Kurz nach der Niedersachsen-Wahl und der Ankündigung der FDP, sich nach der Schlappe nun in der Ampel im Bund stärker profilieren zu wollen, spitzt sich der Streit in der Koalition um den längeren Betrieb von Atomkraftwerken deutlich zu. So wies FDP-Fraktionschef Christian Dürr die Vorwürfe von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zurück, wonach die FDP den Zeitplan für die Entscheidung zum Weiterbetrieb von zwei Atomkraftwerken über das Jahresende hinaus verzögern würde. Zugleich bekräftigte Dürr die FDP-Forderung nach einem Weiterbetrieb zusätzlicher Atomkraftwerke bis 2024. „Der wichtigste Hebel zur Reduzierung der Preise in einer Marktwirtschaft ist und bleibt eine Ausweitung des Angebotes“, sagte Dürr dem Tageblatt.
Zuvor hatte Habeck die FDP zu Bewegung gedrängt. „Wenn man will, dass die Atomkraftwerke nach dem 31. Dezember noch Strom produzieren können, muss man jetzt den Weg dafür frei machen“, sagte der Vizekanzler dem Magazin Spiegel und warnte: „Die Zeit drängt.“
Wegen der Energiekrise will Habeck zwei Atomkraftwerke für den Fall von Engpässen in der Stromversorgung bis ins Frühjahr einsatzbereit halten. Die FDP dringt dagegen auf einen Weiterbetrieb aller drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke bis ins Jahr 2024 – Parteichef und Finanzminister Christian Lindner bekräftigte dies am Montag noch einmal. Eigentlich war im Zuge des Atomausstiegs vorgesehen, dass die letzten deutschen Kernkraftwerke Ende des Jahres vom Netz gehen.
Um bis zu 12,1 Prozent würde sich der Strompreis bis 2024 absenken lassen, wenn man die Meiler am Netz ließe und eine echte Laufzeitverlängerung mit neuen Brennstäben auf den Weg bringen würde
Dem Vernehmen nach sollen am Dienstag Habeck, Lindner und Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem Treffen auch über den Atom-Streit gesprochen haben. Ob eine Einigung erreicht werden konnte, blieb zunächst offen. Währenddessen legten Ampel-Parlamentarier nach. FDP-Fraktionschef Dürr führte eine Senkung des Strompreises als Argument ins Feld, die Meiler am Netz zu lassen, inklusive Laufzeitverlängerung und Neubeschaffung von Brennstäben – für SPD und Grüne jeweils rote Linien. „Um bis zu 12,1 Prozent würde sich der Strompreis bis 2024 absenken lassen, wenn man die Meiler am Netz ließe und eine echte Laufzeitverlängerung mit neuen Brennstäben auf den Weg bringen würde“, sagte Dürr und warnte vor einer Verknappung des Strom-Angebots. „Die Gespräche dazu finden aktuell innerhalb der Ampelkoalition statt – und befinden sich, anders als es manche Gerüchte unterstellen, innerhalb des vorgesehenen Zeitplans“, betonte Dürr. „Der schnellstmögliche Zeitplanvorschlag des Bundeswirtschaftsministeriums sah einen Beschluss im Bundestag in der kommenden Woche vor und den werden wir auch erreichen“, versicherte er. „Herr Habeck sollte jetzt ergänzend unbedingt prüfen, welche Kernkraftwerke wir zurück ans Netz holen können. Das ist auch eine Frage der europäischen Solidarität“, forderte Dürr.
Einmalzahlung reicht nicht aus
SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch wies das zurück. Miersch sagte am Dienstag in Berlin vor Journalisten, wer das Thema Laufzeitverlängerung mit dem Thema Streckbetrieb verknüpfen wolle, müsse aufpassen, dass er nicht „überreize“. Miersch sagte weiter: „Diese Regierung sollte alles vermeiden, was den Ausbau der Erneuerbaren und die klare politische Weichenstellung zugunsten der Erneuerbaren behindert.“ Er könne sich deswegen eine Entscheidung über den Streckbetrieb hinaus nicht vorstellen. Miersch sagte zudem, er widerspreche, dass durch eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken der Strompreis nennenswert gedrückt werden könne.
Ungeachtet dessen hat das Bundeskabinett am Dienstag den geplanten 200-Milliarden-Euro-Schirm zur Bekämpfung der Energiekrise auf den Weg gebracht, aus dem auch die geplante Gaspreisbremse finanziert werden soll. Jedoch sehen Vertreter der Ampel-Fraktionen und der Union Nachbesserungsbedarf an den Vorschlägen der Expertenkommission. So reicht eine Einmalzahlung im Dezember nach Angaben von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich möglicherweise nicht aus, um Menschen bei den Energiekostenrechnungen ausreichend zu helfen. Es gebe Vorschläge für zwei Abschlagzahlungen, die werde man nun prüfen, sagt der SPD-Politiker. Man erwarte vom Wirtschaftsministerium, dass anders als bei der Gasumlage diesmal ein „durchdachtes und praktikables“ Konzept für die Entlastung vorgelegt werde. Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hält die von der Gas-Kommission vorgeschlagene Abschlagzahlung im Dezember und eine Gaspreisbremse ab März 2023 für nicht ausreichend. Das sagte er vor der Unions-Bundestagsfraktionssitzung.
De Maart
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