Mittwoch22. Oktober 2025

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EU-ParlamentAm Mittwoch wird über die neue EU-Kommission abgestimmt

EU-Parlament / Am Mittwoch wird über die neue EU-Kommission abgestimmt
Die Abstimmung über die neue EU-Kommission findet am Mittwoch im Europäischen Parlament in Straßburg statt Foto: Philippe Stirnweiss/European Union 2024/EP

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Die neue EU-Kommission dürfte am Mittwoch die Zustimmung des Europäischen Parlaments (EP) erhalten. Doch manche Fraktionen fühlen sich nicht wohl mit ihrem bevorstehenden Stimmverhalten und üben sich in Rechtfertigungen. 

Sowohl die Fraktion der Sozialdemokraten (S&D) als auch der Liberalen (Renew) wollten am Dienstagabend während einer Sitzung noch einmal ihre Haltung zur neuen Kommission besprechen, weshalb etwa Valérie Hayer, die Renew-Vorsitzende, am Dienstagmorgen keine Angaben dazu machen wollte, wie groß die Zustimmung in ihrer politischen Gruppe für die zweite Kommission von Ursula von der Leyen sei. Die Grünen hingegen, die ihre fraktionsinterne Aussprache zum Höhepunkt der dieswöchigen Parlamentssitzung bereits am Montagabend hatten, sind eher gespalten, gaben deren Vorsitzenden Bas Eickhout und Terry Reintke zu. „Die Entscheidung wird nicht einfach“, meinte denn auch der Niederländer, der darauf hinwies, dass sich die Fraktion bei allen ausgetauschten Argumenten einig gewesen sei. Insbesondere gilt das in Bezug auf den designierten italienischen Kommissar und exekutiven Vizepräsidenten Raffaele Fitto. Der Politiker der postfaschistischen Fratelli d’Italia, der den rechtspopulistischen Europäischen Konservativen und Reformern (EKR) angehört, stößt auch bei den anderen Mitte-links-Fraktionen auf Ablehnung.

Doch insbesondere der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, hatte in den vergangenen Wochen dafür gesorgt, dass Fitto, wie vorgesehen, in Amt und Würden kommt. Zum einen indem die Bestätigung aller Vizepräsidenten der Kommission, zu denen auch Sozialdemokratinnen und Liberale gehörten, ausgesetzt wurde. Zum anderen indem die spanische Kandidatin Teresa Ribera dazu genötigt wurde, sich im spanischen Parlament zur Überschwemmungskatastrophe in der Region Valencia zu erklären. Womit der EVP-Chef seinen spanischen Parteifreunden des Partido Popular (PP) einen Gefallen erwies.

Das sei ein „schändlicher Prozess“ gewesen, so Bas Eickhout, der ebenfalls von Webers „Shit-Show“ sprach. Während Valérie Hayer die „politischen Spielchen“ während der Anhörungen der angehenden EU-Kommissare bedauerte, gingen die beiden Linken-Vorsitzenden wesentlich härter mit dem Verlauf des Auswahlverfahrens zu Gericht. Die Anhörungen seien ein „Skandal“ gewesen, die Bewertung eine „totale Maskerade“, ärgerte sich Manon Aubry. Martin Schirdewan wiederum sprach von einer „wahren Farce“ und „Hinterzimmerdeals“. „Das Europäische Parlament hat seine eigene Kontrollfunktion gegenüber der Europäischen Kommission aus der Hand gegeben“, meinte der deutsche Linken-Politiker. Zufrieden zeigte sich lediglich Manfred Weber. Er habe an einem „breiten Zentrum“ im EP gearbeitet, „von den Grünen bis zu EKR, dem vernünftigen Teil der konservativen Kräfte im Europäischen Parlament“, sagte er am Dienstag. Diese würden nun die neue Kommission unterstützen, gab der EVP-Politiker zu verstehen, das sei nun „eine Realität“. Dabei verwies Weber darauf, dass auch die liberalen und sozialdemokratischen Kommissaranwärter nur mit den Stimmen der rechtspopulistischen EKR die nötige Zustimmung erhalten hätten.

Sorge um „politische Stabilität“

Am meisten Widerstand gegen Fitto wurde sich von der S&D-Fraktion erwartet, die jedoch auch noch andere Forderungen gestellt hatte: So sollte ihr Spitzenkandidat aus den Europawahlen, der noch amtierende luxemburgische EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit, auch der künftigen Kommission angehören. Zudem forderte die S&D-Fraktionschefin Iratxe Garcia Pérez in einer Warnung an die Kommissionschefin im September, diese möge für eine zwischen Frauen und Männern ausgewogene Kommission sorgen. Mit keiner ihrer Forderungen kam sie durch. Nun verteidigt Iratxe Garcia Pérez den Umstand, dass die S&D dennoch die Koalition für Von der Leyen unterstützt, mit ihrer Sorge um die „politische Stabilität“. Zwar habe es „auch mal geknallt“ während der Verhandlungen mit der EVP und den Liberalen. Doch es mangele nicht an Herausforderungen: der Machtwechsel in den USA, der russische Angriffskrieg in der Ukraine, Chinas Verhalten. „All das zeigt, dass Europa die nötige politische Stabilität braucht, damit die Institutionen diesen Herausforderungen gerecht werden können“, rechtfertigte sie am Dienstag ihre Haltung.

Doch auch die beiden Grünen-Vorsitzenden bemühten sich sehr, die wohl mehrheitliche Zustimmung für Von der Leyens zweite Kommission zu erklären. Die Kommission wolle den „Green Deal“ fortsetzen, es gebe Zusagen zur Kreislaufwirtschaft, zu den erneuerbaren Energien, zum Rechtsstaat. „Es gibt genug in diesem Programm, wo wir mit dieser Kommission zusammenarbeiten wollen“, sagte Bas Eickhout, auch das sei ein wichtiges Element. Und nun würden, nach entsprechenden Aussagen von Ursula von der Leyen, auch sie, die Grünen, mit am Verhandlungstisch sitzen, ergänzte Terry Reintke. Die allerdings auch darauf hinwies, dass es nicht einfach werde. Und Fitto sei auch „nie eine rote Linie“ gewesen, so die deutsche Grünen-Politikerin. Für Von der Leyen sei die Bestellung Fittos eine Angelegenheit gewesen, die sich zwischen der Kommission und einem Mitgliedstaat, der drittgrößten Wirtschaft der EU, abgespielt habe. Im EP hingegen werde dies als eine Zusammenarbeit mit einer rechtspopulistischen Fraktion angesehen, erklärte Bas Eickhout noch.

Kommissionsposten für ehemaligen Grünen-Politiker

In Erklärungsnot gerieten die Grünen noch wegen der am Montag gemachten Ankündigung, dass ihr früherer Fraktionsvorsitzender, der Belgier Philippe Lamberts, in der neuen Kommission Koordinator für die Klimaziele bis 2030 werde. Dies sei bereits seit September bekannt, wiegelte Bas Eickhout jeden Zusammenhang mit der bevorstehenden Abstimmung und der Haltung der Grünen ab.

Es würden auch Delegationen gegen die neue Kommission stimmen, sagte Bas Eickhout, „eine kleine Mehrheit“ aber werde ihre Zustimmung geben. Auch bei den Sozialdemokraten sind manche nicht zufrieden mit dem Ablauf der Anhörungsprozedur und der Verhandlungsführung ihrer Fraktionsvorsitzenden, sodass damit gerechnet werden kann, dass auch in ihrer Fraktion manche der künftigen Kommission ihre Zustimmung verweigern. In der linken Fraktion würden „alle“ gegen die neue Kommission stimmen, gab sich Manon Aubry überzeugt. Wie es für die Von-der-Leyen-Kommission II ausgeht, wird sich am Mittwoch in der Mittagsstunde zeigen.