MontenegroNoch kein Ausweg aus Chinas Schuldenfalle

Montenegro / Noch kein Ausweg aus Chinas Schuldenfalle
Der ehemalige Regierungschef Milo Djukanovic hat die Montenegriner in die chinesische Schuldenfalle geführt  Foto: Editpress-Archiv

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Das kleine Montenegro hat sich mit einem Großkredit für ein umstrittenes Autobahnprojekt völlig übernommen: Bislang stößt der EU-Anwärter mit seiner Bitte um europäische Hilfe bei der Umschuldung eines chinesischen Milliardenkredits auf kühle Reaktionen. Doch das letzte Wort scheint noch nicht gesprochen.

Probleme kommen auch auf dem Balkan dummerweise nie allein. Der Dauerstreit in der wackligen Koalition, die verheerenden Folgen der Pandemie und ein von den Vorgängern geerbter Großkredit von China, an dem das kleine Land zu ersticken droht: Montenegros erster Regierung, die nicht von dem jahrzehntelangen Dauerregenten Milo Djukanovic kontrolliert wird, droht schon nach wenigen Monaten das Scheitern.

Fast verzweifelt wirkte der Hilferuf, mit dem sich Vizepremier Dritan Abazovic im März an den Auswärtigen Ausschuss des Europaparlaments wandte: „Wir bitten Sie, uns bei der Rückzahlung der Gelder zu helfen, damit wir diesen Kredit durch europäische Darlehen ersetzen und den chinesischen Einfluss brechen können.“ In die chinesische Schuldenfalle hat sich der nur 620.000 Einwohner zählende Kleinstaat selbst gelotst. Seit der Unabhängigkeit 2006 trug sich Montenegro mit dem Plan des Baus einer Autobahn, die den Adria-Hafen Bar mit Serbien verbinden soll. Nachdem Verhandlungen mit westlichen Investoren gescheitert waren, entschied sich der damalige Premier und heutige Präsident Djukanovic 2014, das kostspielige Prestigeprojekt mit chinesischer Hilfe zu realisieren.

Das Staatsunternehmen China Road and Bridge Corporation übernahm die Realisierung eines ersten 41 Kilometer langen Teilstücks der rund 170 Kilometer langen Autobahn. Die immensen Kosten stemmt Podgorica mithilfe eines Kredits von einer Milliarde Dollar der chinesischen Exim-Bank. Die Warnungen der damaligen Oppositions- und heutigen Regierungsparteien vor einer Überschuldung wischte Djukanovic resolut zur Seite: „Wir sind uns der Risiken bewusst. Aber dies darf keine Ausrede für Tatenlosigkeit sein.“

Seitdem ist die Staatsverschuldung Montenegros auf über 90 Prozent geklettert – ein Viertel davon macht der chinesische Großkredit aus. Verschärft wird die angespannte Finanzlage durch die Corona-Krise. Der stark vom Tourismus abhängige Adria-Staat wies 2020 ein Minuswachstum von zwölf Prozent auf – und damit mit den höchsten Einbruch in der Region. Die geschrumpften Steuereinnahmen erschweren die Abbezahlung des Kredits: Im Juli ist die erste Rate in Höhe von 67,5 Millionen Dollar fällig.

Doch mit seinem Hilferuf stößt der EU-Anwärter bisher auf eher kühle Reaktionen. Die EU zahle für ihre Anwärter keine Kredite ab, die bei Drittstaaten aufgenommen worden seien, so der EU-Kommissionssprecher Peter Stano vergangene Woche. Ein Ausweg aus der chinesischen Schuldenfalle ist vorläufig nicht in Sicht: In Montenegros Medien wird darüber spekuliert, dass Peking sich den Zugriff auf den Hafen Bar oder die Autobahn sichern könnte, falls der Kredit platzen sollte.

Einfluss Pekings auf dem Westbalkan begrenzen

Doch trotz der harschen Abfuhr in Brüssel scheint das letzte EU-Wort noch keineswegs gesprochen. Die offizielle Antwort der EU-Kommission auf ein schriftliches Gesuch von Montenegros Regierung vom 5. April steht noch aus. „Wir haben niemand darum gebeten, unsere Schulden abzuzahlen“, stellt Finanzminister Milojko Spajic klar: Seine Regierung bitte lediglich um Hilfe bei der Refinanzierung des Kredits zu günstigeren Bedingungen.

Zwar will Brüssel den oft autoritär gestrickten Regenten im EU-Wartesaal keineswegs das Signal vermitteln, dass im Notfall die EU für leichtfertig aufgenommene Großkredite geradestehen werde. Doch nicht nur im Europaparlament mehren sich die Stimmen, dass man den Einfluss Pekings auf dem Westbalkan nicht nur beklagen, sondern sich um dessen Begrenzung aktiv bemühen sollte.

Die EU habe schon einmal einen Fehler gemacht, als sie China die Kontrolle über den griechischen Hafen Piräus überlassen habe, gibt die grüne Europa-Abgeordnete Viola von Cramon zu bedenken. Aus Brüssel würden viele „freundliche Versprechen“ kommen, aber sobald es ernst werde, sei mit „barschen“ Reaktionen zu rechnen, bemängelt Dusan Reljic vom Berliner SWP-Institut in einem Interview mit der Deutschen Welle: „Wenn die EU zeigen möchte, dass ein demokratischer Wandel durch Wahlen möglich ist, dann ist sie gut beraten, die neue Regierung trotz all ihrer Fehler zu unterstützen.“