Ladensterben in EschIst die Alzettestraße noch zu retten? Ja, sagen die Verantwortlichen

Ladensterben in Esch / Ist die Alzettestraße noch zu retten? Ja, sagen die Verantwortlichen
Ein trauriges Bild bietet sich am Mittwochnachmittag in der Escher Alzettestraße Foto: Editpress/Julien Garroy

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Von 115 Geschäftslokalen in der Escher Alzettestraße stehen 21 leer. Pandemie und Inflation verschärften in den letzten drei Jahren die Krise des Einzelhandels. Muss die Geschäftswelt in Esch endgültig vor der Konkurrenz der Einkaufszentren und des Onlinehandels kapitulieren? Die Gemeinde-Verantwortlichen sagen Nein. Sie haben die Hoffnung nicht aufgegeben.

Traurig sieht es an diesem Mittwochnachmittag in der Alzettestraße aus. Auch wegen des Dauerregens sind kaum Menschen unterwegs. Dass die längste Fußgängerzone des Landes schon bessere Zeiten erlebt hat, ist unbestreitbar. Von 115 Geschäftslokalen stehen momentan 21 leer. Die Menschen sagen, es gebe hier kaum mehr attraktive Geschäfte. Aber stimmt das auch? 

Schöffe Pim Knaff (DP) und der für die Geschäftswelt zuständige Chef des Wirtschaftsdienstes der Gemeinde, Christian Bettendorf, sitzen in der Infofabrik vor einer Karte des Escher Zentrums. Auf ihr sind alle Geschäftslokale eingezeichnet. Viel Rot und Blau ist auf ihr zu sehen. Die Farben symbolisieren den Leerstand. Und der hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Das, obwohl die Gemeinde vor fünf Jahren das Claire-Konzept zur Revitalisierung des Stadtkerns ins Leben gerufen hat. „Ich bin nicht der Meinung, dass es aussichtslos ist“, sagt Pim Knaff. Und Christian Bettendorf ergänzt: „Die Nachfrage nach Geschäftslokalen ist da.“     

Schöffe Pim Knaff (l.) und Christian Bettendorf, Chef des Wirtschaftsdienstes der Gemeinde
Schöffe Pim Knaff (l.) und Christian Bettendorf, Chef des Wirtschaftsdienstes der Gemeinde Foto: Editpress/Julien Garroy

Warum aber gibt es dann so viel Leerstand? Um diese Frage zu beantworten, muss Knaff weit ausholen. Dafür fasst er das Projekt Claire mit seinen fünf Säulen zusammen. „Mit dem Resultat sind wir nicht ganz zufrieden, einige Lokale sind sehr schwer vermittelbar“, sagt er. Die Probleme seien vielfältig. Da ist einmal die Konkurrenz der Einkaufzentren und des Onlinehandels, dem großen Gewinner der Pandemie. Als Corona überstanden war, begann der Ukraine-Krieg und als Folge dessen die Energiekrise und die Inflation. „Geschäfte brauchen ein ruhiges Umfeld, um zu funktionieren. Das war in den letzten Jahren nicht da. Trotzdem glauben wir an Claire. Das Projekt wird weitergeführt“, so Knaff.

25 bis 30 Euro pro Quadratmeter

Zwischen 3.000 und 5.000 Euro Miete kostet ein Ladenlokal in Esch, 25 bis 30 Euro pro Quadratmeter. Zum Vergleich: In der Grand-rue in Luxemburg-Stadt sind es gerne 150 Euro. Es gebe aber auch Inhaber, die zu viel verlangen, weiß Christian Bettendorf. In solchen Fällen versucht sich die Gemeinde als Vermittler. 

Als letzte Maßnahme verabschiedete der Gemeinderat vor zwei Wochen die „Gestion locative commerciale“, bei der die Stadt als „Zwischenhändler“ auftritt und so potenziellen Geschäftsleuten bessere Bedingungen bei der Niederlassung bieten kann (das Tageblatt berichtete). Dafür sind 125.000 Euro im Budget vorgesehen. In der Hoffnung, dass diese Maßnahme effektiver ist als die 2022 beschlossene Taxe auf leerstehende Geschäftsräume. Letztere konnte nie erhoben werden, weil das Innenministerium Einspruch gegen die geografische Begrenzung der Erhebung einlegte. Gedacht war sie für Inhaber, die kein Interesse an einer Vermietung haben. Auch diese gibt es in Esch, so sind mindestens zwei leerstehende Lokale noch nicht einmal auf dem Markt. Außerdem sollte die Taxe andere Hausbesitzer dazu ermuntern, ihre unter Umständen zu hohen Mietforderungen zu überdenken. 

Je größer das Geschäftslokal, umso schwieriger ist es, es zu vermieten. Das ist auch der Grund für den Leerstand am früheren Butlers- und H&M-Standort. Diese Lokale können sich eigentlich nur große Franchise-Unternehmen leisten. „Die großen Firmen schauen sich den Standort ganz genau an“, weiß Christian Bettendorf, „da wird dann mitunter verlangt, in den ersten beiden Jahren keine Miete zu zahlen. Oder aber die Übernahme eines Verkäufergehalts.“ Weil das Geschäft weiß, dass es ein Zugpferd ist, stellt es also Forderungen an den Standort. So ist auch das System in den Einkaufszentren. Hier bezahlen die kleinen Geschäfte prozentual gesehen wesentlich mehr Miete als Mediamarkt, Zara und Co., weil sie von deren Anziehungskraft profitieren. „Politisch ist eine solche Bezuschussung aber nicht zu vertreten“, sagt Pim Knaff. Dazu kommt, dass der Gemeinde, abgesehen von der Infofabrik, kein Geschäftslokal gehört, was Knaff als „Erbsünde“ bezeichnet. Denn der Ankauf von ganzen Häusern sei heute kaum mehr zu finanzieren. 

Größere Vermischung

Überdenken will man aber die kommunalen Auflagen in Sachen Stadtplanung. Die zum Teil strengen Regeln bei der Schaffung von Wohnraum über den Geschäftslokalen schrecken potenzielle Investoren ab, weil sie der Realität des Stadtkerns keine Rechnung tragen. Eine 120-m2-Familienwohnung macht in der Fußgängerzone wenig Sinn, kleinere Einheiten für Studenten dagegen schon. Unter dem Strich bleibt für Pim Knaff, „datt déi déck Portemonnaien net méi de Wee op Esch fannen“. Sie seien in Richtung Einkaufzentren abgewandert. Vorbei also die Zeiten, als die Kunden aus der Hauptstadt kamen. „In Esch haben die Menschen nicht die allerbeste Kaufkraft, das spiegelt sich in der Geschäftswelt wider.“ Womit er nicht sagen will, dass es hier nur noch Ramschgeschäfte gibt. 

Die Zukunft liegt in einem Mix aus Einzelhandel, Dienstleistern, Gastronomie und Freizeitgestaltung

Pim Knaff

Fest steht, dass die Alzettestraße allein durch den Einzelhandel nicht mehr gefüllt werden kann. „Die Zukunft liegt in einem Mix aus Einzelhandel, Dienstleistern, Gastronomie und Freizeitgestaltung“, sagt Knaff. So siedelt sich hier immer mehr Gastronomie an, während sich die frühere Escher Fressmeile, die Brillstraße, zu einer „Quartiersstraße“ entwickelt und der dort lebenden Bevölkerung Rechnung trägt. Was auch für die Nebenstraßen im Zentrum gilt. Denn nimmt man den gesamten Stadtkern, dann sind es keine 115, sondern 350 Ladenlokale. Wie viele leer stehen, kann Christian Bettendorf nicht sagen. Für ihn ist aber klar, dass bei Läden in „unattraktiver“ Lage über eine Umnutzung als Wohnraum nachgedacht werden sollte. 

Pim Knaff kann sich derweil weitere Maßnahmen zur Unterstützung der Geschäftswelt vorstellen, wie zum Beispiel eine Stunde gratis Parken im Zentrum. Auch kündigt er „Kosmetik“ in der Alzettestraße an, wie eine verstärkte Begrünung oder aber neue Mülleimer. In der Tat ist der Zustand der Fußgängerzone ein Problem. Die vor einem Jahr angekündigte Renovierung ist aus budgetären Gründen erst einmal verschoben. Sie ist aber alternativlos, vor allem wegen des Zustands des Flusskanals unterhalb der Straße. „Die Bemühungen müssen weitergehen, vielleicht ist es nicht schlecht, mit der Baustelle etwas zu warten“, sagt Knaff. „Wichtig ist, dass das Zentrum lebendig bleibt, auch mit Blick auf die neuen Stadtviertel und 10.000 neue Einwohner.“ Auf „Terres Rouges“ und „Metzeschmelz“ sollen nur wenige Geschäfte angesiedelt werden, um dem Zentrum keine zusätzliche Konkurrenz zu machen.    

Kindergeschäft, Supermarkt, Restaurants und eine neue Bäckerei

Eine Studie hat ergeben, dass im Escher Zentrum vor allem vier Arten von Geschäften fehlen, nämlich für Spielwaren, Schuhe, Sport und Lederwaren. In einigen Monaten soll zumindest ein Kindergeschäft eröffnen. Auch wird sich am Standort des früheren Delhaize ein neuer kleiner Supermarkt ansiedeln. Dagegen steht weiter in den Sternen, wann das benachbarte frühere „Scholesch Eck“ fertig wird. Der Unternehmer führt Probleme mit einem Zulieferer als Grund für den Stillstand an, es zirkulieren jedoch auch Gerüchte über finanzielle Probleme. Eine neue Bäckerei sowie ein Restaurant sollen demnächst unmittelbar neben der Drupi’s-Vinothek eröffnen, gegenüber wird ein Brasserie-Projekt entwickelt. Der „E22-Pavillon“ auf dem Brillplatz wird Anfang Mai zum Ramen-Restaurant. Auch der „Oishii“-Pavillon wird neu ausgeschrieben. Das neue Fitnesscenter (das Tageblatt berichtete) ist mittlerweile geöffnet und scheint gut angenommen zu werden.  

Leerstand in der längsten Fußgängerzone des Landes
Leerstand in der längsten Fußgängerzone des Landes Foto: Editpress/Julien Garroy

Tatata?
10. Februar 2024 - 11.37

Freier as de Geschäftsmann mat der Jaguar komm an huet d‘Clienten vun uewen erof gekukt an esou behandelt. Sie waren am Golf Club, a konnten sech alles leschten. D’Memberen aus dem Golf Club hun Prozenter krit, dei aner net. Haut get et Amazon, den Patron geseit ken. Wier et net un der Zeit anplatz Velosweewr Amazon Extra Weere ze reserveieren?

carlocoin
10. Februar 2024 - 11.10

Dann huelt se an d'Verantwortung.

Peter
10. Februar 2024 - 10.14

Esch/Alz ist vergleichbar mit Sibirien. Jeder weiss wo es ist aber keiner geht hin.

Nomi
9. Februar 2024 - 15.04

Wann se jo gei'fen zo'uginn dass Naischt mei' ze retten wir, wir een Schoss an den Fo'uss, well se hiren Job geifen verlei'eren !!

rcz
9. Februar 2024 - 13.38

Es ist nicht aussichtslos, es ist viel schlimmer!