ForumDer Rauschmittelstaatsdiener – Oder: Darf ein Minister Alkohol trinken und ein Bettler nicht?

Forum / Der Rauschmittelstaatsdiener – Oder: Darf ein Minister Alkohol trinken und ein Bettler nicht?
 Foto: Editpress/Julien Garroy

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„Et ass Alkohol am Spill“, beschwerte sich der Minister mit kaum verhohlenem Abscheu in der Stimme, als er die empörenden Laster der „Heescherten“ schilderte (Invité vum Dag, Radio100,7, 13.12.2023). Seine Klage könnte suggestiver nicht sein: Alkohol steht hier nicht nur für eine verwerfliche Lebensweise, sondern ist zudem Ausdruck asozialen Benehmens und höchster Verkommenheit. Alkoholisierte „Heescherten“ müssen aus dem Stadtbild entfernt werden. Sie sind eine unzumutbare Plage für die gesitteten, also vermutlich alkoholresistenten Städter. Die neue Regierung bekämpft mit heldenhafter Hartnäckigkeit die Armut, indem sie die Armen verbannt.

Das ist ungefähr so, als wenn ein Arzt bei seinem Patienten ein offenes Geschwür diagnostiziert und dann entscheidet: So, jetzt übertünche ich die klaffende Wunde mal mit einer dicken Schicht Schminke, und weg ist das Problem, denn man kann es nicht mehr sehen. Einem solchen Arzt würde gröbste Fahrlässigkeit zur Last gelegt. Wieso sollte nicht das Gleiche gelten für einen Minister, der die Wunde der Armut wegretuschiert, indem er die Betroffenen kurzerhand aus der Öffentlichkeit vertreibt?

„Et ass Alkohol am Spill“ heißt auch: Hier wird gegen die gesellschaftlichen Spielregeln verstoßen, und das kann ich als Minister nicht tolerieren. Da drängt sich die Frage auf: Wie hält es denn der moralisch auftrumpfende Minister selbst mit dem Alkoholtabu? Nun, er ist alles andere als ein frommer Mineralwasserprediger. Seit Jahren betätigt er sich in aller Öffentlichkeit als notorischer Alkoholpropagandist. In seiner Amtszeit als Bürgermeister von Grevenmacher fühlte er sich geradezu verpflichtet, seine Schutzbefohlenen immer wieder zum hemmungslosen Alkoholkonsum aufzustacheln. Grevenmacher wird jahraus jahrein von unzähligen Weinfesten heimgesucht. Und immer marschierte der Ex-Bürgermeister in der vordersten Folkloristenreihe, wenn es galt, den Wein zu glorifizieren und der Weinlobby eine hehre Absicht zu bescheinigen, die das tumbe Volk ja nur nicht mit Verführung zum Drogenmissbrauch verwechseln sollte.

Ganze Fotostrecken in den Medien belegen, wie munter und motiviert der Ex-Bürgermeister immer wieder als eine Art freiwilliger und honorarfreier Anwalt der Winzergenossenschaften das Rampenlicht suchte. Ob er sich mitten im ominösen Grevenmacher Weinköniginnendelirium zu einer hochprozentigen Festrede hinreißen ließ, oder ob er im zutiefst lächerlichen Kostüm der sogenannten Confrérie St. Cunibert auftrat, stets lautete sein Credo: Alkohol ist ein zuverlässiger Lebensbegleiter, liebe Mitmenschen und Mitwähler, lasst euch nicht einreden, dem edlen Traubensaft zu misstrauen, nur Lebensverächter verabscheuen die gute, staatlich zertifizierte Alkoholkeule.

„Den Himmel Wäin ons mécht“

In der Nomenklatura des Notabeln-Clans Confrérie St. Cunibert ist der Minister übrigens nicht nur Vize-Präsident, er bekleidet zudem das Amt eines „Grand Connétable“. Machen wir es kurz: Ein „connétable“ oder „Konstabler“ war in längst verflossenen Zeiten „ein Soldat oder Polizist im gehobenen Rang“, weiter „ein Stallmeister und Befehlshaber der Kavallerie“. Hier zeigt sich, wie im weinseligen Ambiente der Weinbruderschaft (Wahlspruch: „Eens am goude Wäin”) rückständige Herrschaftsmodelle durchgespielt werden: Da wird praktisch die spätere Karriere des „Grand Connétable“ als Polizeiminister vorweggenommen, geboren aus dem Geist des Alkohols.

Was lernen wir aus all diesen Diskrepanzen? Alkohol in der Hand von „Heescherten“ ist des Teufels, Alkohol unter dem Protektorat von Bürgermeistern und Ministern ist eine Gottesgabe (cf. „Den Himmel Wäin ons mécht“, wie es in einer bezeichnenden Zeile der Nationalhymne heißt). Wer auf der Straße sitzt und provokant die billige Fuselflasche schwenkt, ist eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit, wer hinter Schutzmauern in warmen Gemächern diskret und elegant – und vor allem unsichtbar – das edle Gewächs kredenzt, unterstützt die nationale Wirtschaft. Hier wie dort geht es um den Suff, so viel ist klar, aber Suff ist nicht gleich Suff. Dem Bettler wird das Recht auf ein bisschen alkoholgestützte Wärme verweigert, der Minister setzt sich locker und beschwingt über alle alkoholbedingten Kollateralschäden hinweg.

Wie es sich für einen vereidigten hohen Staatsdiener gehört, kann der Minister einen wirksamen Alkoholschutzraum ins Feld führen, nämlich ein schönes Privathaus mit einer soliden Abgrenzungsmauer. Diese Mauer signalisiert: Verehrter außenstehender Bürger, hier bist du am Limit. Hier ist Schluss mit Geselligkeit und Leutseligkeit. Wer diese Mauer unerlaubt überwindet, bricht den Hausfrieden. Bleib also draußen, jenseits dieser Mauer ist der Minister kein allseits verfügbarer Tröster des Stimmviehs mehr, sondern ein Privatmann, der unbeobachtet seine Privilegien hegt und pflegt. Dies ist kein offenes Haus, sondern ein abgegrenzter Rückzugsort, ein befestigtes Versteck. Hier ist der Minister dir keine Rechenschaft mehr schuldig, auch nicht über sein Verhältnis zum Alkohol. Hier ist er ganz bei sich.

Die Bettler sollten also ihre staatsbürgerlichen Pflichten ernst nehmen und sich schleunigst ein repräsentatives Haus mit einer auffälligen Grenzmauer zulegen, statt sich aus blankem Trotz und purer Boshaftigkeit im elenden und schutzlosen Freiluftquartier dem abstoßenden Alkoholkonsum hinzugeben. Sobald sie wohnen wie der Minister, alkoholisieren sie sich völlig legal und staatstreu.

Guy Rewenig ist Dichter, Theater-, Roman- und Kinderbuchautor.
Guy Rewenig ist Dichter, Theater-, Roman- und Kinderbuchautor.
Kopfschüttel
16. Januar 2024 - 18.18

Den Thema fängt esou lues un ze nerven

de Schéifer vun Ettelbréck
16. Januar 2024 - 16.50

Was nicht sein darf, gibt es einfach nicht. Im reichen Luxusburg sind Armut und Elend verpönt, besser noch: selbst verschuldet und so gesehen hat man ein ruhiges Gewissen. Und wer sich daran stört, an dieser Tatsache, wird schlichtweg als Heuchler abgetan, belächelt und beschimpft.. Solidarität hierzulande? Nur wenn es um den schnöden Mammon geht. " Hauptsache mir geht es gut und vor allem besser als dem Nachbarn ". Das ist keine Fehlanzeige, das ist die Realität. Leider.

Phil
13. Januar 2024 - 21.21

"Diese heuchlerische Anteilnahme stößt bitter auf. Man solidarisiert sich mit Landstreichern, möchte aber selbst nichts mit ihnen zu tun haben." Genauso ist es! Sollten doch diese linkisch angehauchten Solidaristen ganz einfach einen Heeschert bei sich zuhause aufnehmen und durchfüttern. Wohlwollend im Geiste und in den Medien den Arm umlegen, aber konkret was unternehmen... ausser Herrn Gloden anzuschwärzen... Fehlanzeige!

benschul
13. Januar 2024 - 15.02

Grober J-P. Wie schon so oft haben sie den Nagel auf den Kopf getroffen.

benschul
13. Januar 2024 - 14.58

J/ Es ist eine Selbstüberschätzung was Sie da schreiben. Alkoholismus entsteht wie alle Süchten fliessend, ohne dass der Betroffene sich dessen bewußt ist. Und wenn, wird er es vehement abstreiten. Natürlich wird niemand zum Alkoholiker ohne dass er Alkohol trinkt. Alkoholismus wird zum sekundären Problem bei Menschen die ausser Stande sind, ihre primären Probleme zu lösen und so in die Sucht flüchten. Wer in diesem Teufelskreis festsitzt braucht Hilfe von aussem. Zudem kommt, dass er von der Gesellschaft abgestempelt wird. Das kann er nicht verkraften, da er sich selbst für einen kompletten Versager Versager hällt. Ivh möchte aber dazu erwähnen, dass auch Alkoholiker über lange Jahre hinweg ihren Beruf ausüben können, ohne der Gesellschaft zu schaden.

Jason
13. Januar 2024 - 11.08

Es macht schon einen Unterschied ob jemand, arm oder reich, ein Glas Wein oder Bier zum Ausspannen geniesst. Entgegen dem, arm oder reich, der eine oder zwei Flaschen Fusel in sich hinein schüttet um zu vergessen (was?) und voll zugedröhnt zu sein, mit allen Konsequenzen.

Grober J-P.
12. Januar 2024 - 20.35

Hört, hört, einige haben sich bestimmt im Griff, kein Problem mit Alkohol.

J
12. Januar 2024 - 18.53

@benschul/ Alkoholismus ja. Nicht Alkoholkonsum. Das ist nicht dasselbe. Und es sind ja alle Drogen die bei Missbrauch das Gehirn abhängig machen und die Organe zerstören. Doch,es ist Selbstverschuldung wenn man nicht damit umgehen kann. Wer zwingt einen denn eine Zigarette zu rauchen. Die schmeckt keinem beim ersten Mal.Aber danach...ist es zu spät.

benschul
12. Januar 2024 - 16.42

Dass Alkoholismus seit 1968 als Krankheit anerkannt wurde sollte zuerst einmal klargestellt werden. Sie ist genau so wenig selbstverschuldet wie der Krebs bei anderen Patienten. Sie ist entstanden, durch eine Reihe verschiedener Ereignisse und die Betroffenen kommen selten aus dem Teufelskreis heraus ohne Hilfe. Da sind nebem den Bettler auch manche hohen Herren aus besseren Gesellschaften betroffen. Alkoholismus ist in allen Gesellschaftskreisen zu finden. Dass die gutmütige CSV, oder besser gesagt , die V-Partei, Wasser predigt und Wein trinkt, ist nichts Neues.

luxmann
12. Januar 2024 - 16.01

Den alkoholkonsum eines Grand Connetable der Confrerie St.Cunibert mit dem eines strummert zu vergleichen grenzt allerdings schon an majestaetsbeleidigung.

max.l
12. Januar 2024 - 14.27

ma ëch së frou dat mër dës Kéier mol eng flot Regierung zesumme gestalt hun.. all guden Dag kréier mër eng flot Geschicht verziëlt, vun Dem wat esou dorëmmer leeft.. oder och nët leeft.. mër kréie gesoot, wat mër solle machen an och wat mër nët solle machen.. fiir dat ët hinne gut geet.. mër kréie matgedeelt, wat dësem oder deem Regierungsmitglied zousteet, an Alles wat den dann därf machen a soën.. a wéi ee soll mat de Strummerten ëmgoën, déi sëch erlaaben an der Staat heeschen zë goën.. an och nach "drënken".. an elo huët och nach dat läscht wat do passéiert ass, dem Faass dë Boudem ausgeschloën.. ma Läit, behuëlt iëch wéi Läit da geet ët dir wéi de Läit, a verschount dach ons Regierung mat hiere Ministeren.. "denn sie wissen nicht was sie tun....sollen"

JJ
12. Januar 2024 - 9.51

Nicht verwechseln. Alkohol als Genussmittel oder als Rauschmittel.Wenn man ein Glas Wein beim Essen zu sich nimmt ist das etwas anderes als wenn man sich bis zur Bewusstlosigkeit volllaufen läßt. Seine,oft selbst verschuldete, Misere durch Suff und elendes Aussehen unterstreichen kommt nicht gut an.Zumal wenn eben,und darum geht es doch bei der endlosen Diskussion, Menschen ihren Stadtbesuch durch Anpöbelungen vermiest kriegen. Diese heuchlerische Anteilnahme stößt bitter auf.Man solidarisiert sich mit Landstreichern,möchte aber selbst nichts mit ihnen zu tun haben. Das ist die christliche Nächstenliebe wie man sie kennt. Und,um seine Privatsphäre zu geniessen muss man nicht Minister sein und man muss sich, für das was man sich erarbeitet hat, auch nicht entschuldigen.