Freitag31. Oktober 2025

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50.000 Franken verspielt: Wie sich ein unehrlicher Beamter im Jahr 1907 mit Geld aus der Gemeindekasse aus dem Staub machte

50.000 Franken verspielt: Wie sich ein unehrlicher Beamter im Jahr 1907 mit Geld aus der Gemeindekasse aus dem Staub machte

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In letzter Zeit wurde öfters von Geldern gesprochen, die in verschiedenen Verwaltungen verschwunden sind. In diesen Fällen sind Beamte in Verdacht geraten. Sie gelten bis zur Aufklärung als unschuldig. Doch solche Fälle sind nicht neu.

Von Roby Fleischhauer

Ausgerechnet im Jahr der Verleihung des Stadttitels an Differdingen am 6. Juli 1907 meldeten Zeitungen, dass der damalige Differdinger Gemeinde-Einnehmer verschollen sei. Tags darauf wurde berichtet, dass er vom 22. bis 28. Juni Urlaub genommen habe und anschließend nicht mehr auf der Arbeit erschienen sei.

Am 5. Juli erhielt Bürgermeister Dr. Conzemius einen Brief, in dem der Einnehmer, ein pensionierter Lehrer, ihm mitteilte, er habe sein gesamtes Vermögen an der Börse verspekuliert. Deswegen sei er gezwungen, seine Kündigung einzureichen.

Seiten herausgerissen

Die Schlüssel des Kassenschrankes folgten in einem Paket. Am 6. Juli nahm man eine Untersuchung vor und stellte fest, dass sich noch 3.040 Franken im Kassenschrank befanden. Aus sämtlichen Verwaltungsbüchern waren die Blätter ab Januar 1906 herausgerissen worden und verschwunden.

Nachträglich fand man heraus, dass der Einnehmer bereits seit längerem an der Börse „gespielt“ hatte. Ein Defizit von 30.000 Franken in der Kasse war bereits von seinem Schwiegervater, einem vermögenden Unternehmer aus Düdelingen, gedeckt worden. Der Einnehmer habe damals hoch und heilig versprochen, nie mehr zu spekulieren. Sein Versprechen brach er aber schnell und verspielte sein gesamtes Vermögen: um die 50.000 Franken.

Vermutlich bis nach Kuba

Im Juni jenes Jahres hatte er versucht, sich jede mögliche Art von Geld, das der Gemeinde geschuldet war, „auszuleihen“. Das ging natürlich schief. Daher die Flucht. Er soll zuerst nach Brüssel gereist sein und anschließend nach Paris.

Dann verlor sich seine Spur. Es wurde gemunkelt, er sei in Cuba gelandet. Zu dem Zeitpunkt soll er im Besitz von rund 50.000 Franken gewesen sein. Am 20. November wurde in der Presse gemeldet, dass der untreue Einnehmer, bevor er das Weite gesucht hatte, unter anderem für über 6.000 Franken Titel der luxemburgischen Staatsschuld aus der Kasse entnommen und in Luxemburg bei einem Bankhaus versilbert hatte.

Der Rat ernannte den Gemeindesekretär Colbach daraufhin provisorisch zum Einnehmer. Da die Konten verschwunden waren, dauerte es lange, um herauszufinden, wie viel in der Gemeindekasse fehlte. Es konnte nicht mehr festgestellt werden, wer von den Steuerpflichtigen seinen Teil bezahlt hatte und wer nicht.

Hoher Schaden und ein großes Durcheinander

Dadurch entstand ein hoher Schaden für die Gemeinde. Diejenigen, die bezahlt hatten, konnten ihre Quittung vorweisen. Die anderen verhielten sich ruhig. Ein Journalist in der Bürger- und Beamtenzeitung meinte: „Andere, Personen, die nicht bezahlt haben und die man dazu anhalten will, werden behaupten, sie hätten die Quittung verloren. Das Beste wird sein, die Gemeinde Differdingen schluckt die bittere Pille, macht ein Kreuz durch die vorhergehenden Rollen und fängt guten Mutes wieder frisch an.“

Bei der Gelegenheit wurde bemängelt, dass das Finanzsystem der Gemeinden veraltet sei. Es stamme noch aus der französischen Revolution. Das System sah damals so aus: Die eingenommenen Gelder der Gemeinde flossen in bar in die Gemeindekasse und blieben dort bis zur Verwendung liegen. Demnach gab es keine Zinsen für die eingenommenen Summen. Der Weg über Geldinstitute war damals für Gemeindefinanzen nicht üblich.

Tenté par les charmes de la Circé malfaisante

Am 29. Juli nahm in der Escher Zeitung ein Leser (scheinbar ein früherer Freund des unehrlichen Einnehmers) diesen Vorfall zum Anlass, um die Geldgier der Leute auf eine sehr theatralische Art an den Pranger zu stellen. „Cette impérieuse et inextinguible soif de l’or, cette âpre course à la fortune a fait une nouvelle victime. Notre receveur communal s’est laissé tenter par les charmes de la Circé malfaisante; il a embrassé à lèvres goulues sa bouche provocante, il a possédé son corps souple et voluptueux, il a été son fol amant. Sous ses baisers brûlants et malsains se sont envolés les beaux attributs de la jeunesse; adieu folie et charité! Pour lui plaire, pour conserver les faveurs de l’inconstante il a foulé aux pieds tout ce qu’il y avait d’honnête en son âme de travailleur acharné; il se sentait capable des pires malfaits. Il est devenu avare, voleur et faussaire, il a croulé dans la fange. Cheval fougueux mais mal entrainé il a panaché dans les tribunes …“

Erst in der Sitzung des 19. Januar 1908 wurde ein neuer Einnehmer gewählt. Ein Lehrer, ein Post- und ein Bürobeamter hatten ihre Kandidatur gestellt.

Hubertus
30. Juli 2019 - 21.02

Mich würde eher interessieren wie es denn jetzt eigentlich in Hesperingen aussieht. Über 20 Jahre Selbstbedienung und keiner merkt irgendwas !!!!