LSAP-Fraktionschef Engel„Hätte nichts dagegen, wenn Lenert Spitzenkandidatin werden würde“

LSAP-Fraktionschef Engel / „Hätte nichts dagegen, wenn Lenert Spitzenkandidatin werden würde“
Anfang dieses Jahres hat Georges Engel (51) den LSAP-Fraktionsvorsitz von Alex Bodry übernommen, als dieser in den Staatsrat wechselte. 2012 kam der gelernte Krankenpfleger erstmals in die Abgeordnetenkammer. Er rückte für Lydie Err nach, als diese zur Ombudsfra berufen wurde. 2013 und 2018 wurde Engel wiedergewählt. Von 2005 bis Juli 2020 war er Bürgermeister von Sanem.  Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Vor vier Wochen hat Georges Engel sein langjähriges Bürgermeisteramt in Sanem an Simone Asselborn-Bintz abgegeben, um sich ganz auf seine Aufgabe als LSAP-Fraktionschef in der Abgeordnetenkammer konzentrieren zu können. Dieses Amt hatte er Anfang dieses Jahres von Alex Bodry übernommen. Im Interview erklärt Georges Engel (51), wieso er sich Paulette Lenert gut als neue Spitzenkandidaten der Sozialisten vorstellen könnte und verrät, dass die LSAP sich einer Diskussion über neue Arbeitszeitmodelle nicht verschließen wird.

Tageblatt: Bislang hat die blau-rot-grüne Dreierkoalition die Corona-Krise gut gemeistert. Mit Gesundheitsministerin Paulette Lenert hat die LSAP an Sichtbarkeit gewonnen. Freut Sie das?

Georges Engel: Ich bin froh, dass Paulette Lenert in der LSAP und nicht in einer anderen Partei ist. Sie ein totaler Newcomer ohne politische Erfahrung und managt die Krise ehrlich und ganz nüchtern. Das hilft auch der LSAP.

Laut „Sonndesfro“ von RTL und Luxemburger Wort ist sie innerhalb weniger Wochen zur beliebtesten Politikerin Luxemburgs avanciert. Hat die LSAP eine neue Spitzenkandidatin gefunden?

Es ist noch zu früh, um darüber zu reden. Aber Paulette Lenert ist innerhalb kürzester Zeit zur Sympathieträgerin aufgestiegen. Sie ist kompetent, kennt ihr Dossier und kann sich gut ausdrücken. Ich hätte nichts dagegen, wenn sie Spitzenkandidatin werden würde, aber am Ende muss der Parteikongress darüber entscheiden.

Trotz der hohen persönlichen Sympathiewerte von Paulette Lenert und Jean Asselborn ging die DP aus den letzten Umfragen als Gewinner hervor. Die LSAP insgesamt konnte ihr Wahlresultat von 2018 nicht verbessern. Woran liegt das?

Ich habe diese Entwicklung noch nicht definitiv analysiert, aber es ist schon klar, dass die Partei des Premierministers immer am sichtbarsten ist. Paulette Lenert und Xavier Bettel haben das Land zusammen durch die Krise geführt. Andererseits hatte die LSAP einige Wechsel zu verzeichnen: Alex Bodry ist nicht mehr im Parlament, Etienne Schneider ist zurückgetreten, Franz Fayot ist Minister geworden. Die drei neuen Abgeordneten Francine Closener, Cécile Hemmen und Simone Asselborn-Bintz brauchen noch etwas Zeit, um sich einzufinden. Wenn wir weiter an uns arbeiten, bin ich ganz zuversichtlich, dass es wieder bergauf geht.

Sie haben in den letzten Wochen im Parlament begrüßt, dass der Staat in der Krise Verantwortung sowohl im sanitären als auch im wirtschaftlichen und sozialen Bereich übernimmt. Wieso blüht der Sozialstaat erst in der Krise wieder richtig auf?

In der Corona-Krise haben die Menschen gemerkt, dass der Sozialstaat nicht nur etwas ist, wo man Geld einzahlt, ohne direkt davon zu profitieren. Der Einzelne, der nie im Krankenhaus war, nie auf soziale Hilfe angewiesen war oder nie arbeitslos war, konnte das nicht nachvollziehen. In der Krise haben viele erkannt, dass Kurzarbeit, Telearbeit und Urlaub aus familiären Gründen tatsächlich etwas bringen. Und diese Maßnahmen können ja nur vom Sozialstaat finanziert werden. Außerhalb von Krisen werden solche Dinge häufig vergessen.

Die Wohnungsnot hat sich inzwischen auch zu einer regelrechten Krise entwickelt. Wäre der Staat nicht auch hier stärker gefordert?

Die Wohnungskrise ist für mich die größte Herausforderung, die uns bevorsteht. Wohnungsbauminister Henri Kox und Innenministerin Taina Bofferding haben ja schon einige Projekte vorgelegt.

Wenn wir die unmögliche Preisentwicklung auf dem Wohnungsmarkt nicht stoppen, frisst sie alle Sozialmaßnahmen auf

Georges Engel, LSAP-Fraktionschef

Gehen diese Projekte weit genug?

Ich fürchte, nein. Aber zumindest sind sie ein Schritt in die richtige Richtung. Die LSAP könnte sich noch andere Maßnahmen in der Wohnungsbaupolitik vorstellen, aber zurzeit ist das nicht machbar. Wenn wir die unmögliche Preisentwicklung nicht stoppen, frisst sie alle Sozialmaßnahmen auf. Die Erhöhung des Mindestlohns wird sofort von der Miete oder dem Darlehen geschluckt. Das darf nicht sein. Der Einkommensanteil, den die Haushalte für Wohnkosten aufwenden, ist im Vergleich zu anderen Ländern einfach zu hoch. Die Wohnungsnot betrifft inzwischen nicht nur die einkommensschwächeren Haushalte, sondern immer mehr auch die Mittelschicht. Dadurch steigt das Bewusstsein in der Bevölkerung und der Druck auf die Politik wird größer.

Die Reform der Grundsteuer ist geplant. Wie sieht es mit der Einführung einer Spekulationssteuer aus?

Ich bin einer Spekulationssteuer zugeneigt. Es kann nicht sein, dass spezialisierte Investmentfonds (FIS) wahnsinnig viel Kapital im Wohnungsbau anhäufen und nicht darauf besteuert werden. In der Schweiz gibt es Regeln, dass ausländische Investoren nicht mehr in Immobilien investieren dürfen. Ich glaube, dass auch Luxemburg in diesem Bereich weiter gehen muss, als es bislang der Fall ist.

Während des Lockdowns wurde wiederholt beteuert, die derzeitige Krise müsse genutzt werden, um soziale und ökologische Transitionen zu vollziehen. Inzwischen scheint man froh zu sein, wenn Wirtschaft und Gesellschaft die Krise halbwegs unbeschadet überstehen.

Die Corona-Krise wird uns wohl noch Monate beschäftigen, doch die Klimakrise wird viel länger dauern und viel schlimmere Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben. Deshalb müssen wir in Sachen Klima weiter am Ball bleiben. Doch die Klimamaßnahmen müssen von sozialen Maßnahmen begleitet werden. Wir können nicht einen Teil der Bevölkerung außen vor lassen, denn sonst stoßen die Klimamaßnahmen nicht auf Akzeptanz und werden nicht durchsetzbar sein.

Ein Beispiel?

Der Transitverkehr von Lastwagen belastet unsere Klimabilanz enorm. Deshalb müsste man dort gezielter ansetzen. Für die ersten 50 Liter Diesel könnte man eine minimale Erhöhung einfordern. Ab 50 Liter könnte man den Aufschlag dann kräftig erhöhen, denn Lastwagen tanken meist 500 bis 1.000 Liter. So könnte man verhindern, dass Lkws nur zum Tanken einen Umweg über Luxemburg in Kauf nehmen. Das beschert dem Staat zwar geringere Einnahmen, doch es würde die Leute insgesamt weniger belasten.

Die Corona-Krise kostet den Staat bereits sehr viel Geld. Kann Luxemburg da noch auf Einnahmen aus dem Tanktourismus verzichten?

Man muss bedenken, dass die schädlichen CO2-Emissionen sowie Bau und Reparatur von Straßen uns auch viel Geld kosten. Wenn man das mitberücksichtigt, glaube ich, dass die Rechnung am Ende positiv ausfällt.

Das Haushaltsdefizit wird in diesem Jahr viel höher ausfallen als in den Vorjahren. Der Staat musste Schulden aufnehmen, die irgendwann wieder beglichen werden müssen. Wer soll dafür bezahlen?

Die Staatsverschuldung liegt bei knapp 30 Prozent des BIP. Im Vergleich zu anderen Ländern ist das noch sehr niedrig. Natürlich muss die Schuld irgendwann abbezahlt werden. Doch Investitionen in zukünftige Generationen – der Ausbau der Tram, gute Schulen oder ein starkes Gesundheitssystem – haben eine Langzeitwirkung. Für solche langfristigen Investitionen kann man gerne einen Kredit mit einer Laufzeit von mehreren Jahrzehnten aufnehmen.

Wie sieht es denn mit Investitionen in teure Militärsatelliten und Transportflugzeuge aus? Kritik an Luxemburgs NATO-Engagement kommt auch aus Ihrer eigenen Partei. Hätte die Regierung dieses Geld nicht sinnvoller einsetzen können?

Man kann natürlich lange darüber diskutieren, ob wir dieses Flugzeug brauchen oder ob die Mitgliedschaft in der NATO noch sinnvoll ist. Doch wir sind nun einmal Teil dieses Bündnisses und damit vertraglich dazu verpflichtet, unseren Beitrag zu leisten. Wenn man einen Pakt eingeht, muss man auch die Konsequenzen tragen.

Die LSAP wird sich einer Diskussion über neue Arbeitszeitmodelle sicherlich nicht verweigern. Ob sie innerhalb der Regierung geführt werden kann, muss sich noch zeigen.

Georges Engel, LSAP-Fraktionschef

Während des Lockdowns haben viele Menschen festgestellt, dass es eigentlich ganz angenehm sein kann, weniger zu arbeiten und mehr Zeit für Familie und andere Beschäftigungen zu haben. Bietet die Krise auch die Gelegenheit, eine grundlegende Diskussion über eine Verkürzung der Arbeitszeit und alternative Arbeitsmodelle zu führen?

Ich bin dabei, mir Gedanken darüber zu machen, wie man das umsetzen könnte. Manche Länder haben festgestellt, dass man mit vier Arbeitstagen dieselbe Arbeitsleistung erzielen kann wie mit fünf. In der Gemeinde Sanem haben wir schon im November 2019 Telearbeit eingeführt und herausgefunden, dass Angestellte, die weniger Zeit vor dem Computer verbringen, genauso viel, wenn nicht sogar mehr leisten, als andere. Die 40-Stunden-Woche ist nicht in Stein gemeißelt. Die LSAP wird sich einer Diskussion über neue Arbeitszeitmodelle sicherlich nicht verweigern. Ob sie innerhalb der Regierung geführt werden kann, muss sich noch zeigen.

Die LSAP ist doch Teil der Regierung.

Als Fraktion stehen wir zwar hinter der Regierung, doch viele Entscheidungen, die die Regierung trifft, sind das Ergebnis von Kompromissen. Als Fraktion müssen wir aber sagen können, dass wir in dem einen oder anderen Punkt gerne weiter gehen würden. Der Punkt über die Arbeitszeiten gehört sicherlich dazu.

Gleichzeitig konnte eine hohe Anzahl an Lohnabhängigen während und nach dem Lockdown nicht von zu Hause aus arbeiten. Neben dem Pflegepersonal waren in erster Linie Angestellte aus Handel, Horeca-Bereich, Reinigung und Sicherheit betroffen, die in der Lohnhierarchie eh schon ganz unten stehen. Müsste für diese Sektoren nicht über bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen nachgedacht werden?

Die Gesundheitsberufe wurden erst vor drei Jahren – zu Recht – durch den neuen SAS-Kollektivvertrag aufgewertet. In diesem Sektor geht es weniger um höhere Löhne als um kürzere Arbeitszeiten und bessere Arbeitsbedingungen. Im Handel und im Horeca-Bereich sind die Löhne zwar niedrig, doch eine Erhöhung des Mindestlohns ist nur in Kombination mit einer anderen Wohnungsbaupolitik sinnvoll. Wenn wir die Immobilienpreise nicht in den Griff bekommen, fließt jede Mindestlohnerhöhung sofort in die Bezahlung der Wohnung. Doch das geht nicht von heute auf morgen. Übrigens bin ich der Meinung, dass die Preissteigerung auf dem Wohnungsmarkt auch gebremst werden könnte, wenn die Banken nicht mehr so hohe Immobiliendarlehen genehmigen würden.

Fahren Sie in diesem Jahr in Urlaub?

Ich fahre in das Loiretal.

Keine „Vakanz doheem“?

Ich hatte darüber nachgedacht, in Luxemburg zu bleiben, doch die Gelegenheit hat sich kurzfristig ergeben und ich freue mich darauf, ein paar Tage entspannen zu können.

de Prolet
5. August 2020 - 8.16

Herr Engel hat nichts gegen eine eventuelle Parteipräsidentin Paulette Lenert, aber möglicherweise strebt er selber diesen Posten an. Würde seinen Rückzug aus der Kommunalpilitik erklären. Ein Schelm der Böses dabei denkt.

mouzel
4. August 2020 - 16.15

Ech hoffen dass déi Madame nit esou domm ass fir esou sebsmördechen Schrett ze machen.

Nomi
4. August 2020 - 11.13

D'Paulette huet vill geleescht, an ech hoffen datt Sie hir Parteioportunisten ob d'Scheff scheckt !

Jangeli
4. August 2020 - 10.22

Wäre zu empfehlen,ist jar nur die einziege Person in dieser Partei die in Frage käme.

en ale Sozialist
4. August 2020 - 8.37

Hat er nur nichts dagegen oder ist er dafür?