150 Jahre „Institut grand-ducal“: Kritiker fordern neues Konzept

150 Jahre „Institut grand-ducal“: Kritiker fordern neues Konzept

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Sie gilt als älteste Forschungsgesellschaft des Landes: Das „Institut grand-ducal“ feiert in diesen Tagen sein 150-jähriges Bestehen. Kritiker fordern jedoch ein völlig neues Konzept für das Institut.

Als vor rund einem Jahr das „Institut grand-ducal“ eine gesetzliche Grundlage erhielt, fassten die Abgeordneten die ehrwürdige Institution nicht gerade mit Samthandschuhen an: „Ein Institut, das nicht durch Aktivismus aufgefallen ist“, sagte Marc Baum, Abgeordneter von „déi Lénk“. Freundlicher im Tonfall, aber dennoch mit ähnlicher Botschaft sprach der DP-Abgeordnete André Bauler von einem Institut im „Dornröschenschlaf“. Und Franz Fayot (LSAP) fragte generell nach dem „Mehrwert“ des Instituts und forderte es auf, seine gesellschaftliche und wissenschaftliche Rolle grundlegend zu überdenken. In diesen Tagen feiert das Institut nun 150-jähriges Bestehen und hat dazu am Donnerstag zu einer akademischen Tagung in die Handelskammer eingeladen. Doch wo steht das Institut eigentlich heute – 150 Jahre nach der Gründung, ein Jahr nach der scharfen Kritik in der Chamber?

Wer sich bei Forschern und Politikern umhört, erhält ein klares Bild: Bisher habe sich wenig verändert. Das Institut sei weiterhin „verstaubt“, neue Impulse, Ideen und Initiativen suche man vergebens. Paul Dostert, der aktuelle Präsident des Instituts sowie der historischen Sektion, kann die Kritik zum Teil nachvollziehen. Man habe in der Tat in der Vergangenheit versäumt, das Institut zu modernisieren oder die Zielrichtung nach der Gründung der Universität zu überarbeiten. Auch sei die Öffentlichkeitsarbeit nicht gerade die beste gewesen. Dostert hofft, wie bereits vor einem Jahr, auf den Umzug in die Nationalbibliothek. Denn mit der Eröffnung der neuen Bibliothek auf Kirchberg im Mai 2019 beginne auch ein neues Kapitel für das Institut: Zum ersten Mal besitzt es eine eigene Adresse.

Wissensgesellschaft mit Tradition

Das „Institut grand-ducal“ galt dabei lange Zeit als Zentrum der Luxemburger Wissenschaft. Die Ursprünge gehen auf die ersten Jahre des Großherzogtums überhaupt zurück. Seit Anfang der 1840er-Jahre versammelte sich um den Wiltzer Arzt Claude-Auguste Neyen ein Zirkel von angesehenen Bürgern wie Joseph Paquet, Antoine Namur und François-Xavier Würth-Paquet. Ihr Ziel: die Errichtung einer historischen Gesellschaft zur Erforschung der nationalen Geschichte. Die Idee lag damals im Trend: Überall in Europa sprossen zu dieser Zeit historische Wissensgesellschaften aus dem Boden – es war die Phase, als Geschichte sich als wissenschaftliche Disziplin etablierte. Nach anfänglichen Finanzierungsproblemen sowie mangelndem Interesse des Monarchen Wilhelm II. genehmigte ein königlich-großherzoglicher Beschluss im Juli 1845 schließlich die Gründung der Gesellschaft zum Schutz historischer Denkmäler. Oder kurz: Archäologische Gesellschaft.

In den folgenden Jahren sollten weitere Luxemburger Wissensakademien folgen: 1850 wurde die Naturwissenschaftliche Gesellschaft gegründet, 1861 die Medizinwissenschaftliche Gesellschaft. Sie alle versammelten sich um das Athenäum und übten die Funktion einer Ersatzuniversität aus. Als der Londoner Vertrag 1867 die Autonomie Luxemburgs stärkte, fanden sich zunehmend Befürworter einer Fusion der wissenschaftlichen Gesellschaften Luxemburgs.

Auf der Suche nach einer neuen Mission

Darunter auch der damalige Finanzminister Alexandre de Colnet d’Huart. In einer Depesche vom 18. Mai 1867 schrieb er: „Au moment où notre patrie se trouve dégagée de tout lien qui l’unissait à des pays voisins, où elle est livrée à ses propres forces, tous les hommes de cœur et d’intelligence doivent redoubler d’efforts pour que le Luxembourg s’élève et se maintienne à la hauteur des nations qui nous entourent.“ Einer derart pathetischen Argumentation hatten die Gegner einer Fusion nichts entgegenzusetzen. Noch im Sommer des gleichen Jahres wurde deshalb die Vereinigung beschlossen – ein Jahr später, im Oktober 1868, entstand schließlich das „Institut royal grand-ducal“. Im 20. Jahrhundert stießen noch drei weitere Sektionen zum Institut hinzu. Seither bestehen die sechs Sektionen zwar unter dem Dach des Instituts, arbeiten aber alle äußerst autonom.

Dostert bestreitet nicht, dass sich das Institut auch der Grundsatzfrage stellen muss: „Was soll die Mission des Instituts im 21. Jahrhundert sein?“ Denn nach der Gründung der Universität Luxemburg habe sich der akademische Betrieb vollends auf die Universität verlagert. Dostert glaubt jedoch nicht, dass die Wissensgesellschaft keinen Platz mehr habe. Im Gegenteil: Er hofft auf weitere 150 Jahre. Deshalb will er nach der Regierungsbildung mit dem neuen Kulturminister in Kontakt treten, um über ein besseres Budget zu verhandeln.

Tatsächlich sieht das Kulturministerium jährlich lediglich eine Summe von 80.000 Euro für die sechs Sektionen vor. Zu wenig, um wirklich professionelle Arbeit leisten zu können, so Dostert. Denn lediglich auf ehrenamtlicher Basis könne die Wissensgesellschaft nicht mehr mithalten. Man bräuchte ein professionelles Sekretariat sowie jemanden, der das Inventar und den Bücherschatz des Instituts verwaltet. Ob das Institut tatsächlich noch einmal aus seinem „Dornröschenschlaf“ aufwachen wird, bezweifelt ein Forscher: Man müsse den Zustand eher als „komatös“ bezeichnen. Die Frage laute deshalb eher: „Wird es nicht langsam Zeit, die Geräte abzuschalten?“