Streit mit UntersuchungsrichterAnwaltschaft geht auf die Barrikaden und fordert Freispruch für Me Lutgen

Streit mit Untersuchungsrichter / Anwaltschaft geht auf die Barrikaden und fordert Freispruch für Me Lutgen
Ein scheinbarer Sandkastenstreit wird zur Grundsatzdiskussion über die Unabhängigkeit der Anwälte  Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Ein Anwalt müsse frei agieren können, wenn er die Interessen seiner Mandanten vertritt. Dass Me André Lutgen nun vor Gericht stehe, weil sich ein Untersuchungsrichter durch sein Benehmen eingeschüchtert und beleidigt fühle, stelle das Prinzip der Unabhängigkeit der Rechtsanwälte infrage, sagen seine Verteidiger. Alles andere als ein Freispruch für Me Lutgen wäre daher ein bedenkliches Signal.

Wer einen Anwalt angreift, greift alle Anwälte an. Das wurde am Dienstag und am Mittwoch am Bezirksgericht Luxemburg deutlich. Warum also plänkeln, wenn man eine Grundsatzdiskussion führen muss? Deshalb haben Me Maximilian Lehnen und Me François Prüm am Mittwoch das große Geschütz ausgefahren, um ihren Mandanten André Lutgen zu verteidigen. Dem Anwalt wird von Untersuchungsrichter Filipe Rodrigues Einschüchterung und Beleidigung vorgeworfen.

Nun könnte man die Berichterstattung dabei belassen. Nur müsste man dabei außer Acht lassen, dass dieser Fall gerade auch uns Bürger etwas angeht. Also all jene, die sich in einer Notsituation einem Anwalt anvertrauen, um zu ihrem Recht zu kommen. Diesem Anspruch kann ein Anwalt aber nur dann nachkommen, wenn er unabhängig und ohne Angst vor Repressalien arbeiten kann.

Alle rechtlichen Mittel

Bei einem Arbeitsunfall mit Todesfolge bei ArcelorMittal im Mai 2019 hat Me André Lutgen eigenen Aussagen sowie den Worten seiner Verteidiger zufolge genau das getan, nämlich alle ihm rechtlich zustehenden Mittel gewissenhaft und unter Wahrung der für seine Berufsgruppe geltenden Benimmregeln im Interesse seines Mandanten angewandt.

Dieses Prinzip ist durch die Vorwürfe des Untersuchungsrichters sowie durch die Anklage vor Gericht nun infrage gestellt. Die Antwort darauf ist demnach wegweisend und von größter Wichtigkeit für die Zukunft – die der Justiz im Allgemeinen sowie des Berufsstands der Rechtsanwälte und deren Verhältnis zu den Richtern im Besonderen.

Wie kam es zum Streit? Nun, damals, 2019, leitet Untersuchungsrichter Rodrigues die von der Staatsanwaltschaft wegen des Arbeitsunfalls bei ArcelorMittal eingeleiteten Ermittlungen. Bis zur Klärung der Todesursache lässt er eine für die Produktion äußerst wichtige Stromleitung sperren. Als Rechtsanwalt von ArcelorMittal setzt Me Lutgen folglich alles daran, dass die Leitung nur so lange wie nötig, aber so kurz wie möglich gesperrt bleibt. Natürlich geht es um Geld. Es geht aber auch um Arbeiter, die kurzfristig riskieren, arbeitslos zu werden. Es sind Kosten, die nachher dem Staat, ergo den Bürgern des Landes, aufgehalst würden. Die Beharrlichkeit des Anwalts lasse sich durch den dringenden Handlungsbedarf erklären, vor allem aber auch dadurch, dass der Untersuchungsrichter nicht zeitnah kommuniziert habe, sagen seine Verteidiger.

Es wurde nicht explizit gesagt, aber beste Freunde scheinen der Anwalt und der Untersuchungsrichter nicht zu sein. Ihre Beziehung zueinander macht vermutlich den Grundton in dieser Affäre aus. Das Gericht misst dem aber offenkundig keine Bedeutung zu.

Nicht strafbar

Es bleibt also nur die Frage, ob Me Lutgen durch sein Benehmen den Untersuchungsrichter in seiner Arbeit eingeschüchtert und beleidigend behandelt hat. Ja, sagt Me Cravatte, Verteidiger von Filipe Rodrigues. Der Vorsitzende Richter hat zumindest Bedenken ob der Beharrlichkeit und Eile, die der Angeklagte, Me Lutgen, an den Tag gelegt habe.

Selbstverständlich ist man nachher immer schlauer. Wenn Me Lutgen darauf hinweist, dass sich niemand wirklich für seine Beweggründe interessiert, möchte er wahrscheinlich damit auch sagen, dass er damals nicht wissen konnte, wie sich die Sache entwickeln würde und daher alles darangesetzt habe, um Schaden von seinem Klienten abzuwenden. 

Strafbar sei er deshalb nicht, und wer den Beruf des Anwalts ernst nehme, könne ihn ob seines Benehmens nicht verurteilen, geben seine Verteidiger unmissverständlich zu verstehen.

Der Prozess wird heute fortgesetzt. 

Joss
25. November 2021 - 23.33

Je,je,je, wat e Gedeessems!