GemeindepolitikKäerjeng setzt beim Klima- und Umweltschutz auf Chartas

Gemeindepolitik / Käerjeng setzt beim Klima- und Umweltschutz auf Chartas
Die Informationsversammlung Anfang März war laut Veranstalter ein Erfolg Foto: Anja Kihn

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Zurzeit finden keine „Friday for future“-Demos mehr statt. Es scheint so, als sei der Klimaschutz, eines der beherrschenden Themen der Vorkrisenzeit, dem Coronavirus zum Opfer gefallen. Auch wenn das Klima und die Umwelt gerade nicht die Schlagzeilen beherrschen, will das nicht heißen, dass sich in dem Bereich nichts tut.

In Käerjeng zum Beispiel wurde kurze Zeit vor dem Lockdown eine Charta vorgestellt, welche die Einwohner der Gemeinde motivieren soll, sich aktiv am Klima- und Umweltschutz zu beteiligen. Käerjeng ist seit 2013 Mitglied des Klimabündnisses und des Klimapaktes. Seit 2015 ist sie zudem eine Fairtrade-Gemeinde. Umweltfragen haben in der Gemeinde einen hohen Stellenwert. Käerjeng ächzt nämlich seit Jahren unter dem zunehmenden Verkehrsaufkommen. Dazu kommt der Bevölkerungszuwachs. Hohe CO2-Emissionen, Lärmbelästigungen, die Verschmutzung der Straßen usw. – all dies erfordere eine konsequente Reaktion, erklärte vor einiger Zeit Bürgermeister Michel Wolter (CSV). Dabei sei jeder in der Pflicht, fügte Anja Kihn, Gemeinderätin („déi gréng“) und Vorsitzende des kommunalen Umweltausschusses, hinzu.
Deshalb habe man in einer ersten Etappe die lokalen Vereine kontaktiert. Diese spielen eine große Rolle beim Umweltschutz und der Müllvermeidung. Es reiche zum Beispiel, wenn sie bei ihren Events einige elementare Regeln einhalten, erläuterte Schöffin Josée-Anne Siebenaler-Thill („déi gréng“). Die Gemeinde hilft den Clubs, indem sie ihnen unter anderem wiederverwendbare Becher leiht. 51 der 76 Vereine hätten die Charta für die Vereine unterzeichnet, freut sich Anja Kihn.

In einer zweiten Phase sollte eine Charta, in Form eines Wettbewerbs, in den „Maisons relais“ zur Anwendung kommen. Die Herstellung eines „Umwelt-Kalenders“ war geplant. Jeden Tag sollte ein hierbei anderes Thema in den „Maison relais“ und den Schulen zur Sprache kommen. Durch die Corona-Pandemie verzögert sich das Projekt aber. Es soll nächstes Jahr jedoch durchgezogen werden, so Anja Kihn.

Vier Bereiche, wo man aktiv werden kann

Als Nächstes will die Gemeinde alle Bürger bei der Klimapolitik mit ins Boot nehmen. Man wolle in Käerjeng den ökologischen Fußabdruck verringern, so die Gemeindeverantwortlichen. Es wurde ein Maßnahmenkatalog ausgearbeitet, der die Leute anleiten soll. Mittels eines Fragebogens werden die Einwohner aufgefordert, anzugeben, welchen Beitrag sie leisten wollen. Am 5. März fand in diesem Zusammenhang eine Informationsversammlung statt. Etwa 70 Personen wollten im „Käerjenger Treff“ von den Gemeindeverantwortlichen und Experten, u.a. von Myenergy oder vom CELL (Centre for Ecological Learning Luxembourg asbl), mehr über das Projekt erfahren. Der lokale Umweltausschuss hat in diesem Rahmen vier große Themen ausgemacht: „Doheem“ (die „Hardware“, Haushaltsgeräte, Heizung, Licht, Lüftung …), Hausbau (ökologischer Hausbau oder Renovierung), Mobilität (Langsamverkehr, Sprit sparen, öffentlicher Transport …) und Alltag (Einkauf, Wasserkonsum, Stromverbrauch, Kauf von Second-Hand-Waren …). Eine Annahme der Charta zahlt sich aus. Die Unterzeichner können bei der Durchführung von klimafreundlichen Projekten nämlich verschiedene Subsidien beantragen, betonte Jeff Künsch.

Bislang haben etwa 15 Personen den Fragebogen zurückgesendet und somit die Charta unterzeichnet. Es wären mehr gewesen, wenn die Viruskrise nicht dazwischengekommen wäre, so Anja Kihn. In der Tat gibt es viele Menschen, die bereit sind, der Charta beizutreten. „Ich bin interessiert, aber wegen der Pandemie hatte ich nicht viel Zeit, mich in die Materie einzuarbeiten und vor allem mit anderen Menschen darüber zu sprechen“, so Fabio (40) aus Bascharage. Wie ihm erging es in den letzten Wochen vielen Leuten. Im Rathaus ist man deshalb zuversichtlich, dass nach der Rückkehr zur Normalität noch viele weitere Einwohner die Charta unterzeichnen werden. Nach einiger Zeit ist ein Workshop geplant, wo Bilanz der Aktion gezogen werden soll. Auch wird die Organisation einer weiteren Informationsversammlung in Erwägung gezogen. Sie wird aber wohl erst 2021 stattfinden, bedauerte Anja Kihn. Auf jeden Fall soll im Herbst erneut aufgerufen werden, sich der Charta anzuschließen.

Geringerer ökologischer Fußabdruck

Aber welche Prioritäten hat Käerjeng eigentlich im Umweltbereich festgelegt? Die Gemeinde hat sich im Klimabündnis verpflichtet, alle fünf Jahre auf dem Territorium der Gemeinde den Treibhausgas-Ausstoß um 10 Prozent zu reduzieren. Beim Klimapakt schaffte es Käerjeng, zwischen 2015 und 2019 den Prozentsatz der erfüllten Kriterien von 52,3 auf 64,7 Prozent zu erhöhen. An konkreten Maßnahmen fehle es nicht, wird im Rathaus betont. So kommen zum Beispiel E-Bikes zum Einsatz, erklärte Josée-Anne Siebenaler-Thill. „Käerjeng soll eine Gemeinde der kurzen Wege und des Langsamverkehrs werden.“ Bei jedem Straßenbauvorhaben und der Planung von neuen Vierteln werde die Schaffung von breiten Bürgersteigen und Radwegen in das Projekt integriert, ergänzte der Umweltberater der Gemeinde. Bei Bauvorhaben werde zudem viel Wert auf die Kreislaufwirtschaft und den Einsatz von erneuerbaren Energien gelegt. Seit 2002 wird außerdem die Luftqualität eng überwacht. Ein sogenanntes „Klimateam“, bestehend aus Lokalpolitikern, dem kommunalen Umweltberater, Mitgliedern des Gemeindepersonals sowie einem externen Berater, überwacht die Klimapolitik, arbeitet Projekte aus und macht Verbesserungsvorschläge.

Corona habe viel Leid gebracht, aber auch der Umwelt gutgetan, so Anja Kihn. „Wir haben gemerkt, dass wir unseren Lebensstil umstellen und mit weniger auskommen können. Ich hoffe, dass diese Dynamik sich jetzt fortsetzt.“ Man dürfe das Klima und die Umwelt nicht auf dem Altar der Krankheit opfern. Viele Haushalte würden die in der Charta aufgezählten Ratschläge bereits anwenden. Jetzt sei ein guter Zeitpunkt, ein neues Umweltbewusstsein zu entwickeln. Die Rätin erhofft sich in diesem Zusammenhang vor allem Impulse von den Kindern und Teenagern. Sie hätten mit ihren Demos schließlich die Umweltfragen schon einmal auf die Agenda der Politik gesetzt.

Infos: www.kaerjeng.lu

Kontext

Der Europäische Rat hat im Oktober 2014 diverse Maßnahmen beschlossen, die den Klimaschutz bis 2030 verbessern sollen. Er hat in seinem Dokument strategische Ziele für die Periode 2021 bis 2030 festgelegt. So sollen die Treibhausgas-Emissionen im Vergleich zum Referenzjahr 1990 um 40 Prozent reduziert werden. Auf der anderen Seite soll der Anteil an erneuerbaren Energien auf 32 Prozent gesteigert werden. Die Energie-Effizienz soll derweil um 32,5 Prozent erhöht werden.
Im Rahmen ihres Beitrags hat die Luxemburger Regierung am 29. November 2019 eine Gesetzesvorlage verabschiedet, die den Rahmen für die Durchführung des „Plan national intégré en matière d’énergie et de climat“ (PNEC) bildet. Hierzulande wird eine Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen um 55 Prozent im Vergleich zu 2005 angestrebt. Die Energie-Effizienz soll um 40 bis 45 Prozent verbessert werden. Zudem ist geplant, den Anteil der erneuerbaren Energien auf 35 Prozent des Brutto-Energieverbrauchs zu heben.

Nello
22. Mai 2020 - 20.02

Fir eng Rei Leit wärten aaner Suergen sinn wéi den ganzen Greta Kabbes