte Pensioun a bleift monter, bis geschwënn!

de Schéifer vun Ettelbréck
22. November 2023 - 9.29

Die Politikersprache,was kann man mehr erwarten. Der neue Kammerpräsident, hätte besser daran getan, als feierlicher Francophile, seine Antrittsrede ganz auf Französisch zu halten, dann hätte er nicht öffentlich beweisen müssen, dass er in Sachen Lëtzebuergesch einen starken Nachholbedarf hat.