US HostertAuf den Punkt mit … Henri Bossi: „Dann vergesse ich meine soziale Ader …“

US Hostert / Auf den Punkt mit … Henri Bossi: „Dann vergesse ich meine soziale Ader …“
Henri Bossi  Foto: Editpress/Anne Lommel

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In unserer Rubrik „Auf den Punkt mit“ fühlen wir Akteuren aus der BGL Ligue auf etwas andere Art auf den Zahn. Hostert-Trainer Henri Bossi sprach über eine alte Liebe, seine Ehe und die soziale Ader.

Tageblatt: Um den Namen Bossi kommt man in der nationalen Geschichte nicht herum. Welcher Bossi hat den größten Fußball-Sachverstand?

Henri Bossi: Ich würde schon sage, ohne mich selbst zu loben, dass ich da ganz vorne vertreten bin. Fußballerisch gesehen hat „eise Mars“ (Marcel, sein Bruder) am meisten erreicht. Paul (Monnerich) und Ben (Schouweiler) sind seine Söhne. Dann gibt es noch unsere Brüder Jean-Paul, Fränk und Christian. Die Leute sagten immer, dass Christian technisch gesehen das größte Talent hatte, aber er hat nie auf dem höchsten Niveau gespielt. 

Wie kommt es, dass alle mindestens einmal in ihrer Karriere in Niederkorn aktiv waren?

Das war quasi ein Muss, bis gewisse Leute bekanntlich der Meinung waren, dass in Niederkorn keine Bossis mehr gebraucht würden. Wir hatten unseren Job erledigt. Bis heute ist es diesen Menschen aber nicht gelungen, das aufzubauen, was sie angekündigt hatten. 

Wie stehen Sie heute zum Progrès?

So wie zu allen anderen Vereinen auch. Ich habe keinen direkten Bezug mehr. Auf Führungsebene gibt es eine Person, „die große Klappe“, wie ich sie nenne, die versucht, etwas zu erreichen, aber sie scheitern jedes Jahr. Mit allen anderen drumherum, die ich ansonsten kenne, sind die Beziehungen gut. Nur eben mit einer Person nicht, da gibt es keine Diskussion.

Besitzen Sie eine der Masken mit Ihrem Gesicht, die von den Differdinger Anhängern 2017 produziert worden sind? 

Ich weiß ja, woher das kam, nämlich von meinem Differdinger Kollegen Guy Bragard. Es war sicherlich das erste Mal in der Geschichte der Rivalität der beiden Klubs, dass die Differdinger einen Niederkorner unterstützt haben. Ich fand die Aktion „léif“ und besitze auch eine dieser Masken. Sébastien Thill, der damals für die Gemeinde gearbeitet hat, hatte mir eine als Andenken geschenkt. „Wou ass den Heng?“, stand damals auf dem Plakat. 

Sie verbringen täglich viele Stunden auf dem Fußballplatz. Ist der Trainer-Alltag Ihrer Meinung nach ein Vollzeitjob?

Heutzutage in der BGL Ligue auf jeden Fall. Manchmal frage ich mich, wie Berufstätige diesen ganzen Aufwand betreiben können. Ich bin in meinem sechsten Rentenjahr. Da kann man sich von morgens bis abends nur um Fußball kümmern. Ich pflegte auch immer ein gutes Verhältnis zu den Vereinspräsidenten – dazu gehören auch regelmäßige gemeinsame Restaurantbesuche. Mein jetziger Präsident und ich verstehen uns sehr gut. Erst gestern wurde ich in einem Interview gefragt, ob Jacques Wolter der verrückteste Präsident der Liga sei. Ich habe natürlich gleich „Ja“ gesagt. Er ist ein Phänomen. Unser Verhältnis ist wie eine gute Ehe: Wir streiten manchmal, dann wird auch mal einen Tag gemotzt, aber danach sind wir wieder auf einer Wellenlänge. 

Aber warum muss man denn als Trainer bereits mehrere Stunden vor dem Training vor Ort sein?

Wenn man eine strenge Ehefrau hat (lacht) … Nein, im Ernst: Ich habe das immer so gehandhabt. So kann ich in Ruhe alles vorbereiten. Wenn dann mal ein Spieler reden will, bleibt genug Zeit dafür. 

 Wann hat sich Ihre Frau mit diesem Rhythmus abgefunden?

Sofort. Als von einer möglichen Hochzeit die Rede war, habe ich gesagt: „Danielle, wenn du mich heiratest, dann ist Fußball an Platz eins, zwei und drei.“ Sie sagte: „Ok, ich habe verstanden“ – und hat mich trotzdem geheiratet. Das ist damals wirklich so abgelaufen, kein Witz. Sie mag Fußball und hatte kein Problem damit, am Mittwoch um 16.00 Uhr mit mir zum Spiel nach Wiltz zu fahren. Das läuft jetzt auch schon 30 Jahre so. Ich habe 1987 meinen ersten Trainerposten als Spielertrainer in Niederkorn angenommen. Seither gab es keine Saison Pause. Ich bin keiner, der weint und sagt, dass er den Akku aufladen muss. Klar bin ich hier und da auch mal rausgeflogen … Aber bis auf die vier Jahre als Jugendnationaltrainer betreute ich jedes Jahr ein Team.

Da bleibt also nicht viel Zeit für Hobbys, außer für den Ski-Urlaub in Zell am See?

Richtig. Das ist stets der Urlaub, auf den ich mich unheimlich freue. In den Weihnachtsferien kann man im Normalfall zwei Wochen abschalten. Sonst bin ich auch noch gerne Rad gefahren oder gelaufen. Aber für viele andere Hobbys bleibt keine Zeit. Einer, der den Trainerjob heute erledigt, muss sich komplett darauf fokussieren. Ich bin wirklich froh, dass meine Frau das versteht. Vor allem, da ich ihr zu Hause keine Hilfe bin. Ich will und kann nicht das machen, was sie sich manchmal erhofft hat. Sie streicht die Wände, nicht ich. 

Hat man als ehemaliger Präsident der Arbeiterkammer (bis 2007) ein anderes Verhältnis zum Profitum im Fußball?

Ich bedauere und betone immer noch, dass es hierzulande verboten sein müsste, dass Spieler, die im Monat zwischen 1.000 oder 3.000 Euro durch Fußball verdienen, keinem Beruf nachgehen. Was machen die, wenn sie 34 sind? Ich sage meinen Spielern immer: „Geht arbeiten.“ In den vergangenen Jahren wurde zwar in die Altersvorsorge eingezahlt, aber vor zehn Jahren ging das Geld noch „schwarz“ in die Taschen. Nachher erschrecken sie sich und es ist niemand mehr da, um ihnen auszuhelfen. Auch damals als „chargé de direction“ des Cefos habe ich immer versucht, den Jungs einen Arbeitsplatz zu beschaffen, damit sie beides kombinieren konnten. 

Spiegelt sich die soziale Ader auch bei der Trainerarbeit zurück?

Es wird immer schwieriger. Ich verlange meinen Spieler vieles ab. Erst am Mittwoch habe ich das in Wiltz noch mal selbst bemerkt. Ich hatte den Jungs angeraten, nicht den Weg über Ettelbrück zu fahren. Allerdings waren dann einige um 18.45 Uhr noch nicht angekommen – und dann ist meine soziale Ader nicht mehr da. Dann vergesse ich das, weil Fußball in meinem Leben so großen Anteil hat. Ich erinnere die Jungs immer wieder daran, dass unser Vorstand Geld sammeln muss, damit wir spielen können. Aber ansonsten, wenn mal ein Spieler zu mir kommt und sagt: „Ich brauche 100 Euro …“ Diese Spieler – und das könnte man bei allen nachfragen – wissen, was ich für sie gemacht habe … Und ich weiß es auch. Diese Jungs sind mir ewig dankbar. 

Zum Abschluss dann aber bitte noch ein paar Worte zu einer möglichen Fußballrente.

Ich bin 63, irgendwann muss ich aufhören. Es gibt ja anscheinend jetzt schon Leute, die fragen: „Was macht der Alte noch da?“ Ich sage dann immer, dass wir gerne darüber diskutieren können, wer die modernere Auffassung vom Fußball hat. Mein Problem ist allerdings, dass ich mich frage, was ich mache, wenn ich keinen Fußball mehr habe. Ich bin zufrieden in Hostert und könnte mir vorstellen, noch zwei Jahre draufzupacken. Danach möchte ich freiwillig im Verein aushelfen. Das wollte ich eigentlich immer in Niederkorn machen und dort den Rasen mähen oder Umkleiden putzen. Nun werde ich das wahrscheinlich in Hostert machen. Aber im Fußball weiß man nie, was morgen ist. Deshalb will ich mich noch nicht festlegen. 


2 Fragen zum Wochenende

Sie könnten am Montag in Differdingen mit Ihrer eigenen BGL-Ligue-Serie aus dem Jahre 2017 gleichziehen (7 Spiele ohne Niederlage). Haben Sie solche Zahlen immer im Hinterkopf?

Nein, für mich zählt nur die Gegenwart. Ich bin kein großer Freund von Statistiken. Das Einzige, was für mich wichtig ist, ist, dass wir bei einem Sieg gegen Differdingen sogar noch auf Platz vier schielen. Es wird aber auch andernfalls kein Lockerlassen geben. 

Hostert scheint im Moment keine Probleme zu haben, Topteams zu überrumpeln. Werden Sie noch einmal nachlegen können?

Wir sind die erste Mannschaft, die den F91 in dieser Saison geschlagen hat. Danach haben wir gegen die Fola und Niederkorn unentschieden gespielt. Unser Problem in der Vorrunde war, dass Leute wie Trani oder Tibor gefehlt haben. So langsam hat das Team die Philosophie intus. In Wiltz habe ich während der ersten 20 Minuten nicht gebrüllt … Danach musst du es aber machen, um sie dann wieder daran zu erinnern. Wir gehören zu den Kleinsten der Liga, sodass man schon sagen kann, dass wir das gut gelöst haben. Gegen Differdingen ist alles drin. Wir sind in der Lage, jeden Gegner zu schlagen. Meine Mannschaft ist noch immer eine Überraschungstüte.