Formel EAndré Lotterer im Interview: „Zufrieden sein kann man nur, wenn man alles gewinnt“

Formel E / André Lotterer im Interview: „Zufrieden sein kann man nur, wenn man alles gewinnt“
André Lotterer startet in der Formel E seit dieser Saison für Avalanche-Andretti-Porsche Foto: Fernande Nickels

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André Lotterer ist seit mittlerweile sechs Saisons in der Formel E am Start. Mit u.a. drei Le-Mans-Gesamtsiegen zählt der 41-jährige Deutsche aber auch zu den erfahrensten und erfolgreichsten Langstreckenpiloten. Das Tageblatt hat sich mit dem Duisburger unterhalten.

Tageblatt: André, das erste Drittel der Formel-E-Saison ist gelaufen, haben Sie sich inzwischen bei Avalanche-Andretti gut eingelebt?

André Lotterer: Ja, das habe ich. Da ich zusammen mit meinem Ingenieur von Porsche, dem Franzosen Fabrice Roussel, zu Andretti gewechselt bin, ging dies ganz schnell. Dazu kommt, dass alle Systeme (Lenkrad und Antriebsstrang, Anm. d. Red.) die gleichen sind wie bei Porsche. Des Weiteren sind auch noch einige Leute, mit denen ich schon bei DS-Techeetah zusammengearbeitet habe, jetzt bei Andretti.

Wie zufrieden sind Sie mit der Saison bislang?

Zufrieden sein kann man nur, wenn man alles gewinnt. Die Saison hat gut angefangen mit einem vierten Platz in Mexiko. Da wäre von der Performance her gesehen aber auch schon mehr drin gewesen. Bei den restlichen Rennen war das Potenzial da, aber oft haben schlechte Qualifying-Platzierungen und auch Pech dazu beigetragen im Rennen nicht die Resultate einzufahren, die wir wollten. Es ist nicht so, als ob es uns an Speed fehlen würde, aber die Qualifyings sind nicht unsere Stärke und um ein gutes Resultat zu erzielen, musst du halt alles zusammenbringen.

Ist es ein Vorteil, Porsche-Werksfahrer zu sein, wenn man beim Kundenteam Avalanche-Andretti fährt?

Dies ist für alle ein Vorteil. Ich habe alle Kontakte zum Porsche-Werk, wir absolvieren unsere gesamte Simulator-Arbeit bei Porsche in Weissach – und dort fühle ich mich auch zu Hause. Dann habe ich ja auch noch meinen langjährigen Ingenieur, der, wie bereits gesagt, mit mir von Porsche zu Andretti rübergekommen ist. So haben wir auch noch mal einen weiteren guten Link zu Porsche.

Sie sind jetzt schon länger bei der Formel E dabei, was ist Ihre beste Erinnerung?

Meine besten Erinnerungen sind zum einen mein erstes Podium in Santiago de Chile (zweiter Platz; Anm. d. Red.), in meinem allerersten Formel-E-Jahr 2017/18 mit Techeetah. Ich glaube, dies war das vierte Rennen der Saison. Zum andern war es mein erstes Podium mit Porsche in der Formel E. Dies war Platz zwei beim Auftaktrennen 2019/20, das war großartig.

André Lotterer zählt zu den erfolgreichsten Langstreckenpiloten
André Lotterer zählt zu den erfolgreichsten Langstreckenpiloten Foto: Marie-Jo Nickels

… und was waren die bittersten Formel-E-Momente?

Als ich in Führung liegend in Hongkong von Sam Bird hinten getroffen wurde, dadurch einen Plattfuß erlitten habe und das Rennen somit nicht gewinnen konnte. Und dann mein letztes Rennwochenende für das Porsche-Werksteam in Seoul 2022, wo ich in beiden Läufen jeweils in Runde eins ausgefallen bin.

Ab diesem Jahr fährt die Formel E mit dem sogenannten Generation-3-Auto. Liegt Ihnen dieses neue Renngerät?

Ich glaube, den Luxus hat man nicht, ob einem ein Auto liegt oder nicht. Wenn es einem nicht liegt, dann muss man so lange dran arbeiten, bis es einem liegt und dass man damit schnell fahren kann. Die größte Umstellung sind die Reifen (Wechsel von Michelin zu Hankook, Anm. d. Red), durch die wir viel weniger Grip haben. Das Auto an sich ist cool, mit der Energierückgewinnung an der Vorderachse und natürlich mit viel mehr Power (als mit den letzten beiden Formel-E-Rennern, Anm. d. Red). Das ist schon sehr spannend.

Was ist so speziell am Porsche-Antriebsstrang, dass dieser bei den ersten Rennen dieses Jahres so dominant war?

Das kann ich nicht genau sagen, auf jeden Fall sind wir im Qualifying nicht dominant gewesen, das ist klar. Im Rennen sah man, dass ab Mitte der Distanz die Effizienz da war. Die Leute bei Porsche haben einfach einen Top-Job bei der Effizienz gemacht, denn an etwas anderem kann es nicht liegen. Die Hardware ist auf allerhöchstem Niveau in jeder Hinsicht und die Software wurde auch verbessert. Aber bei den letzten Rennen war es (die Porsche Dominanz, Anm. d. Red) schon nicht mehr ganz so der Fall und man sieht, dass die Konkurrenz näher kommt.

Sprechen wir kurz die WEC an. Beim zweiten Lauf in Portimão gab es für Porsche das erste Podium 2023 …

Ja, das stimmt, aber man muss bedenken, dass ein Toyota und ein Ferrari ausgefallen sind. Auf dem Papier wären wir rein durch die Performance nicht auf dem Podium gelandet. Das heißt, dass wir noch viele Hausaufgaben zu erledigen haben und noch viel Arbeit vor uns liegt – da bin ich realistisch. Aber im Langstreckensport muss man auch über Standfestigkeit verfügen, das ist auch ein Perfomance-Aspekt. Da haben wir einen guten Job gemacht. Das Auto war in Portimão schon besser als in Sebring, aber immer noch nicht gut genug, um um Siege zu fahren. Ich denke, Toyota und Ferrari werden weiterhin stark sein. Toyota hat natürlich (über die letzten Jahre; Anm. d. Red) eine große Erfahrung in der WEC … aber diese hat Porsche auch (über die letzten Jahrzehnte). Ferrari (das neu dabei ist; Anm. d. Red) hat ein gutes Startpaket.

Zum Abschluss noch eine Frage zu Ihrer Herkunft. Sie sind als Deutscher in Belgien aufgewachsen. Haben Sie irgendeine Beziehung zu Luxemburg?

Eigentlich gar nicht. Ich bin immer nur durchgefahren, wenn wir zur Familie meiner Mutter gefahren sind, die in der Nähe von Stuttgart wohnt. In Luxemburg-Stadt war ich, glaube ich, nur einmal. Ich kann mich auch daran erinnern, dass ich mit meinem Vater einmal in Monnerich auf der Kart-Bahn war. Und dann ist da noch unser Porsche-Penske-Teamchef Francis Schammo, der ja auch Luxemburger ist.

Zur Person

Nachdem er seine größten Erfolge bei Audi Sport zusammen mit Marcel Fässler (CH) und Benoît Tréluyer (F) einfuhr, ist André Lotterer seit 2017 Porsche-Werksfahrer in der WEC. Neben den Langstreckenrennen bestreitet der 41-jährige Lotterer aber auch seit 2017 die Formel-E-Weltmeisterschaft. Hier fuhr er für DS-Techeetah und Porsche. Ab dieser Saison ist er für das Porsche-Kundenteam Avalanche-Andretti aktiv. Während er in der WEC nichts mehr zu beweisen hat, rennt er in der Elektro-Serie seinem ersten Sieg noch immer hinterher. Oftmals hat er geführt, zwei Pole-Positions hat er schon erzielt, achtmal stand er auf dem Podest, doch noch nie ganz oben. Ein erster Sieg ist mehr als überfällig.

In der WEC fährt der 41-Jährige für das Porsche-Penske-Team
In der WEC fährt der 41-Jährige für das Porsche-Penske-Team Foto: Marie-Jo Nickels