CoronaLuxemburger Experte: Eine Freigabe der Impfstoffpatente alleine wird ärmeren Ländern nicht helfen

Corona / Luxemburger Experte: Eine Freigabe der Impfstoffpatente alleine wird ärmeren Ländern nicht helfen
Christophe Haunold ist Head of Central Office for Partnership, Knowledge and Technology Transfer an der Universität Luxemburg Foto: Editpress/Claude Lenert

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Der amerikanische Präsident Biden hat vor einem Monat die Idee populär gemacht, die Patente auf Corona-Impfstoffe zu lockern. Alleine durch eine Lockerung des Patentschutzes werden ärmere Länder jedoch nicht in die Lage versetzt, ihre eigenen Impfungen zu produzieren, sagt Experte Christophe Haunold. Er schlägt eine bessere Lösung vor.

Eines seiner Wahlversprechen hat Joe Biden bereits erfüllt. In weniger als 100 Tagen seiner Amtszeit haben 200 Millionen Amerikaner eine Corona-Impfung erhalten. Gleichzeitig wurde den Vereinigten Staaten aber vorgeworfen, nicht genug für die globale Pandemiebekämpfung zu tun. Im letzten Monat dann hat die Regierung der USA beschlossen, die Idee, die Patente auf Covid-Impfstoffe auszusetzen, zu unterstützen. „Dies ist eine globale Gesundheitskrise, und die außergewöhnlichen Umstände der Covid-19-Pandemie erfordern außergewöhnliche Maßnahmen“, schreibt die Handelsbeauftragte der Vereinigten Staaten, Kathrin Tai, in einer Bekanntmachung vom 5. Mai 2021.

Diskutiert wurde die Idee bereits im letzten Jahr innerhalb der Welthandelsorganisation (WTO). In diesem Gremium haben sich zuerst Indien und Südafrika dafür starkgemacht, angesichts der sanitären Krise diese außergewöhnliche Maßnahme zu ergreifen, und um Unterstützer für die Idee geworben.

Kritiker mahnen allerdings, dass alles nicht so einfach ist. Nur weil Patente ausgesetzt werden, bedeutet das lange nicht, dass jeder anfangen kann, munter Vakzine zu produzieren. Dem muss auch Christophe Haunold beipflichten. Er ist Experte für Technologietransfer an der Universität Luxemburg.

Zum einen, so erklärt er, gibt es nicht das eine Patent pro Impfstoff. Vielmehr gibt es Hunderte Patente über Prozess, Moleküle und vieles mehr. Patente also, die die einzelnen Arbeitsschritte und Elemente der Impfstoffherstellung absichern. Zum anderen geben Patente nicht alle Geheimnisse der Herstellung preis. Es ist also ein bisschen so, als wenn man versuchen würde, eine Schwarzwälder Kirschtorte mit einem unvollständigen Rezept und ohne Backerfahrung herzustellen.

Knowhow gefragt

Um einen Impfstoff herzustellen, braucht es viel Knowhow und fachliches Können. Patente sind nur ein Teil der Gleichung. Wollte man Länder in die Lage versetzen, ihren eigenen Impfstoff herzustellen, müsste dieses Knowhow auch mitgeteilt werden, so Haunold. Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam, die eine Lockerung der Patente unterstützen, fordern deshalb auch zeitgleich einen Technologietransfer.

Aber was ist eigentlich ein Patent genau? Wenn ein Erfinder von seiner Erfindung profitieren will, muss er sicherstellen, dass seine Konkurrenten seine Idee, in die er vielleicht viel Zeit und Geld investiert hat, nicht einfach kopieren können. Um dies zu erreichen, kann er versuchen, seine Methoden geheim zu halten. Doch dann läuft er ständig Gefahr, dass ein Industriespion, ein geschwätziger Mitarbeiter oder ein anderer Umstand sein Geschäft ruiniert.

Eine zweite Möglichkeit ist, ein Patent anzumelden. Dazu muss er seine Erfindung dokumentieren und offenlegen – schließlich muss bekannt sein, was überhaupt geschützt wird –, aber im Gegenzug garantiert ihm der Staat, dass nur er über die Erfindung verfügen kann, für einen begrenzten Zeitraum (üblich sind 20 Jahre). Das Patent erlaubt es dem Erfinder, anderen zu verbieten, von seiner Erfindung zu profitieren und vor Gericht zu gehen, wenn sich jemand nicht an das Verbot hält. Faktisch wird also ein Monopol geschaffen.

Oft wird argumentiert, dass so Innovation überhaupt erst möglich wird. Wer würde denn, so fragen die einen spöttisch, noch Zeit und Geld in eine Entwicklung stecken, wenn danach jeder seine Erfindung ungehemmt kopieren könnte, um ihm den Profit streitig zu machen? Andere wiederum argumentieren, dass die Millionen Patente die Arbeit eines Erfinders zu einem juristischen Minenfeld machen.

Haunold kennt ein weiteres Argument für Patente: „Wenn ich ein Patent anmelde, dann erkläre ich ein Problem und lege offen, wie ich es zu lösen vermag. Damit schaffe ich aber gleichzeitig für andere die Möglichkeit, darauf aufbauend eine bessere Lösung zu finden.“

Juristisches Minenfeld

Ob Patente die Innovation nun bremsen oder beschleunigen, das ist für Haunold kontextabhängig. Für einen kleinen Erfinder, der sein Geschäft schützen will, so Haunold, wird das Patent zu einer wichtigen Hilfe. In den Händen von großen Unternehmen, die Patente, manchmal entgegen dem Allgemeininteresse, blockieren, sieht Haunold die Titel kritischer.

„Ein Patent ist ein komplexes Rechtsinstrument. Es kombiniert wissenschaftliche, rechtliche und wirtschaftliche Elemente“, sagt Haunold. Noch dazu eines, das schon sehr alt ist. Es ist ein Eigentumstitel, der auf viele Arten genutzt werden kann, zum Beispiel durch Verkauf oder Vermietung.

Würde ein Unternehmen irgendwo auf der Welt einen Impfstoff einfach so herstellen, dann würde es sich dabei um eine Fälschung handeln, erklärt Haunold. Und das ist illegal. Aufgrund von internationalen Verträgen über die gegenseitige Anerkennung von Patenten können Staaten ihren Unternehmen auch nicht einfach Straffreiheit garantieren, wenn sie zum Wohl der Bevölkerung Impfungen fälschen.

Von einer Lockerung würden vor allem die Länder profitieren, die keine großen Pharmakonzerne haben, die Patente halten, so Haunold. Warum setzen sich dann gerade die USA für die Lockerung ein? „Die komplexen Beziehungen zwischen Vertriebsunternehmen, Impfstoffherstellern und Patentinhabern erklären möglicherweise die Kehrtwende der USA und ihre Absichten.“ Wichtig ist es zu verstehen, so Haunold, dass Medikamente und Impfungen nicht aus einer Hand kommen. Vielmehr gibt es ganze Produktions- und Vertriebsketten, die sich über mehrere Länder verteilen können.

Dabei gibt es bereits eine Lösung, die ärmeren Ländern helfen könnte und die gleichzeitig Patente unangetastet lassen würde, glaubt Haunold. Die Idee stammt von einer anderen Krankheit. Zur Bekämpfung von AIDS wurde, mit der Unterstützung der Vereinten Nationen, ein internationaler Fonds eingerichtet – der Medicines Patent Pool (MPP). Dieser Fonds hat eigenen Angaben zufolge Vereinbarungen mit zehn Patentinhabern für dreizehn antiretrovirale HIV-Medikamente, eine HIV-Technologieplattform, drei direkt wirkende antivirale Hepatitis-C-Medikamente und eine Tuberkulose-Behandlung unterzeichnet. Durch den Fonds soll der Zugang von ärmeren Ländern zu Medikamenten verbessert werden. Derart könnte man auch mit den Patenten für Corona-Impfstoffe verfahren, glaubt Haunold. Die Patente-Inhaber könnten den Herstellern in Südafrika und Indien zu einem vernünftigen Preis Lizenzen geben, die es erlauben, die Impfstoffe legal herzustellen.

Derzeit gibt es noch keine Klarheit über eine Patentlockerung. Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam oder die Caritas unterstützen den Vorschlag. Neuigkeiten in dieser Hinsicht könnte es Ende der Woche vom G7-Gipfel in Cornwall geben, zu dem auch Südafrika und Indien als Gäste eingeladen sind. Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa hat im Vorfeld angekündigt, bei dem Gipfel auf Maßnahmen bezüglich der Patente für Corona-Impfungen zu drängen.

Nomi
10. Juni 2021 - 12.29

Di Produzenten dei' elo 20 Milliarden verdengt hunn, sollten dann eng puer Milliarden Dosen gratis produzei'eren !