EditorialEiszeit in Luxemburg

Editorial / Eiszeit in Luxemburg
Nicht nur Glodens Politik: In der Regierung scheint sich niemand daran zu stören, dass erst einmal nach unten getreten wird Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Das muss man auch erst einmal fertigbringen. Sogar in der Woche, in der Luxemburg erst zufriert und dann zuschneit, dominiert das Bettelverbot den öffentlichen Diskurs. Nicht einmal die weiße Pracht, die sich auf das Land legte, konnte die schamlose Politik überdecken, die Innenminister Léon Gloden in Windeseile zu seinem Markenzeichen erhoben hat. So schneite und regnete es nicht nur Eis – es hagelte in dieser Woche auch Kritik an Gloden und seiner Politik. Und zwar vor allem von gestandenen, angesehenen Juristen, von Menschen vom Fach also.

Am Mittwoch zerpflückte Georges Oswald, Staatsanwalt des Bezirksgerichts Luxemburg, im Interview mit RTL Radio Glodens rechtliche Argumentation für das Bettelverbot der Regierung. Oswald zufolge fehlt diesem Schritt schlichtweg jedwede juristische Grundlage. Am Freitag langte Verfassungsexperte Luc Heuschling im Tageblatt zu. Glodens Bettelverbot sei mit der neuen Verfassung einfach nicht vereinbar. Selbst die Polizei weiß weder ein noch aus. Marlène Negrini, Präsidentin der Polizeigewerkschaft SNPGL und wie Oswald und Heuschling eher frei vom Verdacht, „linksgrünversifft“ zu sein, kritisiert auf Radio 100,7, die Polizei sei nun angehalten, alle Bettler zu kontrollieren, und nicht nur die „aggressiven“.

Gloden, der sich selbst vergangene Woche im Land als „ganz patente Kärel“ charakterisierte und ebenfalls Jurist ist, lässt das alles unbeeindruckt. Genauso verhält es sich mit der Juristin und Justizministerin Elisabeth Margue, die am Donnerstag im Interview mit RTL die Politik ihres Regierungskollegen verteidigte. Margue kündigte in dem Gespräch eine Reform des „Code pénal“ an und verwies darauf, dass Recht „keine exakte Wissenschaft“ sei und Raum für „Interpretationen und Divergenzen“ biete. Es war ein Interview, das jedem die Augen öffnen sollte: Das mit dem Bettelverbot ist keine menschenverachtende Schnapsidee Glodens gewesen, sondern integraler Bestandteil des Mindsets der neuen Regierung. Die Fenster, die der „neie Luc“ geöffnet hat, haben den konservativen Mief wieder hineingelassen. Er macht sich gerade breit.

Doch es gibt Hoffnung. Denn auch das hat sich gezeigt: Viele, viele Menschen in Luxemburg ticken nicht so, wie Friedens CSV und die DP – deren Ministerinnen und Minister bislang bloß wie Juniorpartner ohne Mitspracherecht wirken – das offenbar gedacht oder aus ihrem knappen Wahlsieg hergeleitet haben. Wahrscheinlich, weil diese Menschen wissen, dass es ein Herz braucht, um ein Hirn am Laufen zu halten. So dauerte es nur wenige Tage, bis eine Petition, die sich dafür einsetzt, das Betteln zu jeder Uhrzeit und an jedem Ort zu erlauben, die nötigen 4.500 Unterschriften sammeln konnte, welche es braucht, um eine öffentliche Anhörung in der Chamber zu bekommen. Vorausgesetzt, der zuständige Ausschuss im Parlament erkennt die Unterschriften als gültig an.

Es gibt sie also, jene Menschen, die sich der rechtskonservativen, nach unten tretenden Klientelpolitik der Frieden-Regierung aktiv widersetzen wollen. Wie die Kritik der Juristen mag auch dies Frieden, Gloden, Margue und Co. noch kaltlassen. Doch sollten sie erkennen, dass sie noch nicht einmal 100 Tage im Amt sind und trotzdem bereits einen Keil in die Gesellschaft getrieben haben. Verantwortungsvollen Politikerinnen und Politikern würde so etwas zu denken geben.

JJ
21. Januar 2024 - 10.06

Nun ist diese Petition aber lange nicht die Meinung der gesamten Bevölkerung. Wir leben in Zeiten wo man sich nicht wehren darf,oder nur die Meinung sagen darf, ohne gleich als Nazi,Vergewaltiger,Rassist,Diskriminierer usw. abgestempelt zu werden. Wer seine Stadt sauber und angenehm sehen will bleibt zuhause und hält den Mund. Wer hat diese Diskussion überhaupt angezettelt? Wieso kommen Bettler und Landstreicher aus anderen Ländern nach Luxemburg? Lassen wir also alles beim alten und konzentrieren uns auf die Migranten aus Übersee. Wir schaffen das.

Pip
21. Januar 2024 - 9.01

Dir léif Rout alleguer. Nee, pardon dir sidd kéng Léiw. Acceptéiert dach endlech dass der no 35 Joeren an der Regierung net méi erwönscht wart. Dir sidd elo endlech an der Oppostioun geland. Also halt op mat deem domme Geschwätz, Gestëppels, a.e.w, a macht eng gesscheit a konstruktiv Arbecht.

Robert Hottua
21. Januar 2024 - 5.47

Eine bis heute andauernde Eiszeit in Kuxemburg begann 1933, als die katholischen Kräfte einer imperialen Mentalität, die für den Tod von 60 Millionen Menschen verantwortlich ist, massiven Vorschub leisteten. MfG Robert Hottua

liah1elin2
20. Januar 2024 - 14.19

Perfekt Herr Back, danke? Wenn schon nach 100 Tagen die öffentliche Meinung zu kochen beginnt, wie sollen die restlichen paar Tage dieser Regierung bis zu den nächsten Wahlen eine glückliche Zeit werden? Dieser Regierung fehlen schlicht die soziale Kompetenz und Einfühlungsvermögen. Ein Eingehen auf die Petition ist wohl die letzte Gelegenheit, einigermaßen anständig aus dieser verkorksten Situation herauszukommen.

Mä gäbe nix!
20. Januar 2024 - 11.52

Warum hat man Sie nicht mit regieren lassen, wären Sie doch so gerne Minister •innen geblieben, die Sozen? Die müssen sich doch fühlen wie vor die Tür gesetzte Bettler. Solche ewige Heulsusen werde ich jedenfalls nicht nach Brüssel schicken ??

fraulein smilla
20. Januar 2024 - 11.39

Und taeglich gruesst das Bettelverbot . Fuer manche Schreiber scheint Betteln ein Lebensmodell unter vielen zu sein . Auf dem Arbeitsamt sitzt man doch waermer und bequemer . " Sondern erloese Uns von dem Guten "