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Forum / Diplomaten an die Ukraine-Front
 Foto: AP/dpa/Efrem Lukatsky

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Als Putins „Spezial-Operation“ gegen die Ukraine im Morgengrauen des 22. Februar 2022 anlief, glaubten nur wenige daran, das Land könne sich der perfiden Aggression des übermächtigen Nachbarn erwehren.

Selbst die USA gingen von einem schnellen russischen Sieg aus. Weshalb die Amerikaner Präsident Wolodymyr Selenskyj anboten, ihn außer Landes zu bringen. Dieser reagierte wie ein Churchill: Er benötige „kein Taxi, bloß Waffen“!

Moskaus zahlenmäßig überlegener Luftwaffe gelang es schnell, die Luftabwehr der Ukraine auszuschalten. Doch die langen Panzerkolonnen, die aus Russland und Weißrussland nach dem Modell des „Blitzkrieges“ in Richtung Kiew vorstießen, konnten von motorisierten ukrainischen Patrioten mit simplen Panzerfäusten gestoppt werden.

Putin verfehlte seinen schnellen Sieg. Statt wie geplant in Kiew jeden Widerstand so niederzuwalzen, wie die Panzer der UdSSR dies früher in Budapest und Prag vordemonstrierten, konnte die Ukraine sich behaupten. Die schnelle Solidarisierung der Amerikaner und der Europäer, die sich steigernden Material- und Waffenlieferungen aus US- und NATO-Beständen erlaubten es den Ukrainern, den Russen schwere Verluste zuzufügen. Und in der Folge gar Teile russisch besetzter Gebiete zurückzuerobern.

Die gleichen Experten, die ursprünglich mit dem schnellen Zusammenbruch von Selenskyjs Ukraine rechneten, faselten nunmehr von einer totalen Niederlage Russlands, von der Rückeroberung des Donbass und selbst der Krim.

Geschichte ist selten moralisch

Das bleibt das erklärte und verständliche, da moralisch gerechte Ziel von Selenskyj und seinen Mitstreitern. Doch die Weltgeschichte ist kein Tempel für Moral und Gerechtigkeit. „Gott mit uns“ stand schon auf den Fahnen von Armeen der unterschiedlichsten Religionen. Zierte gar die Koppeln der Waffen-SS. Nicht kriegsentscheidend!

Kriege sind zuerst Materialschlachten. Die besseren Waffensysteme entscheiden den Ausgang jedes Konfliktes. In der Ukraine werden von beiden Seiten täglich Tausende von Bomben und Granaten gezündet. Wobei beide Armeen dauernd mit enormen Nachschubproblemen zu kämpfen haben. Russland, eigentlich nach den USA der zweitgrößte Waffenproduzent und -Händler der Welt, musste sich schon Nachschub in Iran und in Nordkorea besorgen.

70 Jahre nach dem Waffenstillstand von 1953 unterhalten Nord- wie Südkorea weiterhin riesige Arsenale. Während die Nordkoreaner direkt an die Russen liefern, wollte Südkorea keine Waffen an eine Kriegspartei abgeben. Deswegen beliefert Südkorea nunmehr die USA. Ihrerseits Hauptlieferant der Ukraine. Selbst wenn die anderen NATO-Staaten und die EU in militärischer und materieller Assistenz den USA nicht viel nachstehen.

Die Frage ist nur, was diese Materialschlachten wirklich bewirken? In Foreign Affairs meinte ein US-Spezialist, von 100 abgeschossenen Granaten würden bestenfalls acht ihr Ziel erreichen. Wirksamer sind Drohnen, die ferngesteuert einschlagen. Um teure Panzer mitsamt Besatzung außer Gefecht zu setzen. Wobei einige Drohnen nur 400 Dollar kosten. Andere viele Tausend Dollar. Alle sind jedenfalls viel kostengünstiger als Jagdflieger oder Panzer.

Im Bergkarabach-Konflikt im Herbst 2020 zerstörten von der Türkei an Aserbaidschan gelieferte Drohnen 75% aller Armeefahrzeuge der Armenier. Was die Niederlage der Armenier herbeiführte.

Die Türkei belieferte auch die Ukraine. Die türkischen und anderen Drohnen setzten den russischen Panzern und gepanzerten Vehikeln schwer zu. Leider verfügen auch die Russen über Drohnen. Dem zitierten US-Spezialisten zufolge verloren beide Seiten über 50% ihrer Panzer durch Drohnentreffer.

Gewinnbare Kriege?

Sind moderne Kriege noch zu gewinnen? Ein Blick auf die vielen Konflikte rund um den Globus scheinen das Gegenteil zu suggerieren. Selbst die noch immer größte Militärmacht, die USA, zog sich nach 20 erfolglosen Jahren überstürzt aus Afghanistan zurück. Wie vorher aus Irak oder Vietnam. Auch sonst sind globale Siege seit Ende des Zweiten Weltkrieges kaum zu vermelden. Meistens pendelt sich bei Konflikten ein niemand befriedigender Status quo ein.

Das ist wohl der Grund, warum der derzeitige Stellungskrieg zwischen der Ukraine und dem russischen Aggressor selbst bei unentwegten Putin-Gegnern eine beklemmte Ernüchterung bewirkt. Die im letzten Sommer gestartete ukrainische Gegenoffensive kam nicht so recht voran. Die Russen verschanzen sich hinter schwer überwindbaren Verteidigungswällen. Was zu verlustvollen Kämpfen ohne Sieg führt, wie im Ersten Weltkrieg bei Verdun oder an der Somme.

Wobei Vergleiche mit den beiden Weltkriegen irreführend sind. Die modernen Armeen mögen sich zwar weiterhin einbunkern. Doch der eigentliche Kampf erfolgt nicht mehr mit aufgesetztem Bajonett durch ein Gemetzel an der Front, sondern wickelt sich über die Lüfte ab. Bomben, Artillerie-Geschosse, vor allem Drohnen schlagen immer gezielter ein. Letztere entwickeln sich zu wahren „Wunderwaffen“, wie obige Beispiele zeigen. Die viele klassischen Waffensysteme obsolet machen.

Dennoch häufen sich vor dem zweiten Jahrestag des Konfliktes die Zweifel über dessen Ausgang. Bei seiner jüngsten Pressekonferenz zeigte Selenskyj sich besorgt über die weitere Mobilisierungsfähigkeit seiner Mitbürger. Anscheinend fordern die Chefs seiner Armee ein zusätzliches Aufgebot von 400.000 bis 500.000 Reservisten. Immer schwerer zu begeistern. Gleichzeitig demonstrieren immer öfters Frauen und Mütter in Teilen der Ukraine für die Rückkehr ihrer Männer und Söhne, seit 22 Monaten im Krieg.

Auch sonst zerbröselt der Rückhalt für die Ukraine. In vielen osteuropäischen Staaten wächst die Kritik, verlieren gar zu ukrainisch-freundliche Regierungen Parlamentswahlen. In den USA verweigern die Republikaner aus innenpolitischen Gründen die notwendigen Kredite für ein Aufstocken der US-Militärhilfe. In der EU blockiert Orban das Budget für die Ukraine. Für seine Zustimmung zu den Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine kassierte er einen Scheck von 10 Milliarden Euro. Schnelles Geld für Ungarn, zumal eine Aufnahme der Ukraine in die EU in weiter Ferne bleibt.

Kriege prägten die Geschichte. Reiche wurden geschaffen, andere zertrümmert. Kriege zogen neue Grenzen, stürzten ganze Völker ins Unglück. In den seltensten Fällen siegten Moral und Recht. Die Geschichte wird von den Siegern geschrieben.

Dennoch ist ein schlechter Frieden für die Menschen oft besser als ein blutig erkämpfter „End-Sieg“. Im Tageblatt vom 24. Februar 2023 schlussfolgerte ich: „Ein schlechter Waffenstillstand, der zu einem selbst unbefriedigenden Kriegsende führt, ist besser als ein jahrelanges Gemetzel mit wahrscheinlich dem gleichen Ausgang.“ Leider noch immer gültig. Im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine müssen die Diplomaten an die Front.

* Robert Goebbels ist ehemaliger LSAP-Minister und Europaabgeordneter

CG
29. Dezember 2023 - 13.47

Dieser kleine Komiker, der nun mit allen Mitteln (Polizeigealt usw.) versucht seine Armee aufzustocken und auch vor Geflüchteten Ukrainern nicht halt macht, sollte mal auf die sogenanten Studenten an ausländischen Hochschulen, deren Eltern zu den ukrainischen Oligarchen gehören, und die Fussballspieler, die ja topfit sein müssten, zurückgreifen um den Militärdienst anzutreten. Er traut sich das nicht zu, denn das könnte ihn bei den nächsten Wahlen das Amt kosten, Wahlen die ja sowieso verlegt wurden aus fadenscheinigen Gründen.

Puschkin
29. Dezember 2023 - 11.53

Diplomaten an die Ukraine-Front. Warum? So lange die Sponsoren viel Geld und Waffen liefern läuft doch alles perfekt in dieser Knochenmühle. Die betroffenen geschundenen hilflosen Menschen interessieren doch den kleinen Komiker nicht. Er glänzt unbehelligt!