Samstag25. Oktober 2025

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„déi jonk Lénk“Alice Hoffmann und Tom Rees über die FLF, Gaza, die Ukraine und „gute Ideen“, die nicht ankommen

„déi jonk Lénk“ / Alice Hoffmann und Tom Rees über die FLF, Gaza, die Ukraine und „gute Ideen“, die nicht ankommen
Alice Hoffmann und Tom Rees am Freitagnachmittag auf der Terrasse des „Café Interview“ in der Oberstadt Foto: Editpress/Julien Garroy

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Seit sie sich offiziell gegründet hat, verzeichne „déi jonk Lénk“ einen Mitgliederzuwachs, sagen Alice Hoffmann und Tom Rees vom „Groupe de coordination“ und stellen einen „minimalen Linksruck“ in der Gesellschaft fest. Von den anderen Jugendparteien versucht sich die junge Linke durch „radikalere“ Positionen abzugrenzen, an der nach drei Wahlniederlagen begonnenen „Strategieänderung“ der Mutterpartei will sie sich beteiligen. 

Tageblatt: In der Vergangenheit tat sich „déi Jonk Lénk“ schwer damit, eine stabile Mitgliederbasis aufzubauen. Im März kam es erstmals zur offiziellen Gründung einer Jugendorganisation von „déi Lénk“ samt Satzung, Vorstand und Budget. Wie läuft es seitdem?

Alice Hoffmann: In der Vergangenheit war es allgemein schwierig für die Linke, sich zu konstituieren, weil es immer Ups and Downs und Spaltungen gegeben hat. Die aktuelle Gruppe der „jonk Lénk“ existiert aber schon ziemlich lange, die Leute haben sich immer wieder organisiert, bis sie entschieden haben, dass sie stabil genug ist, um eine Struktur aufzubauen. Seit wir uns offiziell gegründet haben, kamen immer mehr Leute dazu, was vielleicht auch daran liegt, dass es einen minimalen Linksruck in der Gesellschaft gibt. Wie in Deutschland sind die Menschen offener gegenüber der Linken und sehen die Notwendigkeit, sich zu engagieren.

Wie viele Mitglieder habt ihr denn?

A.H.: Die Kerngruppe umfasst 25 bis 30 Leute, bei den Versammlungen der „Coordination élargie“ sind wir meist mindestens zu zehnt.

Wegen des geringen subkulturellen Angebots in Luxemburg ist die Linke die erste Anlaufstelle für Jugendliche, die sich engagieren wollen

Alice Hoffmann

Wie erklärt ihr euch, dass gerade jetzt der Zulauf größer ist und die Mutterpartei scheinbar bereit ist, ihre Jugendorganisation stärker zu unterstützen, als es bislang der Fall war?

A.H.: Eigentlich sind wir eher getrennt von der Mutterpartei. Wir sind eine Gruppe von Aktivisten, die sich zusammentun wollen, um etwas zu bewegen. Wegen des geringen subkulturellen Angebots in Luxemburg ist die Linke die erste Anlaufstelle für Jugendliche, die sich engagieren wollen. Wir wollen wirklich aktiv sein und nicht nur an unsere politische Karriere denken. Die Jugendorganisation bietet mehr Freiraum, um sich auszuleben, man kann radikaler sein als in der Mutterpartei, die im Parlament Konsens suchen und Kompromisse schließen muss.

Vor einigen Wochen habt ihr euch zum Fall Gerson Rodrigues geäußert, wart im Stadion. Rodrigues ist inzwischen bis auf Weiteres suspendiert, Luc Holtz wurde als Nationaltrainer von Jeff Strasser ersetzt. Ist Strasser der richtige Mann, um Luxemburg zur Europameisterschaft zu führen?

A.H.: Jeff Strasser ist ja ein alter Bekannter von Luc Holtz und Paul Philipp, deshalb denke ich nicht, dass sich strukturell etwas ändern wird. Wir freuen uns aber, dass wir mit unseren Aktionen etwas bewirkt haben. Es war vielleicht unser größter Erfolg diesen Sommer – auf jeden Fall in den sozialen Medien.

Tom Rees: Uns ist eigentlich egal, dass Jeff Strasser jetzt Trainer ist. Es geht auch nicht um Luc Holtz und Gerson Rodrigues. Das Problem ist, dass die Führungsstrukturen der FLF erlaubt haben, dass so etwas passieren konnte. Daran hat sich bislang nichts geändert, deshalb können wir nicht ganz zufrieden sein. Die FLF war auf so einen Fall offensichtlich nicht vorbereitet. Was die Ethikkommission nun bringt, bleibt abzuwarten.

Mit CSJ, JDL, JSL und „déi jonk gréng“ habt ihr erst gemeinsame Positionen zur Rentenreform ausgearbeitet, später habt ihr euch von denen distanziert und eigene Vorschläge formuliert. Wieso?

T.R.: Die Jugendorganisationen von CSV und DP versuchen natürlich die Mehrheitsparteien zu unterstützen. Für uns als kleine Organisation ist es schwierig, unsere Ideen durchzusetzen. Doch die brauchen uns mehr als wir sie, um glaubwürdig zu sein.

A.H.: Die Rentenreform ist unser Thema, wir waren am besten vorbereitet, haben die besten Lösungen, die recherchiert und fundiert sind. Man merkt, dass die anderen Interesse an unseren Positionen haben, aber irgendwann werden wir dann doch schnell ignoriert.

Seid ihr zufrieden mit den Vorschlägen, die inzwischen auf dem Tisch liegen?

T.R.: Es ist ja noch nicht definitiv bekannt, welche das sind. Dass die Regierung nach der letzten Sozialrunde das Parlament nicht informiert hat, zeigt, dass alles sehr intransparent ist. Wenn am 3. September mehr an die Öffentlichkeit gelangt, werden wir uns eine Strategie überlegen, um unsere Positionen darzulegen.

Insgesamt ist es mit den Gewerkschaften manchmal kompliziert, bisweilen tendieren sie mehr zur stärkeren LSAP, weil sie sich Vorteile davon versprechen

Alice Hoffmann

Eure Positionen sind eher gewerkschaftsnah. Arbeitet ihr mit der OGBL-Jugendorganisation OGJ zusammen?

A.H.: Insbesondere zur Nationalen Demonstration am 28. Juni haben wir viel und eng zusammengearbeitet. Wir haben mit ihnen Flyer verteilt, sie haben uns geholfen, unseren Block zu organisieren. Insgesamt ist es mit den Gewerkschaften aber manchmal kompliziert, bisweilen tendieren sie mehr zur stärkeren LSAP, weil sie sich Vorteile davon versprechen. Wenn die LSAP aber schwächelt, kommen sie wieder zu uns. Über die Aufmerksamkeit der OGJ haben wir uns auf jeden Fall sehr gefreut.

Auch zum Nahost-Konflikt gehen eure Forderungen weiter als die der anderen Jugendorganisationen. Zusätzlich zur Anerkennung eines palästinensischen Staates wollt ihr, dass die EU das Assoziierungsabkommen mit Israel auflöst, Luxemburg nicht mehr mit israelischen Waffenproduzenten kooperiert. Wird innerhalb der „jonk Lénk“ viel über eure Positionen zu Gaza diskutiert?

T.R.: Überhaupt nicht. Wir sind uns ziemlich einig darüber, was in Gaza gerade passiert. Wir konnten den Brief der anderen Jugendparteien nicht unterzeichnen, denn wir waren nicht bereit, Kompromisse einzugehen.

A.H.: Vor allem beim Begriff Genozid, den die anderen Organisationen nicht benutzen wollten, während es für uns offensichtlich ist, dass es sich um einen Genozid handelt.

T.R.: Wir sind selbstverständlich für die Anerkennung eines palästinensischen Staates, doch ohne Sanktionen und Embargo bringt das nichts. Deshalb war der Brief der anderen Jugendparteien eher Symbolpolitik. Manche Mitglieder von uns sind schon seit Oktober 2023 in dieser Frage aktiv, haben gute Kontakte zum Palästina-Netzwerk in Luxemburg, nehmen an Demos teil.

Es ist ja eindeutig, dass der Staat Israel ein koloniales Projekt durchführt, deshalb müssen wir dagegen sein.  Wir sind gegen jede Form von Besatzung, sei es in Gaza oder woanders.

Tom Rees

Gibt es in der „jonk Lénk“ eine zionistische Strömung neben der pro-palästinensischen, wie es zum Beispiel in Deutschland der Fall ist?

A.H.: In der Linken in Deutschland spielen Debatten um den Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit und die daraus zu ziehenden internationalen politischen Konsequenzen eine wichtigere Rolle, es kommen sehr viele Antisemitismus-Vorschläge innerhalb der Partei. Das ist in seiner Ausprägung ein deutschlandspezifisches Problem. Bei uns ist die Diskussion weniger aufgeheizt, es ist ein internationales Thema, das wir so objektiv wie möglich anzugehen versuchen. Und wir sehen, dass Israel gegen internationales Recht verstößt. Debatten über Zionismus werden bei uns eigentlich gar nicht geführt.

T.R.: Bei unserer Gründung haben wir in unsere Satzung geschrieben, dass wir eine antiimperialistische und antikolonialistische Partei sind. Es ist ja eindeutig, dass der Staat Israel ein koloniales Projekt durchführt, deshalb müssen wir dagegen sein. Wir sind gegen jede Form von Besatzung, sei es in Gaza oder woanders.

Der antiimperialistische Diskurs spielt auch im Ukraine-Konflikt eine Rolle. In dieser Frage wird parteiintern diskutiert. Handelt es sich um einen Generationenkonflikt zwischen „Alt-Linken“ und „Jung-Linken“?

T.R.: Es sind vereinzelte Mitglieder, die ihre Positionen aber nicht durchsetzen können. Es ist weniger ein Generationenkonflikt als eine gesunde Auseinandersetzung. Jede Partei braucht Mitglieder, die auch mal gegen die offizielle Linie gehen. Vor allem den jungen Mitgliedern, die die Geschichte der Partei und ihren theoretischen Hintergrund vielleicht weniger gut kennen, können solche Debatten etwas bringen.

A.H.: Mich freut es, dass wir an einem Punkt angelangt sind, wo wir vorankommen und zusammen etwas erreichen wollen, statt uns über Kleinigkeiten zu streiten. Die Ukraine hat ein Recht auf Selbstbestimmung und Selbstverteidigung – das unterstützen wir. Das bedeutet nicht, dass wir für Waffenlieferungen sind, doch wenn das in Verbindung mit anderen Maßnahmen bis zu einem gewissen Maß erforderlich ist für den Selbsterhalt der Ukraine, dann müssen wir mit diesen Widersprüchen umgehen können.

Nach Stimmenverlusten bei den Kammerwahlen ist „déi Lénk“ in Umfragen wieder leicht im Aufwind. In der letzten Legislaturperiode war es ähnlich, 2021 lag die Partei in der „Sonndesfro“ bei sieben Prozent, nach der Rotation kam der Absturz, bei den Wahlen blieben nur noch 3,8 Prozent übrig. Im Politmonitor schneidet Marc Baum überdurchschnittlich gut ab, David Wagner wird nicht abgefragt. Richtet das Rotationsprinzip nicht mehr Schaden als Gutes an?

T.R.: Über das Rotationsprinzip wird innerhalb der Partei im Rahmen der Strategieänderung diskutiert. Ana Correia und Gary Diderich, die in einem Jahr in die Kammer nachrücken werden, sind beide sehr kompetent und cool. Es ist wichtig, dass sie Sichtbarkeit bekommen. Für einfache Parteimitglieder ohne Mandat ist es sehr schwierig, in den Medien präsent zu sein, deshalb ist das Rotationsprinzip nützlich, um neue Stimmen und Gesichter nach vorne zu bringen. In anderen Fällen macht es vielleicht weniger Sinn, deshalb muss man von Fall zu Fall entscheiden, ob es etwas bringt.

A.H.: Wir Jungen profitieren ja auch von der Rotation, sie verhindert, dass eine Person nur des Machterhalts wegen in ihrem Amt bleiben kann.

Was ist denn das Ziel dieser Strategieänderung? Wird „déi jonk Lénk“ in den Prozess einbezogen?

T.R.: Das Ziel kennen wir noch nicht genau, das wird erst intern analysiert. Ich möchte noch nicht zu viel dazu sagen. In den Gremien der Mutterpartei sind wir gut repräsentiert, wir haben demnach durchaus ein Mitspracherecht und wollen unsere Ideen durchsetzen. Man sieht ja auch jetzt in Deutschland, dass insbesondere in der jungen Bevölkerung ein Bedürfnis nach einer starken linken Partei vorhanden ist.

A.H.: Wenn wir eine aktive Gegenkraft werden wollen, müssen wir uns meiner Meinung nach auf unsere Stärken besinnen und andere Punkte vielleicht in den Hintergrund rücken, um etwas aufbauen zu können.

Laut Woxx hat David Wagner Ende Juli bei der „Summerakademie“ in Lultzhausen gesagt, „déi Lénk“ denke darüber nach, ein eigenes Medium aufzubauen, weil sie in den klassischen Medien nicht präsent genug sei. Solche Projekte hat es in der Vergangenheit schon des Öfteren gegeben, sie gingen fast immer von jungen Linken aus, konnten sich aber nie etablieren.

A.H.: An dem Wochenende wurde viel darüber diskutiert, wie die Linke künftig besser erreichbar sein kann.

T.R.: Die Frage ist, wie wir sichtbarer werden und unsere Ideen besser vermitteln können. Wie wir den Leuten zeigen können, dass unsere Vorschläge gut und wirksam sind. Die drei letzten Wahlen haben wir verloren, also müssen wir etwas ändern. Was das sein soll, wird noch besprochen.

Zu den Personen

Alice Hoffmann (27) hat Philosophie und Architektur in Wien studiert, seit April arbeitet sie als Projektmanagerin beim Beratungsunternehmen Drees & Sommer in Münsbach. Tom Rees (27) wurde im März neben Anastasia lampolskaia zum Ko-Sprecher des geschäftsführenden Gremiums „Groupe de coordination“ von „déi jonk Lénk“ gewählt, er absolviert derzeit einen Master in Sprach- und Kulturwissenschaften an der Uni Luxemburg.