MilitärfliegerHeute vor genau 40 Jahren erlebte Düdelingen einen schrecklichen Unfall

Militärflieger / Heute vor genau 40 Jahren erlebte Düdelingen einen schrecklichen Unfall
Aus dem Tageblatt vom 1. August 1981 …

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Heute vor genau 40 Jahren erlebte Luxemburg einen schrecklichen Unfall. Ein belgischer Militärflieger, der im Tiefflug über Luxemburg im Einsatz war, kollidierte mit dem Fernsehmast in Düdelingen. Der menschliche und der finanzielle Schaden war groß. Gespräch mit einem Augenzeugen von damals.

Es ist bereits 40 Jahre her. Doch Jerry Klein erinnert sich, als wäre es gestern gewesen. „Es waren Sommerferien. Ich war damals acht Jahre alt.“ Gemeinsam mit rund 65 anderen Kindern und Betreuern aus der Waldschoul war er zum Grillen auf dem „Ginzebierg“. Einen Steinwurf vom Sendemast Düdelingen entfernt. Der 300 Meter hohe Stahlfachwerkturm wurde von 1956 bis 1957 für die Übertragung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen von RTL/CLT errichtet. „Bereits damals gab es dort einen Grillplatz“, so Jerry Klein. Wir sind herumgelaufen, haben Würste gegrillt und haben ausgelassen gespielt.“ Es war Freitag, der 31. Juli 1981.

Dann passierte das Unglaubliche: Genau um 13.36 Uhr. Ein Düsenjäger, eine Mirage III der belgischen Luftwaffe, knallte in einer Höhe von etwa 105-150 Metern in den Sendemast. Eine „riesige Explosion“ folgte. „Es hat extrem geknallt“, so der gebürtige Düdelinger. „Die Hitze des Feuerballs spüre ich noch heute, wenn ich davon erzähle. Es folgte ein ohrenbetäubender Lärm, als die Stücke vom Flugzeug und der Antenne auf den Boden hinunterfielen.“ Im Umkreis von mehreren Kilometern seien die Stücke heruntergefallen, erinnert sich Jerry Klein. Das Flugzeug hatte den Mast praktisch in der Mitte abgeschnitten.

„Ein ohrenbetäubender Knall und eine riesige Stichflamme“ hat es nach dem Zusammenstoß gegeben, hieß es am darauffolgenden Tag im Tageblatt. Die Maschine sei „wie ein Feuerball explodiert“. Der Sendemast brach entzwei. Der obere Teil fiel mit der rund 25 Tonnen schweren TV-Antenne auf die Dienstwohnung der Techniker neben dem Sender. Das dort lebende Ehepaar konnte, einige Stunden später, nur noch tot unter den Trümmerteilen geborgen werden. Die Frau war im achten Monat schwanger. Ihr neunjähriger Sohn war mit Jerry Klein und den anderen Kindern am Grillplatz nebenan.

Die erste Seite vom Tageblatt am 1. August 1981
Die erste Seite vom Tageblatt am 1. August 1981

Danach entstand das totale Chaos

Auch der erfahrene Pilot, der 49-jährige Colonel Gennart, selbst Vater von sechs Kindern, fand einen schrecklichen Tod, war weiter im Tageblatt zu lesen. Teile seines Körpers waren in weiter Umgebung verstreut. Auch die Wrackteile des Flugzeugs wurden in bis zu 2,5 Kilometern Entfernung gefunden. Als der Tageblatt-Journalist eintraf, brannte es an einigen Stellen auf den Feldern, ist weiter zu lesen. Überreste des total zerstörten Flugzeugs.

„Es grenzt an ein Wunder, dass niemandem der Kinder am Grillplatz etwas passiert ist“, so Jerry Klein heute. Dass sie nicht von den herabfallenden Trümmerteilen getroffen wurden. „Bei einem ein wenig anderen Anflugwinkel wären die Wrackteile bis in eine Wohnstraße, oder in die picknickenden Kinder geflogen. Die Folgen sind nicht auszudenken …“, war am Tag nach dem Unfall im Tageblatt zu lesen. Man dürfe „die Gefährlichkeit der Militärflugzeuge nicht aus den Augen verlieren“.

Danach entstand das totale Chaos, erinnert sich der damalige Augenzeuge. Die einzige Zufahrtsstraße war sofort von Schaulustigen verstopft, die von überall herbeiströmten. „Luxemburg war nicht auf so etwas vorbereitet.“

Tausende von Schaulustigen

Kurz nach dem Unfall strömten Unmengen an Schaulustigen herbei, berichtete auch das Tageblatt. „Eine vorwitzige Menschenmenge erschwerte die Arbeit. (…) Tausende und Abertausende schienen den Ginsterberg zum Ausflugsziel auserkoren zu haben (…) Von nah und fern fanden sie sich ein, auch aus dem nahen französischen Grenzgebiet und aus Belgien.“

Nach dem Unfall wurde der Sendemast in fast gleicher Bauart neu errichtet
Nach dem Unfall wurde der Sendemast in fast gleicher Bauart neu errichtet Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Die Kinder auf dem Grillplatz wurden derweil sich selbst überlassen. „Wir waren der Presse, und auch allen anderen, damals egal“, so seine Erinnerung. „Wir mussten dann allein zu Fuß vom Ginzebierg aus nach Hause laufen. „Niemand interessierte sich für uns. Es wundert mich, dass in diesem durcheinander keine Kinder verloren gingen.“ Es gab keine Betreuung. Erst ein paar Tage später habe man sie in kleinen Gruppen ins Krankenhaus gebracht, um ihre Ohren zu kontrollieren. Man wollte sehen, ob bei niemandem das Trommelfell geplatzt sei, so seine Erinnerung. „Aber sonst hat niemand mit uns geredet. Auch danach nicht.“

Noch während die Rettungskräfte sich um die Bergung der Verschütteten kümmerten, „waren die Andenkensammler schon gleich nach der Explosion fleißig am Werk“, was die Untersuchung nicht erleichtert habe. Erst am Samstagnachmittag wurde die Gegend zum Sperrgebiet erklärt. Am folgenden Montag veröffentlichte das Tageblatt einen Aufruf, eventuell gefundene Wrackteile bei der Polizei abzugeben. Die Anonymität der Finder sei gewährleistet.

Über den Grund für die Katastrophe gibt es bis heute keine offiziell anerkannte Erklärung. Dafür umso mehr Gerüchte. „Ich verstehe nicht, wie so etwas passieren kann“, so der Augenzeuge von damals. „Es ist, als ob man in der Wüste in einen Baum knallt.“ Die Gerüchte gingen von Selbstmord des Piloten über technische Fehler bis hin zu Mutproben oder falsch eingestellten Autopiloten.

Jerry Klein
Jerry Klein

Auch für RTL blieb die Katastrophe nicht ohne Folgen. Von einem Tag auf den anderen wurden die Fernsehprogramme in Belgien, Lothringen und Luxemburg taubstumm. Die Übertragung der Sendungen von RTL war unterbrochen. In Belgien wurde schnell eine Lösung mit Land-Antennen gefunden. In Teilen Luxemburgs dauerte es einige Tage, bis das Fernsehprogramm wieder in den Haushalten verfügbar war. Bis für Lothringen eine Lösung gefunden wurde, sollten noch Wochen vergehen. Für den Medienkonzern war ein Schaden von vielen hundert Millionen Franken entstanden.

Es folgten Gerichtsprozesse. Letztendlich erhielt die Mediengruppe Schadenersatz in Höhe von einer Milliarde Franken, so Jerry Klein. Belgien übernahm mit 75 Prozent den Löwenanteil der Summe. „Zudem fliegen seitdem keine Militärjets mehr im Tiefflug über Luxemburg“, erzählt er. Einer der großen Diskussionspunkte im Prozess war nämlich, ob die belgische Mirage (Belgien ist NATO-Partner) überhaupt ohne formelle Erlaubnis über das Großherzogtum hätte fliegen dürfen. „Es war scheinbar nicht klar, ob sich der Kampfjet überhaupt hätte über Luxemburg befinden dürfen. Doch diese Frage wurde erst nach dem Unfall gestellt.“ Der Sendemast Düdelingen wurde im Jahr danach wieder aufgebaut: in gleicher Pylon-Form, allerdings nicht mehr ganz so hoch wie vor dem Unglück.

Jerry Klein hat das Ereignis nie vergessen können. „Während Jahren habe ich mich nicht mehr getraut, an den Ort des Geschehens zu gehen.“ Vor einigen Jahren hat er auf Facebook eine Seite zu dem Thema eingerichtet (https://www.facebook.com/antennacrash/). Er hofft, dass sich weitere Augenzeugen melden. Seine Seite zählt bereits über 300 Follower, doch nur wenige direkt betroffene. Am Ort des Geschehens erinnert heute nichts mehr an das Ereignis. „Es gibt keine Gedenktafel, nur von Zeit zu Zeit mal einen Zeitungsartikel“, bedauert er.