BeschwerdeDas sind die Schritte, die bei einem Mobbingfall im EU-Parlament eingeleitet werden

Beschwerde / Das sind die Schritte, die bei einem Mobbingfall im EU-Parlament eingeleitet werden
 Symbolfoto: Editpress/Alain Rischard

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Der Mobbingfall der Ex-DP-Politikerin und EU-Abgeordneten Monica Semedo erhitzt seit kurzem die Gemüter im EU-Parlament und in der Politik des Großherzogtums. Seit Juli 2018 gibt es für solche Fälle eine neu ausgearbeitete Vorgehensweise, sollte ein Fall von Mobbing unter den Mitarbeitern des Parlaments gemeldet werden. Das Tageblatt hat sich die Prozedur Schritt für Schritt angeschaut.

Im EU-Parlament arbeiten mehrere Tausend Menschen, die sich teilweise jeden Tag in ihrer beruflichen Tätigkeit begegnen und miteinander auskommen müssen. Dass dabei nicht immer alles glattläuft, ist meist schon halb vorprogrammiert – doch kommt es zum Mobbing zwischen Mitarbeitern, ist eine Grenze überschritten. Deshalb gibt es im EU-Parlament seit dem 2. Juli 2018 eine neu festgelegte Prozedur, die in Gang gesetzt werden kann, sollte ein Mitarbeiter einen Fall von Mobbing in der Institution melden.

Zunächst wird in der Regelung festgelegt, wie Mobbing überhaupt definiert wird: „Mobbing bezeichnet jedes unangemessene Verhalten, das sich über einen längeren Zeitraum erstreckt, wiederholt oder systematisch auftritt und körperliches Verhalten, gesprochene oder geschriebene Sprache, Gesten oder andere Handlungen umfasst, die vorsätzlich begangen werden und die Persönlichkeit, die Würde oder die physische oder psychische Integrität einer Person beeinträchtigen können.“

Auch der Begriff der sexuellen Belästigung wird dort definiert – als „auf das Geschlecht bezogenes Verhalten, das von der Person, an die es gerichtet ist, nicht erwünscht ist und das bezweckt oder bewirkt, dass diese Person beleidigt wird oder ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Beleidigungen oder Störungen gekennzeichnetes Umfeld entsteht“.

Schritt 1

Der betroffene Mitarbeiter des EU-Parlaments kann in einem Mobbingfall einen Antrag bei der Anstellungsbehörde einreichen – in Form eines Ersuchens um Unterstützung. Bevor der Betroffene seine Beschwerde einreicht, kann er sich informell an die Mitglieder des Ausschusses oder dessen Sekretariat wenden. Der Betroffene wird in dem Konzept auch Beschwerdeführer genannt.

Schritt 2

Reicht ein Beschwerdeführer ein Ersuchen um Unterstützung ein, informiert die Anstellungsbehörde einen Ausschuss und übergibt die Beschwerde der zuständigen Dienststelle im Generalsekretariat des Parlaments. Diese Dienststelle nimmt anschließend eine gründliche Voruntersuchung des behaupteten Sachverhalts vor, um festzustellen, ob Hinweise auf eine Belästigung vorliegen.

Schritt 3

Innerhalb von 40 Tagen nach Eingang der Beschwerde legt die zuständige Dienststelle dem Ausschuss und der Anstellungsbehörde eine Voruntersuchung vor. Diese vorläufige Untersuchung enthält die Beschwerde und gegebenenfalls schriftliche Zeugenaussagen, eine Liste und eine Zusammenfassung der gesammelten Beweise und Kopien der einschlägigen Dokumente sowie eine Stellungnahme dazu, ob ein stichhaltiger Beweis für eine Belästigung vorliegt oder nicht.

Die Untersuchung stützt sich dabei auf die Beschwerde selbst und gegebenenfalls auf schriftliche Erklärungen der vorgeschlagenen Zeugen. Außerdem können auch Informationen bei den zuständigen Dienststellen der Verwaltung eingeholt werden, wie zum Beispiel Abwesenheitszeiten oder Unterlagen über die Einstellung des Betroffenen.

Schritt 4

Liegen keine ausreichenden Beweise für einen Fall von Mobbing vor, konsultiert die Anstellungsbehörde im Einvernehmen mit dem Ausschuss den Juristischen Dienst und gibt dem betreffenden Bediensteten Gelegenheit zur Anhörung, bevor sie eine Entscheidung trifft. Wenn genügend Beweise vorliegen, um einen handfesten Beweis für einen Mobbingfall darzulegen, setzt der Ausschuss die Untersuchung fort.

Eine vorsätzlich falsche oder irreführende Beschwerde kann ein Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer nach sich ziehen. Ist der Beschwerdeführer ein Praktikant beim EU-Parlament, kann sein Praktikum bei einer absichtlich falschen Beschwerde beendet werden.

Schritt 5

Die Anstellungsbehörde kann im weiteren Verlauf der Untersuchung jederzeit beschließen, vorläufige Maßnahmen zu ergreifen. Diese Maßnahmen können unter anderem darin bestehen, dass dem Beschwerdeführer gestattet wird, seine Arbeit zu Hause verrichten – oder zwar im Europäischen Parlament, jedoch nicht im Büro des betreffenden Mitglieds. Möglich ist auch, dass der Beschwerdeführer von Amts wegen beurlaubt wird.

Beschließt die Anstellungsbehörde, vorläufige Maßnahmen zu ergreifen, unterrichtet sie den Ausschuss über die Maßnahmen und gibt an, ob es notwendig war, das betreffende Mitglied zu informieren. Der Ausschuss setzt sich aus sechs Mitgliedern zusammen und wird, ebenso wie der Vorsitzende des Ausschusses, vom Präsidenten des Europäischen Parlaments ernannt. Er arbeitet laut dem Konzept „in völliger Selbstständigkeit, Unabhängigkeit und Vertraulichkeit“.

Schritt 6

Als nächstes unterrichtet der Ausschuss das beschuldigte Mitglied über die eingereichte Beschwerde und übermittelt ihm eine Zusammenfassung der erhobenen Vorwürfe. Derjenige kann sich mit den Unterlagen vertraut machen und seinen Standpunkt oder Argumente darlegen, falls gewünscht. In der Zusammenfassung kann die Herkunft bestimmter Zeugenaussagen verschwiegen werden, falls das zum Schutz der Zeugen erforderlich ist.

Der Ausschuss gibt dem betroffenen Mitglied daraufhin eine angemessene Frist zur Stellungnahme, bevor der Beschwerdeführer vom Ausschuss angehört wird. 

Schritt 7

Der Beschwerdeführer wird so schnell wie möglich aufgefordert, allein von dem Ausschuss angehört zu werden. Macht der Beschwerdeführer stichhaltige Gründe dafür geltend, dass er nicht innerhalb einer angemessenen Frist gehört werden kann, kann der Ausschuss allerdings auch ohne Anhörung des Beschwerdeführers fortfahren.

Schritt 8

Auf der Grundlage der Voruntersuchung prüft der Ausschuss, ob Zeugen zu hören sind und ob zusätzliche Ermittlungen erforderlich sind. Die Assistenten, Beamten und sonstigen Bediensteten von Parlamentsmitgliedern sind verpflichtet, vor dem Ausschuss zu erscheinen, es sei denn, sie können stichhaltige Gründe für ihr Nichterscheinen angeben. Sie sind allein und getrennt zu hören. Der Ausschuss kann auch weitere dritte Personen zur Anhörung einladen.

Schritt 9

Das beschuldigte Mitglied wird vom Ausschuss allein zu den erhobenen Vorwürfen angehört. Jede angehörte Person kann während des Verfahrens außerdem verlangen, von einem Mitglied des ärztlichen Dienstes des Europäischen Parlaments begleitet zu werden.

Schritt 10

Die Mitglieder des Ausschusses übermitteln dem Vorsitzenden des Ausschusses eine mit Gründen versehene Stellungnahme zu der Frage, ob eine angebliche Belästigung vorliegt oder nicht. Das geschieht in Form eines vertraulichen Berichts. Gegebenenfalls wird darin eine Minderheitenmeinung festgehalten.

„Der vertrauliche Bericht des Ausschusses enthält:

  • eine Zusammenfassung der vom Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe
  • eine Beschreibung aller festgestellten ungebührlichen Verhaltensweisen
  • eine Zusammenfassung der Untersuchung, einschließlich der Bemerkungen des betroffenen Mitglieds und aller vernommenen Zeugen
  • eine Beurteilung des Sachverhalts und eine Bewertung der Beweismittel, einschließlich der Zeugenaussagen
  • die Schlussfolgerungen des Ausschusses darüber, ob eine Belästigung vorliegt oder nicht
  • für den Fall, dass der Ausschuss zu dem Schluss kommt, dass eine Belästigung vorliegt – eine Empfehlung an den Präsidenten über etwaige Sanktionen und entsprechende Folgemaßnahmen in Bezug auf den Beschwerdeführer
  • mögliche andere Empfehlungen, die der Ausschuss für erforderlich hält.“

Schritt 11

Auf der Grundlage der Stellungnahme des Ausschusses erlässt der Präsident des Ausschusses möglichst innerhalb von sechs Wochen nach Erhalt des Berichts eine Entscheidung darüber, ob eine Belästigung vorliegt oder nicht. Bevor er entscheidet, ob eine Belästigung vorliegt, hört er das beschuldigte Mitglied an. Der Präsident kann gegen das besagte Mitglied eine Sanktion nach Maßgabe der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments verhängen. Außerdem kann er beschließen, finanzielle Maßnahmen zu verhängen, mit denen das Mitglied die Verantwortung für den beruflichen Schaden, den der Beschwerdeführer erlitten hat, anerkennt.

Schritt 12

Auf der Grundlage der Entscheidung des Präsidenten trifft die Anstellungsbehörde nach Anhörung des Juristischen Dienstes eine endgültige Entscheidung über den Unterstützungsantrag. Wird in der Entscheidung des Präsidenten festgestellt, dass ein Mobbing vorliegt, entscheidet die Anstellungsbehörde über die Maßnahmen, die zur Unterstützung des Betroffenen zu ergreifen sind. Falls die Anstellungsbehörde plant, das Ersuchen um Unterstützung abzulehnen, wird dem betroffenen Beschwerdeführer davor allerdings noch einmal eine Gelegenheit zur Anhörung gegeben.

Die Unterlagen des Ausschusses sind vertraulich und müssen geheim bleiben. Sie werden so lange aufbewahrt, wie es für die Behandlung des Falles erforderlich ist, jedoch nicht länger als fünf Jahre. Der Zugang zu den Dokumenten wird nur durch einstimmigen Beschluss des Ausschusses gewährt. Die Berichte des Ausschusses werden dagegen zehn Jahre lang aufbewahrt.

BéGé
28. Januar 2021 - 8.53

Nirgends steht geschrieben , dass der Kläger und der Zeuge unter Eid aussagen müssen ! Wenn man bedenkt , dass ein mit der Tatwaffe in der Hand gefasster Mörder nicht als schuldig betrachtet werden kann , ehe eine Justiz ihm seine Tat 100%tig bewiesen hat , aber möglichen Lügner in einer Mobbing Affaire Glaube geschenkt werden kann................