Großherzog Henri20 Jahre Krisen, Affären und Skandale 

Großherzog Henri / 20 Jahre Krisen, Affären und Skandale 
Im Dezember 2008 stürzte Großherzog Henri (hier bei einer Visite des Science Center in Differdingen im Jahr 2017) Luxemburg in eine institutionelle Krise, als er sich weigerte, das Euthanasiegesetz zu unterzeichnen Foto: Editpress/Tania Feller

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Die 20-jährige Regentschaft von Großherzog Henri kannte nicht nur Höhepunkte. Streitigkeiten und häufige Personalwechsel am Hof, ein uneheliches Kind sowie Verstrickungen in die „Bommeleeër“- und SREL-Affären brachten die großherzogliche Familie immer wieder in die Schlagzeilen. All diese Ereignisse trugen mit dazu bei, dass der politische Einfluss und die Macht des Großherzogs im Laufe der Jahre immer weiter beschnitten wurden. Die Institution an sich hat aber bislang überlebt.

Der wohl größte politische Skandal ereignete sich im Dezember 2008. Mitten in der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise stürzte Großherzog Henri Luxemburg auch noch in eine institutionelle Krise, als er sich weigerte, das Euthanasiegesetz zu unterzeichnen. Offenbar plagten den Großherzog und seine Familie, die laut d’Lëtzebuerger Land Beziehungen zu der ultrakonservativen Charismatischen Bewegung unterhält, Gewissensbisse. Ohne Henris Unterschrift hätte das vom Parlament verabschiedete Gesetz nicht rechtskräftig werden können. Während Bistum, Vatikan und andere konservative Kreise den Großherzog darin unterstützten, dem Gesetz seine Zustimmung zu entziehen, wurde die Aktion in der breiten Öffentlichkeit als Angriff auf die parlamentarische Demokratie gedeutet. Unmittelbar nach Premierminister Jean-Claude Junckers Ankündigung, Henri weigere sich, das Sterbehilfegesetz zu unterschreiben, beschloss das Luxemburger Parlament eine Verfassungsänderung. Innerhalb von nur drei Monaten wurden die Vorrechte des Großherzogs beschnitten. Das Recht, Gesetze zu sanktionieren, wurde ihm entzogen, er durfte sie fortan nur noch promulgieren. Zugleich nahm die Kammer einstimmig eine Resolution an, um die 2005 initiierte Verfassungsrevision zu beschleunigen. Eines der Hauptanliegen der Revision war es, die Machtbefugnisse und die verfassungsrechtlichen Verpflichtungen des Großherzogs zu ändern.

Für sein Engagement im Dienste des Vatikans wurde Großherzog Henri im September 2009 mit dem Van-Thuan-Menschenrechtspreis ausgezeichnet. Vor dem Hintergrund der institutionellen Krise, die er ausgelöst hatte, eine eher zweifelhafte Auszeichnung. In katholischen Kreisen wurde Großherzog Henri als eine Art Märtyrer gefeiert, weil er seine politischen Rechte dem Kampf für das ungeborene Leben geopfert hätte. „Großherzog Henri von Luxemburg lebt ganz konkret die katholischen Prinzipien, insbesondere den Schutz des Lebens und der Religionsfreiheit“, begründete Kardinal Renato Raffaele Martino laut Luxemburger Wort damals die Auszeichnung des fünfmaligen Vaters Henri. Bereits während der Verfassungskrise im Dezember 2008 hatte Martino den Großherzog als überzeugten Katholiken gelobt, der sich weigere, „ein Gesetz gegen das Leben“ zu unterzeichnen.

Ein uneheliches Kind

Dabei hatte alles so schön begonnen. Am Valentinstag 1981 ehelichte Erbgroßherzog Henri als moderner Thronfolger die bürgerliche Kubanerin Maria Teresa Mestre aus Genf in der Kathedrale. Nur neun Monate später brachte sie schon den nächsten Thronfolger Guillaume zur Welt. Am 7. Oktober 2000 übernahm Henri die Rolle des Staatschefs von seinem Vater Jean. Doch nur 18 Monate nachdem er den Thron bestiegen hatte, kam es zum ersten Eklat. Im Juni 2002 lud Großherzogin Maria Teresa die Chefredakteure der luxemburgischen Presse in den Palast ein und erzählte ihnen, wie ihre Schwiegermutter Joséphine-Charlotte ihr das Leben zur Hölle mache. In der Öffentlichkeit stieß diese Aktion aber größtenteils auf Unverständnis.

Drei Jahre später mischte sich Großherzog Henri zum ersten Mal in das politische Geschehen ein, als er 2005 in seiner Neujahrsansprache verkündete, er werde beim anstehenden Referendum für den EU-Verfassungsvertrag stimmen, obwohl er als Staatschef nicht einmal wahlberechtigt war.

Im Sommer 2005 gab der großherzogliche Hof bekannt, dass der drittälteste Sohn des großherzoglichen Paares, Prinz Louis, und seine Freundin Tessy Antony aus Niederkorn ein uneheliches Kind erwarten. Für die erzkonservative Familie muss diese Nachricht ein Schock gewesen sein. Der damals 19-jährige Louis und seine ein Jahr ältere Freundin hatten sich kurz zuvor beim Militär auf dem Herrenberg kennengelernt. Am 12. März 2006 gebar Tessy ihren gemeinsamen Sohn. Trotz anfänglich anderslautender Bekundungen des Hofes heirateten die beiden am 29. September 2006. Knapp ein Jahr später kam ihr zweiter Sohn zur Welt. Prinz Louis verzichtete auf die Thronfolge. Im Januar 2017 gab der Hof die Scheidung des Paares bekannt, die mehr als zwei Jahre später vollzogen wurde.

„Gréngewald“ und Familienschmuck

Im Juli 2006 wurde bekannt, dass Großherzog Henri einen Teil des „Gréngewald“ verkaufen wolle. Nach Widerstand aus der Bevölkerung wich er von diesem Vorhaben wieder ab. Stattdessen plante die großherzogliche Familie, den Schmuck der im Januar 2005 verstorbenen Großherzogin Joséphine-Charlotte über das Auktionshaus Sotheby’s zu versteigern, wie die französische Zeitschrift Point de Vue Mitte September 2006 meldete. In Zeitungsumfragen sprach sich die Bevölkerung mit großer Mehrheit gegen diese Versteigerung aus. Auch dieses Vorhaben zog der Hof am 22. September 2006 zurück. „Je me rends compte que j’ai sous-estimé la forte valeur symbolique attachée à ces biens et les émotions que ces initiatives pouvaient susciter“, schrieb Großherzog Henri in einer offiziellen Mitteilung. Zweck der geplanten Veräußerungen war es, einen Teil des Erbes der großherzoglichen Familie unter Henris Brüdern und Schwestern gerecht aufteilen zu können. Obwohl es bereits damals in der internationalen Presse hieß, die großherzogliche Familie gehöre zu den reichsten Monarchien Europas, schien es am Hof Liquiditätsprobleme zu geben.

2006 verließ Hofmarschall Jean-Jacques Kasel den Hof, weil er sich trotz vieler Bemühungen im Interesse des luxemburgischen Herrscherhauses zunehmend in die letzte Reihe gestellt fühlte, wie das Tageblatt im Dezember 2006 berichtete. In einem Porträt in der Wochenzeitung Le Jeudi hatte Kasel zuvor gesagt: „Et puis, aussi, pour ce grand serviteur de l’Etat, le climat qui hante le Palais grand-ducal ces derniers temps. Tout cela alimente sa désillusion. La rumeur le dit en partance. Il ne dissimule pas qu’il y songe“. Diese Aussage hatte Großherzog Henri offenbar missfallen.

Auch in die Geheimdienstaffäre, die 2013 schließlich zu vorgezogenen Neuwahlen und dem vorläufigen Ende des CSV-Staates führte, war der Großherzog impliziert. Ende 2012 hatte der frühere Chef des Geheimdienstes SREL, Marco Mille, dem Großherzog vorgeworfen, Beziehungen zum britischen Geheimdienst zu unterhalten, und laut Land den Personenschutz der großherzoglichen Familie mit einer „unkontrollierbaren ‚Privatarmee‘ verglichen“. Offenbar hatte der Hof versucht, sich eigenes Überwachungsmaterial zu beschaffen. Wegen einer verschlüsselten CD mit einem mutmaßlichen Gespräch zwischen Großherzog Henri und dem damaligen Premierminister Jean-Claude Juncker über die „Bommeleeër“-Affäre war der Geschäftsmann Loris Mariotto vom SREL abgehört worden. Ob die Abhörung von Juncker genehmigt worden war, ist bis heute ungeklärt. Der sogenannte SREL-Prozess, der im März dieses Jahres zu Ende ging, brachte nur wenig Aufschluss. Der Großherzog wurde offenbar nicht einmal befragt. Während Juncker nach Brüssel ins Exil musste, haben Henri und seine Familie die Affäre unbeschadet überstanden. Die mutmaßliche Verstrickung von Henris Bruder, Prinz Jean, in die „Bommeleeër“-Affäre konnte bislang ebenfalls nicht aufgeklärt werden.

Der Waringo-Bericht

Währenddessen drehte das Personenkarussell am Hof munter weiter. Großherzog Henri und Großherzogin Maria Teresa versuchten, die Leitung ihrer „Firma“ selbst in die Hand zu nehmen. Der Hofmarschall wurde nach und nach entmachtet und durch externe Berater und Manager ersetzt. 2016 stellte sich heraus, dass die französische Beraterin Chantal Selva, die das großherzogliche Paar mit der Modernisierung der Organisation des Hofes beauftragt hatte, einen Eintrag im Strafregister hatte. Sie musste daraufhin den Hof verlassen. Zu dieser Zeit begann Premierminister Xavier Bettel damit, die Modalitäten zur staatlichen Finanzierung des Hofes zu überarbeiten. 2017 wurde festgehalten, zwischen privatem und offiziellem Personal zu unterscheiden. 2018 wurden die angestrebten Reformen aber nur teilweise umgesetzt.

Zum Eklat kam es erst vier Monate nach dem Tod von Großherzog Jean am Ostermontag 2019. Im August vergangenen Jahres berichtete das Online-Magazin Reporter, dass seit 2015 mehr als 30 Mitarbeiter den Hof verlassen hätten und Premierminister Xavier Bettel den ehemaligen Direktor der „Inspection générale des finances“, Jeannot Waringo, zum Sonderbeauftragten ernannt habe, um die Personalpolitik des Hofes zu untersuchen. 

Am 2. Februar redete Land-Journalist Pol Schock auf RTL Radio über physische Gewalt am Hof. Die Staatsanwaltschaft leitete eine Untersuchung ein. Vor einer Woche wurden die Ermittlungen ohne Ergebnis eingestellt.

Am 5. Februar 2020 wurde Waringos Bericht veröffentlicht. Der Sonderbeauftragte hatte ein „Klima der Angst“ bei den Angestellten am Hof vorgefunden und verspürte zu Beginn das Gefühl, an seinen Untersuchungen gehindert zu werden. Zudem hatte Waringo herausgefunden, dass in den vergangenen fünf Jahren 51 von insgesamt 110 Mitarbeitern gekündigt hatten oder entlassen wurden. Im April 2020 wurde der „General Manager“ des Hofs, David Grieu, der unter Selva eingestellt worden war, fristlos entlassen. Offenbar hatte er Mitarbeiter des Hofes angewiesen, interne Dokumente zu vernichten, wie das Online-Magazin Reporter berichtete. Konkret sei es laut Reporter um das Dossier eines ehemaligen Kammerdieners gegangen, der nach seiner Entlassung Suizid begangen hätte. Wer Grieu zur Beseitigung der Dokumente angewiesen hatte, ist noch ungeklärt.


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Georges Schranz
30. Januar 2021 - 8.15

Den Ausverkaaf vum Genius wor Virgeschter, dei nei Generatioun leist op sech warden !!

GéBé
8. Oktober 2020 - 18.39

@Rombom............. ....a brëllen. VIVE. VIVE. VIVE

Rombom
8. Oktober 2020 - 7.40

Wat huet dir all Problemer, alleguer dei hei de Baak grouss obrappen stin an der eischter Reih wann Nationalfeierdag den Emzug geet

Halter
7. Oktober 2020 - 21.01

Hie war schonn am Michel Rodange kee 'stable genius'. No 14 Deeg hunn s'e missen eraushuelen, d'Blamage war einfach ze grouss.

Claudette
7. Oktober 2020 - 21.00

Mir mussen onbedéngt Leit wielen, déi dës Famill aus der Verfassung sträichen.

Haut
7. Oktober 2020 - 20.58

@ Mike "D’Land Lëtzebuerg wäert et ni ënner enger aanerer Staatsform gin, " Ma sécher, kuckt eis no, laang dauert et net méi. "éischter verschwënnt et vun der Kaart wéi datt et eng Republik gët. " LOL, wat wäert Dir Iech nach wonneren.

Mike
7. Oktober 2020 - 19.46

Tageblatt, schummt iech! D'Land Lëtzebuerg wäert et ni ënner enger aanerer Staatsform gin, éischter verschwënnt et vun der Kaart wéi datt et eng Republik gët. Vive d'groussherzoglech Famill!

Konsequenz?
7. Oktober 2020 - 18.56

Den Titel vom Artikel könnte man noch erweitern .... und prompt erhöht man im Einverständnis das Budget der Golden Family substanziell,

Roberto
7. Oktober 2020 - 15.52

Überflüssig wie ein Kropf.

lucilinburhuc
7. Oktober 2020 - 14.33

Vererbte "Verantwortungslosigkeit" Grosherzog sein ist die einzige erbliche Regierungsfunktion, in der der Grosherzog unantastbar ist. Er ist sozusagen "unverantwortlich", so wie es implizit und mitlerweile explizit im Gesetzesbuch steht. Die Frage, ob eine solch "archaische Institution" modernisiert werden kann, ist ein Widerspruch in sich: vererbte Verantwortungslosigkeit wird und kann niemals modern sein. Einen anderen Ansatz mus her: der "unverantwortliche" König kann auch auf längere Sicht einen verantwortungsvollen Platz in der parlamentarischen Demokratie einnehmen - nur unter Bedingung wo alle Arten von Privilegien, die die Legitimität dieser Position bedrohen, mittels klare und gewisshafte Definitionen über den Stellenwert des Königs in einem zeitgenössischen Staatssystem festgelegt sind.

en ale Sozialist
7. Oktober 2020 - 9.59

Etwas mehr Demut und Bescheidenheit wären angesagt. 20 Jahre Skandale und Affären sind keine ruhmreiche Bilanz!

HTK
7. Oktober 2020 - 9.45

Die Monarchien und Diktaturen haben ausgedient und dort wo es sie noch gibt herrscht Zeter und Mordio. Es wäre an der Zeit die Verfassung abzuändern und die Republik auszurufen.Die rechte Hand des Herrschers ist ja bereits abgesägt(Kardinal),der darf nur noch die Schlussprozession organisieren.Gut so,weiter in dem Sinne.Die Zahl der Wunder hat mit der Bildung des Volkes abgenommen und auch diese Staatsoberhauptsfigur die mit der "Grâce de Dieu" unsere Gesetze unterschreibt,oder auch nicht(dann macht es halt der Premier),braucht keiner mehr.Und Skandale bei Hofe nützen den Menschen nichts die nicht wissen wie sie über den Monat kommen sollen.Und den anderen auch nicht.

lucilinburhuc
7. Oktober 2020 - 9.14

Endlich mal ein kritischer Artikel zu dieser Familie und Machenschaften anstatt Schönwetterreden und Kritik hinter vorgehalterner Hand anderswo...

BéGé
7. Oktober 2020 - 8.53

Mit einem Schwarzen , Roten,Blauen oder Grünen mit Weib und Mann im Palais wären wir in der Welt der oberen 10.000 und ihren Regierungsvasallen,, durch , „ gudd gezillten ,voller Kinnklëcher Manéieren «  Herrschaften , bestens vertreten. . Diese „ normale „ Leutchen aus dem Volk , nach blauer Bluttransfusion , würden uns bestimmt weniger lächerlich machen als greise Meisterdiplomaten und Ihresgleichen.. Merde Alors ! Wir würden verschont bleiben von Familien-und andere Skandal und -dälchen, unmöglichen von Natur her zu fabrizierenden un-und ehelichen Kinder , von...und von allem in diesem Falll nicht Vorhersehbaren , oder ?